Die unheiligen Machenschaften des Sodalicio in Peru

Der Missbrauchsskandal in der peruanischen Kirche hat einen Namen: Sodalitium Vitae Christianae.

Soda… was? Lateinkundige wissen: Der Name kommt von Sodalis, Gemeinschaft – und so heißt diese Organisation Sodalicio de Vida Cristiana (SVC) oder Gemeinschaft des Christlichen Lebens.

Vor über 40 Jahren versammelte Pater Haby vom Orden der Marianisten  junge Menschen um sich, vor allem aus dem Colegio Santa Maria in Lima – einer Schule der Oberschicht Limas. Einer seiner Schüler war Luis Fernando Figari. Dieser gründete zusammen mit Gleichgesinnten wie Germán Doig Klinge am Tag Mariä Empfängnis (8. Dezember) 1971 diese Organisation als „spirituelle Familie“. Am 8. Juli 1997 wurde sie von Johannes Paul II. als Gesellschaft apostolischen Rechts anerkannt und damit teils dem Vatikan unterstellt. DSiese ultrarechte Gruppe wurde zu einer der einflussreichsten Organisationen Gruppen der katholischen Kirche Perus.

Ähnlichkeiten mit Colonia Dignidad in Chile
Durch gute Kontakte zu einflussreichen Bischöfen und Kardinälen wurde Sodalicio in andere lateinamerikanische Länder eingeladen, um Niederlassungen zu gründen. Figari nahestehende Personen aus der Studienzeit erinnern sich, dass eines seiner Lieblings-lieder die Hymne „Cara al Sol“ der spanischen Falangisten war. In seinem Zimmer hing ein Foto von J. A. Primo de Rivera, dem Gründer der faschistischen Falange in Spanien. Figari forderte absoluten Gehorsam: Mein Wort ist wie Gottes Wort. Er forderte für sich Vorzugsbehandlung beim Essen, Trinken und anderen Gelegenheiten. Warum kommt einem  da der Gründer und Herrscher der evangelikalen Sekte Colonia Dignidad in Chile, Paul Schäfer, in den Sinn?
Von den Übergriffen und dem Einfluss der katholischen Gemeinschaft berichten Pedro Salinas und Paola Ugaz in ihrem aufrüttelnden Buch „Mitad monjes mitad soldados“ (Halb Mönche, halb Soldaten), das 2016 in Lima erschien. Darin berichtet eines der Vergewaltigungsopfer von Figari, Santiago, folgendes: „Als er mich zum ersten Mal vergewaltigte, konnte er nicht sofort eindringen. Er ging dann zu seinem Nachtkästchen, holte eine Dose Vaseline, cremte meinen Hintern und drang in mich ein. Danach bat er mich, mit ihm zur Frühmesse zu gehen.“ Ein anderes Opfer berichtete, dass Figari vor der Vergewaltigung sagte: „Ich werde meinen Samen in Deine heilige Zone geben“.

Germán Doig beinahe seliggesprochen

Der zweite Mann des Sodalitium, nach Figari, war Germán Doig. Er starb im Jahr 2001, mit 44 Jahren, ganz plötzlich an einem Herzinfarkt. Es gelang Sodalicio unter dem polnischen Papst Johannes Paul II, dass ein Seligsprechungsprozess begonnen wurde. In diesem Verfahren sagten mindestens drei Zeugen aus, dass sie von Germán Doig (1957-2001) vergewaltigt worden waren. All das zwang Sodalicio und den Vatikan, den Seligsprechungsprozess zu stoppen. Germán Doig wurde dann still und heimlich posthum aus Sodalicio ausgeschlossen.
Die ersten, die über ihre Gewalterlebnisse berichteten, wurden als psychisch Kranke und Antiklerikale bezeichnet, so z.B. der Journalist José E. Escardó der Zeitschrift Gente.

Sodalicio und die Frauen

Rocio Figuera war eine der ersten Frauen in Sodalicio, und zwar in der Fraternidad Mariana de la Reconciliación. In einem langen Interview mit Altavoz (10.2.17) erzählte sie, dass sie als 16-Jährige in diese Marianische Bruder(!)schaft der Frauen eintrat und von Doig gedemütigt wurde und seine Übergriffe erleiden musste. Über Figari sagte sie: Er und die anderen in Sodalicio sehen uns Frauen als minderwertig, unvollkommen, dumm und als „Zweite-Reihe-Wesen“ an. Er habe betont, dass das wichtigste für die Frauen die Jungfräulichkeit sei. Das gelte nicht für die Männer. Für Figari waren Frauen, die Sex hatten, „perverse Wesen“.

Sodalicio und die offizielle Katholische Kirche in Peru

Daniel Vega vom Institut zur Verteidigung der Kinderrechte erklärte: Kardinal Cipriani wusste von den kriminellen Handlungen innerhalb des Sodalicio, und zeigte diese trotzdem nicht an. Als nach und nach Details bekannt  wurden, bat man Kardinal Cipriani, den Chef von Sodalicio öffentlich zu ermahnen. Es erfolgte nichts, weil „es noch keinen Schuldbeweis“ gäbe, so die Aussage des Kardinals. Sodalicio nahm eine interne Untersuchung der Vorfälle vor.
Die Ex-Sodalite Rocio Figuera betont, dass es gut war, dass Kardinal Ciprianio die Unterlagen dieser internen Untersuchung an den Vatikan weitergab. Schlecht sei gewesen, dass er diese nicht auch der peruanischen Staatsanwaltschaft zur Strafverfolgung übergab und, dass er sich nicht um die weiblichen Opfer kümmerte.
Und, es wäre nicht Cipriani, wenn von ihm nicht der Vorwurf kommen würde, dass die Personen, die über den Fall Sodalicio berichten, nur der Kirche schaden wollten. Und er gibt gleich noch die Botschaft mit: Wir verteidigen die Freiheit der Kinder und die Ehe nur zwischen Mann und Frau. Und wenn sie uns dafür köpfen, gut, wir sind hier, um unser Vaterland zu verteidigen.

Der aktuelle Stand

Die peruanische Justiz hat, vertreten durch die Staatsanwältin Maria del Pilar Peralta, die rechtliche Verfolgung von Sodalicio und Figari eingestellt. Das geschah trotz der Zeugenaussagen und anderer Unterlagen wie dem internen Untersuchungsbericht von Sodalicio – weil die Taten ggfs. weniger schwerwiegend und verjährt seien.

Die Katholische Comisión de Etica para la Justicia y la Reconciliación (eine Art Wahrheitskommission) berichtet nach ihrer eigenen Untersuchung über psychische und physische Vergehen inkl. Vergewaltigungen von Minderjährigen in Verbindung mit den autoritären und manipulierenden Strukturen, die sich auf den christlichen Glauben berufen.
Im Vatikan hat die zuständige Stelle (Congregación para los Institutos de Vida Consagrada y Sociedades de Vida Apostólica) folgendes Urteil wegen unsauberer Handlungen und Sünden gegen Figari erlassen:
Er darf (bis auf besonders gravierende Situationen) nicht nach Peru zurückkehren. Er muss in einer Gemeinschaft leben, die nicht zu Sodalicio gehört. Er darf keinen Kontakt zu Personen von Sodalicio aufnehmen. Er darf keine öffentlichen oder privaten Aussagen über Sodalicio bzw. seinen Fall machen, etc.
Die Vatikanrichter stellten zugunsten von Figari fest, dass nicht mit absoluter Gewissheit feststehe, dass „diese Handlungen“ mit Gewaltanwendung ausgeführt wurden.
Am 14.2.17 erklärte der jetzige General von Sodalicio, Allessandro Moroni, Figari zur „persona non grata“ der Gemeinschaft und kündigte an, Unterlagen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Ex-Sodalicio-Mitglieder und Opfer wie José E. Escardó, Oscar Osterling und der Journalist Pedro Salinas, kritisierten das Vatikan-Urteil als abstoßend: „Der Vatikan schützt seinen Kinderschänder – sie bekommen, wie Figari, ein goldenes Exil in Rom“.
Der peruanische Kongressabgeordnete Alberto de Belaúnde kritisierte), dass Mitglieder des Sodalicio systematisch die Büros der Parlamentsabgeordneten aufsuchen, um sie zu überreden, sich gegen eine parlamentarische Untersuchungskommission auszusprechen. Er macht auch darauf aufmerksam, dass die Unterlagen von Sodalicio nicht ausreichend seien, weil z.B. keine Namen genannt würden und sie nur darauf abzielten, individuelle Verfehlungen einzelner Menschen festzustellen.
Peruanische Abgeordnete und mit dem Fall befasste Journalisten fordern die peruanische Regierung auf, darauf zu bestehen, dass der Vatikan die Rückkehr von Figari nach Peru anordnet, damit er der peruanischen Justiz und einer Untersuchungskommission des Parlaments Rede und Antwort stehen müsse. Ein Aspekt dabei sei auch die Untersuchung wirtschaftlicher Machenschaften; das Vermögen von Sodalicio wird auf ca. 800 Millionen US-Dollar geschätzt.

 Zusammenfassung aus spanischen Artikeln sowie eigene Kommentare: Heinz Schulze
Quellen: Lina Godoy, Diario 16, 2011, Altavoz.pe 2015/10/28/1227;Altavoz.pe 2016/04/16/151 (Autor TV América), inkl. deren tags zu violación, abuso, etc.; http://comisionetica.org/blog/2016/04/16/informe-final/;; entrevista a Rocio Figuera, Altavoz, 17.2.17; inkl. tag: Mitad Monjes mitad Soldados,Juan Luis Cipriani; Claudia Cisneros, La República.pe 849764, 26.2.17; El http://goo.gl/tccp22 und gpo.pl/gBxBu8; Patricia Montero, La República, Lima, 12.2.17; Pedro Salinas, La República, 12.2.17; Jorge Loayza, Larepública.peimpresa politica/848890, 16.2.17.