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Die Fujimoris am Ende?

Am 31. Oktober 2018 hörte Keiko Fujimori mit unbewegter Mine, wie Richter Carhuancho das Urteil über sie sprach: 36 Monate Untersuchungshaft, um die Anklagen auf Geldwäsche gegen sie und ihre Partei Fuerza Popular zu untersuchen. Polizisten führten die Mutter von zwei minderjährigen Töchtern ab und brachten sie ins Frauengefängnis nach Chorrillos.

Drei Wochen vorher, am 3. Oktober, annullierte der Oberste Richter Hugo Núñez die Begnadigung von Alberto Fujimori. Die Zivilklage der Opfer der Massaker von Barrios Altos und La Cantuta war erfolgreich. Menschenrechtsvergehen dürfen nicht begnadigt werden, urteilte der Richter. Der Ex-Präsident und Vater von Keiko Fujimori muss seine Reststrafe von 12 Jahren nun in Hausarrest verbringen.

Es scheint, dass die Geschichte der Familiendynastie der Fujimoris in Peru ihrem Ende zugeht. Dabei sah es noch vor wenigen Monaten gar nicht danach aus.

Im Juni 2018 stand Keiko Fujimori im Zenit ihrer politischen Macht. Ihre Partei “Fuerza Popular” stellte die Mehrheit der Abgeordneten im peruanischen Parlament. Sie hatten es geschafft, Präsident Kuczynski abzusetzen; dessen Vizekanzler Martin Vizcarra würde ein willfähriger und schwacher Präsident sein, der sich der Mehrheit im Parlament zu beugen hat. So dachten damals viele.

Der Wendepunkt kam mit der Rede des Präsidenten Martin Vizcarra zum Nationalfeiertag am 28. Juli. Dort kündete der Zufalls-Präsident eine Reform des Justizwesens an, über das zudem das Volk – und nicht das verhasste Parlament – in einem Referendum abstimmen sollte. Bei der nachfolgenden Auseinandersetzung mit dem Parlament blieb Vizcarra hart – und gewann. Das Referendum wird am 8. Dezember 2018 abgehalten werden.
Hintergrund sind die verschiedenen Korruptions-Skandale, die Peru seit Jahren erschüttern, und die meist mit Wahlkampfspenden und Schmiergeldern des brasilianischen Baukonzerns Odebrecht zu tun haben. Das Fass zum Überlaufen brachten jedoch die Telefonmitschnitte hoher Richter, in denen sie ihre Urteile an den Meistbietenden verschacherten – auch Gewährsleute von Keiko Fujimori waren darunter.

Keiko Fujimori konnte sich bis dahin – ebenso wie der zweimalige Ex-Präsident Alan García – vor gerichtlicher Verfolgung schützen, obwohl es seit Jahren starke Hinweise auf illegale Geldspenden und Geldwäsche in ihrer Partei gibt. Diese Glückssträhne endete mit der Anklage auf Geldwäsche und Bildung einer kriminellen Vereinigung innerhalb ihrer Partei, welche die Staatsanwaltschaft vorbrachte. Wegen Fluchtgefahr beantragte der Staatsanwalt 36 Monate Untersuchungshaft – die ihm vom Richter vollumfänglich gewährt wurden.

Schon während des Gerichtsprozesses gegen Keiko Fujimori verließen mehrere ihrer Abgeordneten die Fraktion. Bei einer Umfrage Ende August bekam Keiko Fujimori, die 2016 um ein Haar zur Präsidentin gewählt worden war, nur noch 15%. Bei den Kommunalwahlen im Oktober holte ihr Buergermeister-Kandidat fuer Lima gerade mal 2%.

Keiko Fujimori im Gefängnis und unter schwerer Anklage; ein geschwächter, alter Alberto Fujimori, der wieder ins Gefängnis muss. Eine Fraktion, die schrumpft und politischen Einfluss verliert. Alles deutet darauf hin, dass die Familie Fujimori, die seit 28 Jahren die Politik Perus maßgeblich mitbestimmt hat, an ihr politisches Ende gekommen ist.

Einige mögen einwenden, dass es vor 18 Jahren, im Jahr 2000 auch schon so schien, als ob die Fujimoris in Peru ausgedient hätten: Alberto Fujimori war nach Japan geflohen, und hatte seine 25-jährige Tochter Keiko zurückgelassen. Trotz aller Korruptionsvorwürfe und Menschenrechtsvergehen konnte Fujimori damals jedoch auf eine beträchtliche Anhängerschaft zählen, die ihm zugute hielt, dass er den Terrorismus besiegt und die Inflation eingedämmt habe. Die Methoden der Fujimori-Partei waren jedoch immer schon illegal oder an der Grenze des Illegalen: Menschenrechte galten wenig bis nichts, politische Institutionen wurden ausgehebelt oder kooptiert, Urteile und Stimmen gekauft. Die Fujimori-Partei konnte auf die Unterstützung verschiedenster Sektoren der peruanischen Gesellschaft zählen: zum einen die Armen in den Städten oder auf dem Land, die sich durch einfache populistische Maßnahmen beeindrucken ließen; die große Masse der informellen kleinen Solo-Unternehmer, deren Existenz-Grundlage gerade die Abwesenheit jeglicher Institutionalität ist; zum anderen aber auch die Wirtschaftselite, welche über die rüden politischen Maßnahmen der Fujimoris die Nase rümpften, aber insgeheim sagten, dass Fujimori halt ein notwendiges Übel sei, um eine neoliberale Wirtschaftspolitik weiterzuführen.

Das Genick gebrochen hat Keiko Fujimori letztlich der Überdruss der Menschen an der sichtbaren Korruption. die Anhäufung von Korruptions-Verdacht gegen Fujimori-nahe Personen, und die z.T. groteske Zurschaustellung von Partei- und Individualinteressen ihrer Abgeordneten im Parlament.

Ist die Familiendynastie damit wirklich zu Ende? Keikos jüngerer Bruder Kenji, der als Parlamentarier mit seiner Schwester brach, um die Begnadigung seines Vaters voranzutreiben, schweigt bisher. Er könnte einst versucht sein, das Erbe anzutreten. Denn unabhängig davon, ob es ein Fujimori oder ein anderer Heilsbringer sein wird: die Fujimori-Partei hinterlässt auch eine Lücke in der politischen Repräsentanz oben genannter Bevölkerungsschichten.

Hildegard Willer