© Frank Braun

Bio – Ein peruanischer Exportschlager

Ökologisch angebaute Lebensmittel aus Peru sind im Bioladen in Deutschland wahrscheinlich einfacher zu finden als in der Hauptstadt Lima.

 

Peru ist ein Paradies der Vielfalt. Peru hat mehr als 315.000 Hektar zertifizierte ökologische Anbaufläche und ist damit unter den Top 25-Nationen weltweit, obschon das gerade einmal einen Anteil von 1,3% der landwirtschaftlichen Anbauflächen ausmacht. Alleine mehr als 115.000 Hektar dienen der Produktion von Bio-Kaffee. Was die Anzahl der Produzent*innen ausmacht liegt Peru mit mehr als 87.000 gar unter den Top 10 Nationen weltweit. Und doch, im eigenen Land spielt Bio kaum eine Rolle, da der größte Teil der Waren für den Export bestimmt ist. Ich habe mich auf Spurensuche begeben nach den kleinen Bio-Inseln, die es auch hier durchaus gibt und dabei viel Vertrautes entdeckt.

 

Bio für den Export

 

Juan Antonio Portugal Quinteros hat einige Jahre für die “ Comisión de Promoción del Perú para la Exportación ”, kurz PROMPERU, gearbeitet und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Bio-Branche in Peru. Er glaubt, dass gerade auch durch die Covid-Krise die Nachfrage nach gesünderen und natürlichen Produkten in Peru gestiegen ist, auch wenn nur der geringste Anteil davon zertifiziert ist. Dies macht es schwierig, zuverlässige Zahlen zu erheben. Gerade für den heimischen Markt würden viele Produkte ohne Zertifizierung angeboten, um die Kosten zu sparen. Ein Großteil der Menschen hier verstehe immer noch nicht ausreichend, was ein Bio-Produkt ausmacht.  So würden Diätprodukte und Bio-Produkte oftmals als das Gleiche angesehen. Das führt dazu, dass die Menschen hier kaum bereit seien, einen Mehrpreis für Bio zu bezahlen.

Das ist auch mein Eindruck.

 

Bio-Läden nur für Wohlhabende

 

So bunt und vielfältig das Angebot auf den Lebensmittelmärkten in Lima auch ist – die wenigsten dieser Früchte und Gemüse sind bio zertifiziert.

Einen Bio-Fachhandel wie wir ihn aus Deutschland kannten, gab und gibt es hier nicht. Nur in den wohlhabenden Gegenden der großen Städte gibt es kleine Bioläden und am Wochenende Bio-Märkte, wo ökologische Produkte aller Art angeboten werden. Das Einkaufserlebnis hat mich an die 80iger und Anfang der 90iger Jahre in Deutschland erinnert. Es sind kleine Läden, in denen sich oft ein buntes Sortiment aus Bio-, Diätprodukten und sonstigen als „gesund“ deklarierten Artikeln findet. Auch die Öko-Märkte, Ecoferias genannt, sind ein wildes Sammelsurium an Produkten, die sich im weitesten Sinne dem Spektrum ökologisch und gesund zuordnen lassen, oftmals aber ohne jegliche Zertifizierung. Es ist dann eher ein Handel auf Vertrauensbasis. So ist trotz der positiven Entwicklung für den peruanischen Biomarkt auf der Produzent*innen-Seite – zwischen 2012 und 2018 hat sich die Anzahl der Produzent*innen mehr als verdoppelt – davon hier in Peru kaum etwas zu spüren, denn nur ein geringer Anteil der im Land produzierten Bioprodukte wird folglich auch hier verkauft. Weit über 80% sind für den Export bestimmt und so ist es gar nicht leicht hier Bio-Produkte zu finden, wie wir selbst feststellen mussten, als wir 2019 nach Chaclacayo zogen.

 

 

Tante Emma – Läden, aber kein Bio

 

Chaclacayo liegt 35 Kilometer östlich vom Zentrum Limas. Dort erfolgt die Nahversorgung über den lokalen Markt und eine Vielzahl von kleinen Lebensmittelhändlern. Einen Bio-Fachhandel gibt es hier nicht. Die zwei großen Supermarktketten im Land,  Metro/Wong und Plazavea, haben – wenn überhaupt – nur ein sehr kleines Bio-, und eigentlich nie ein Fairtrade-Regal in ihren Märkten. Nachhaltigkeit ist hier Fehlanzeige. Schaut man in die Einkaufswägen, dann ist dort alles in Plastiktüten und Plastik verpackt. In den kleinen Läden ist das größtenteils aber auch nicht anders, nur dass dort viel mehr lose Ware angeboten wird. Es ist ein ständiges Aufpassen und Erklären, dass man uns das Obst und Gemüse nicht einzeln in einer Plastiktüte verpackt mitgibt. Immer wieder entdecke ich aber inmitten der wunderbaren Gemüse- und Fruchtecken biozertifiziertes Obst und Gemüse, das wohl für den Export bestimmt war und dann doch auf den heimischen Märkten gelandet ist. Auch das Fairtrade-Siegel entdecke ich immer wieder. Einen Preisunterschied zwischen zertifizierter und nicht-zertifizierter Ware gibt es allerdings, aufgrund des mangelnden Bewusstseins, hier nicht. Bio und Fairtrade spielen schlicht keine Rolle. Immerhin habe ich einen Bio-Bauernhof in meiner Nachbarschaft gefunden, der einen kleinen Hofladen betreibt. Dort gibt es Obst und Gemüse der Saison und auch Milchprodukte. Die Menschen, die hier einkaufen, kommen ganz bewusst und sind auch bereit, höhere Preise für Bio-Produkte zu bezahlen. Das gilt natürlich auch für die kleinen Bioläden in Lima. Bio ist hier in Peru einfach noch nicht in der Mitte der Bevölkerung angekommen.

 

Aber bei aller Unterschiedlichkeit zwischen dem deutschen und dem peruanischen Bio-Markt ist eines doch gleich: Die wunderbare Atmosphäre in den Bioläden, geprägt durch Menschen, die mit Herz und Verstand unermüdlich daran arbeiten, dass auch hier in Peru Bio bald das neue Normal in den Lebensmittelregalen ist! Sie sind im positivsten Sinne besessen von der Idee einer Landwirtschaft von Menschen für Menschen. Wenn ich dort im Laden bin, dann fühle ich mich zu Hause. Es ist eine Welt für sich und hat etwas Verbindendes zwischen den Menschen, die hier ein und aus gehen. Ich habe das auf Reisen immer wieder erlebt. Hier trifft man Menschen, mit denen man sich auf unausgesprochene Weise verbunden fühlt. Es ist ein Gefühl von Heimat, dass mir hier überall auf meinen Reisen  geschenkt wird. Zwei dieser Wohlfühloasen möchte ich hier kurz vorstellen.

 

Bei den glücklichen Kühen

 

Der Familienbetrieb Vacas Felices produziert und verarbeitet Biomilch und betreibt auch drei Bio-Läden in Lima. Sie arbeiten, über eine Kooperative verbunden, mit kleinen Höfen rund um Lima zusammen, denen sie die Milch abkaufen.

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Die glücklichen Kühe von “Vacas Felices” in der Nähe von Matucana, 3 Stunden vor Lima.

Bei Gracile Pauleth Sangay Quiroz, der Geschäftsführerin von Vacas Felices  reicht das „Bio-Gen“ schon einige Generationen zurück. Ihre Mutter hat einst das Unternehmen gegründet. „Über Generationen wurde in unserer Familie der Satz vererbt: Nach der Mutter, die dich geboren hat, ist die Erde deine zweite Mutter, weil sie uns erhält und ernährt“, so erzählt sie mir. Aus dem Selbstversorgerhof der Großmutter in der Region Cajamarca entwickelte sich ein Betrieb, der die Überschüsse, die die Familie nicht selbst benötigte, verkaufte..

Ihre Mutter hat dann die ersten „glücklichen“ Kühe gekauft, nach denen dann 2002 auch das Unternehmen benannt wurde. So begann sie 1997 im kleinen Stil Bio-Milchprodukte im Bergland vor Lima zu produzieren. Heute arbeitet das Unternehmen mit 35 Milchbauern im Hochland nahe Lima zusammen und betreibt mittlerweile selbst drei Bio-Läden in Barranco und San Isidro. Ihr Mann Juan hat Permakultur eingeführt und trägt es nun auch in die anderen landwirtschaftlichen Betriebe weiter, mit denen Vacas Felices zusammenarbeitet.

 

 

Der Laden der “Vacas Felices” im hippen Stadtteil von Barranco ist ein Erfolg.

Mehr Bio dank Covid

 

Gracile hat das Gefühl, dass die Pandemie doch mehr Menschen hier in Peru dazu gebracht hat, viele Dinge in ihrem Leben neu zu bewerten. Mehr und mehr Menschen stellen sich Fragen, die bislang eher eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Was brauchen wir wirklich zum Leben? Was ist wesentlich in unserem Leben? Sie erinnert sich deutlich an den 15. März 2020, als der damalige Präsident Vizcarra die Quarantäne verordnete und erwähnte, dass niemand außer den Lebensmittel- und Medikamentenproduzenten arbeiten könne. In diesem Moment fühlte sie eine große Freude, der Gemeinschaft mit gesunden und nachhaltigen Lebensmitteln dienen zu können, so erzählt sie mir. Sie wünscht sich, dass die Menschen gerade in den Städten wieder wissen, von wem und wo ihre Lebensmittel eigentlich produziert wurden. Ihr Wunsch ist es, dass ihr Unternehmen als Vermittler dienen kann, um die Weisheit des Landes und der Stadt zusammenzubringen, um so besser für die Menschen aber auch für Mutter Natur sorgen zu können. Die Läden von Vacas Felices erinnern mich an meine ersten Einkaufserlebnisse in Bio-Läden in meiner Heimatstadt Nürnberg in den 80iger Jahren. Es ist wie ein Besuch bei Freunden. Man kennt sich schon nach wenigen Einkäufen.

 

Deutsches Müsli in Miraflores

 

Auch Paul Puffers Bioladen ist ein solcher Wohlfühlort. BioLeben ist, wie der Name schon vermuten lässt, das Projekt eines Deutschen. Paul Puffer hat diesen Bio-Laden im gut situierten Lima-Stadtteil Miraflores vor Jahren übernommen und hat auch eine Firma für Bio-Müsli gestartet. Auf die Idee kam er, weil er in Peru kein gutes Müsli finden konnte. Auch er ist überzeugt, dass das Bewusstsein für Bio auch in Peru wächst. Viele Menschen können sich hier aber Bio schlichtweg nicht leisten, denn wer echtes Bio will muss auch hier deutlich mehr bezahlen, als es sonst für konventionelle Ware üblich ist.

 

BioLeben – seit 20 Jahren verkauft Paul Puffer im Stadtteil Miraflores Bioprodukte und betreibt ein vegetarisches Restaurant.

Sowohl die Läden von Vacas Felices als auch BioLeben versuchen auf kleiner Fläche möglichst ein Vollsortiment an ökologischen Produkten von Lebensmitteln über Kosmetik u.v.m. anzubieten und haben auch ein kleines Café integriert, wo es leckeren Bio-Kaffee, Snacks und Bäckereiwaren zu kaufen gibt. Für eine 10-Millionen-Stadt wie Lima sind die wenigen Bio-Läden aber nur ein Tropfen in einem Ozean. So ist es erfreulich, dass es mittlerweile in vielen Stadtteilen Bio-Märkte einmal pro Woche gibt. Aber hier ist nur ein Teil der Ware wirklich zertifiziert und so hat man keine Garantie, dass es sich wirklich um Bio-Ware handelt. Bei abgepackten Waren gibt es mittlerweile staatliche Kontrolle von SENASA (Servicio Nacional de Sanidad Agraria del Perú). Die Behörde soll unter anderem auch sicherstellen, dass Begriffe wie BIO oder ÖKO nicht missbraucht werden. Die Richtlinien sind allerdings weniger streng als bei internationalen Bio-Siegeln, die man sich für die einheimische Produktion aber schlicht nicht leisten könne, so erklärt mir Paul. Für ihn ist der persönliche Kontakt die beste Referenz, um Vertrauen zu haben. Sein Eindruck ist, dass es auf dem peruanischen Markt viele gibt, die versuchen mit Bio gerade bei Touristen Geld zu machen, ohne dass es sich wirklich um Bio-Ware handeln würde. Auf dem Großmarkt kann er immer wieder beobachten, wie andere „Bio-Unternehmen“ konventionelles Obst und Gemüse einkaufen um es dann online als BIO anzupreisen.

 

Wie Bio billiger werden könnte

 

Für mich spricht das den entscheidenden Punkt an, warum Bio, aber auch andere Aspekte der Nachhaltigkeit, wie z.B. Fairtrade, nicht nur hier in Peru, noch kaum eine Rolle spielen. Solange es so ist, dass wir Produkte, die unsere Böden und unser Grundwasser mit Pestiziden und anderen Giften belasten, die Menschen nachweislich krank machen, die am Ende dann auch noch jede Menge Müll produzieren, günstiger im Laden kaufen können als gesunde und nachhaltig produzierte Produkte, so lange wird gerade in den Ländern des Südens, wo ein Großteil der Menschen täglich ums Überleben kämpft, Bio keine Chance haben. Selbst in Europa sehen wir ja diesen Effekt, dass Bio ein Thema der Mittelschicht ist. Menschen mit geringem Einkommen glauben, es sich nicht leisten zu können. Dabei müsste es doch genau umgekehrt sein. Würde man Unternehmen dazu zwingen, für die Folgekosten an Boden, Mensch und Umwelt selbst aufzukommen, würde sich das auch sofort in den Preisen widerspiegeln. Dann würden die negativen Folgekosten nicht mehr der Allgemeinheit überlassen und die Sozialsysteme nicht mehr massiv belastet.

In einer solchen Welt wäre Bio das preiswerte Produkt und „billig“ würde es in dieser zerstörerischen Form nicht mehr geben. Nur so könnte es meines Erachtens gelingen, dass Nachhaltigkeit aus der Nische des Wohlstandes herauswachsen kann und zum neuen „Normal“ wird. Dann würden unsere Preise endlich nicht mehr lügen! Noch ein Traum, aber träumen wird ja wohl erlaubt sein.”

 

Text und Fotos: Frank Braun

Frank Braun ist freier Redakteur, Berater, Moderator und Motivator rund um die Frage, wie wir Lösungsstrategien für eine zukunftsfähige Gesellschaft wirksam umsetzen können. Er lebt seit 2 Jahren mit seiner Frau in Lima- Chaclacayo.

 

Quellenverzeichnis:

https://ciaorganico.net/documypublic/486_2020-organic-world-2019.pdf-

https://www.infostelle-peru.de/web/bio-landwirtschaft-in-peru/

https://www.freshplaza.de/article/9280551/die-steigende-globale-nachfrage-nach-bio-ingwer-rueckt-peru-als-anbieter-in-den-fokus/

https://www.biopress.de/de/inhalte/details/2324/peru-viel-export-wenig-eigenkonsum.html

https://www.statista.com/statistics/914048/peru-organic-producers-number/