Red Muqui unterschreibt die „Minenvision 2030“ nicht

Das Energie- und Minenministerium der Regierung Vizcarra hat Mitte 2018 einen Diskussionsprozess gestartet, um eine „Vision der Minenwirtschaft in Peru bis 2030“ zu entwickeln.

Dazu wurde eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, in der Unternehmen, Staat und Zivilgesellschaft vertreten sind. Die Nichtregierungsorganisationen Grupo Propuesta Ciudadana, DAR (Derecho, Ambiente y Recursos Naturales) und CooperAcción waren zu dem Diskussionsprozess eingeladen. Das Netzwerk Red Muqui hatte zunächst keine Einladung erhalten und wurde erst nach Reklamationen in den Prozess einbezogen.

In der ersten Etappe des Diskussionsprozesses wurden mit den eingeladenen Vertreter*innen in Workshops ein Bericht und der Entwurf für ein Grundsatzpapier („Memoria Viva“) erarbeitet. Letzterer soll in einem zweiten Schritt dezentral an Runden Tischen in den von Bergbau betroffenen Regionen diskutiert werden.

Die Einschätzung der bisherigen Ergebnisse fiel bei den beteiligten Nichtregierungsorganisationen sehr unterschiedlich aus: Während Grupo Propuesta Ciudadana, DAR und CooperAcción in einem Brief an den Vizeminister den Prozess grundsätzlich positiv bewerten und einen offenen und fairen Dialogprozess mit der betroffenen Bevölkerung fordern, hat Red Muqui öffentlich erklärt, aus dem Dialog auszusteigen und die Schlussvereinbarungen nicht zu unterzeichnen. Wir fassen die Inhalte beider Erklärungen im Folgenden zusammen.

Insgesamt sehen Grupo Propuesta Ciudadana, DAR und CooperAcción den bisherigen Diskussionsprozess positiv: Es seien zwar nur wenige Vertreter*innen von Nichtregierungsorganisationen und Zivilgesellschaft beteiligt gewesen. Dennoch habe man ein neues Niveau des Dialogs erreicht und eine Annäherung, wie eine gemeinsame Vision aussehen könnte. Einige wichtige Themen der betroffenen Bevölkerung und der SDG’s (Nachhaltige Entwicklungsziele) der Vereinten Nationen seien aufgegriffen worden.

Nun bestehe die Hoffnung, dass ein dezentraler Dialog mit der Bevölkerung, mit den Akteuren der Zivilgesellschaft die „Minenvision 2030“ vertiefen und bereichern wird. Ausgehend von den Realitäten vor Ort sollten die Vereinbarungen konkretisiert und ihre Umsetzung ermöglicht werden. Damit könnte tatsächlich eine Vision entstehen, die auf einem nationalen Konsens basiert.

In ihrem Brief unterstreichen die drei Organisationen, dass ohne eine Beteiligung der Zivilgesellschaft und der lokalen Regierungen eine „Minenvision“ keine Grundlage habe. Außerdem gebe es zwischen den beiden erarbeiteten Dokumenten Widersprüche, die geklärt werden müssten.

Sehr viel negativer sieht Red Muqui die bisherigen Ergebnisse. Die Kritik des Netzwerkes geht so weit, dass es als Konsequenz aus dem Prozess aussteigt.

Von Beginn an war Red Muqui kritisch gegenüber der Arbeitsweise des Gremiums, vor allem, weil die von Minenprojekten betroffenen Gemeinden, Anwohner*innen und sozialen Organisationen nicht teilnehmen konnten. Die Beteiligung der Betroffenen sei jedoch grundlegende Voraussetzung für die Ausarbeitung einer Agenda. Alle Akteure – und vor allem die direkt betroffene Bevölkerung – müssten angemessen vertreten sein, nicht nur einige wenige auf Zuruf.

Eine echte Auseinandersetzung hätte auch die ökologischen, sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen der Minenwirtschaft berücksichtigt, so Red Muqui. Davon sei jedoch – trotz unbestrittener Fortschritte – keine Rede. Viele Probleme würden nicht benannt, so etwa die Kriminalisierung der sozialen Proteste, die Kooperation der Nationalpolizei mit den Minenunternehmen, die präventiv ausgerufenen Ausnahmezustände, die Umwelt- und Gesundheitsschäden durch Schwermetalle, die Korruption im formalen und informellen Minensektor. Ebenso fehle im Schlussdokument die Notwendigkeit einer verbindlichen Raumordnung.

Red Muqui kritisiert auch die staatliche Politik, die Rechtsgarantien für die Betroffenen abschaffe: das Recht auf Land, auf eine gesunde Umwelt, auf eine wirkliche Beteiligung und Vorabkonsultation, und ganz grundlegend das Selbstbestimmungsrecht über die eigene Entwicklung. Im Widerspruch dazu schreibe die „Minenvision 2030“ die Abhängigkeit der peruanischen Wirtschaft von der Minenwirtschaft fort. Es werde alles dafür getan, dass diese sich uneingeschränkt entwickeln kann, ohne Rücksicht auf die Gemeinden, die Bevölkerung und die ursprünglichen Landbesitzer*innen, wenn diese nicht mit der Minenaktivität einverstanden sind. Die Minenwirtschaft werde nicht in eine ganzheitliche Strategie einer diversifizierten Wirtschaft eingebettet, die auch andere wirtschaftliche Aktivitäten fördert. Im Gegenteil würden diese anderen Aktivitäten oft durch die Minen beeinträchtigt, insbesondere in der Wasserversorgung, was vor allem die Land- und Viehwirtschaft betrifft. „Wir sind der Überzeugung, dass es einen durchschlagenden Wandel der peruanischen Wirtschaft braucht, die sich von den Menschen her und zusammen mit ihnen entwickelt und deren zentrales Anliegen eine gute Lebensqualität und das Gemeinwohl sind“, heißt es in der Erklärung.

Red Muqui erkennt an, dass es in den Diskussionen der Arbeitsgruppe wichtige Fortschritte gegeben hat. Aber die offizielle Zusammenfassung, die veröffentlicht werden soll, enthalte nur die Themen, über die Konsens erzielt wurde. Damit blieben zentrale Themen der Minenproblematik außen vor. Konkrete Situationen und Konflikte seien in die „Konsens“-Dokumente nicht eingeflossen. Begründet wurde dies mit Zweifeln an der „Repräsentativität“ der sozialen Organisationen. Red Muqui befürchtet, dass die Betroffenen mit dieser Begründung auch nicht an den geplanten dezentralen Diskussionsprozessen beteiligt würden.

Aufgrund des bisherigen Prozesses befürchtet Red Muqui, dass die „Minenvision 2030“ dazu benutzt werde, die soziale Akzeptanz der Minenwirtschaft zu stärken. Deshalb hat die Organisation am 3. Januar dem zuständigen Ministerium offiziell mitgeteilt, dass sie in der Arbeitsgruppe nicht mehr mitarbeiten und die Vereinbarungen nicht unterschreiben werde. Dazu heißt es in der Erklärung:

„Ein wirtschaftsfreundliches Klima darf nicht auf Kosten von Umweltstandards geschaffen werden. Ebenso wenig darf die Zentralregierung den Gemeinden und der Bevölkerung ihre Vision einer wirtschaftlichen Entwicklung aufzwingen. Leider zielt die Regierungspolitik darauf ab, das Modell der Extraktivwirtschaft und der Gewinnmaximierung auf Kosten der Menschenrechte für die Mehrheit der Peruaner*innen fortzuschreiben. Wir glauben, dass die ´Minenvision 2030´ genau dazu dienen soll.

Red Muqui begleitet Gemeinden und Bevölkerungen in den Minengebieten und unterstützt sie in der Einforderung ihrer Rechte. Die formulierte ´Minenvision 2030´ widerspricht in vielen Punkten der Agenda Muqui 2018-2021. Sie berücksichtigt weder die Beteiligung der betroffenen Bevölkerung noch den Respekt der Menschenrechte und eine diversifizierte, nicht einseitig von der Minenwirtschaft abhängige Wirtschaft. Wir wollen eine Wirtschaftspolitik, die das Wohl aller Menschen im Blick hat, nicht allein der Unternehmen.“

Die Informationsstelle Peru unterstützt die Erklärung und hat Red Muqui ihre Solidarität und Unterstützung zugesagt.

Weitermachen beim Dialog zur ‚Minenvision 2030‘ oder aussteigen angesichts der Kritikpunkte? Was ist Ihre Meinung dazu? Wir freuen uns über Beiträge zur Debatte!

Annette Brox

Quellen:

https://propuestaciudadana.org.pe/wp-content/uploads/2019/03/Carta-conjunta.pdf

http://www.muqui.org/comunicaciones/noticias/item/854-red-muqui-no-suscribio-vision-mineria-al-2030-por-estar-en-desacuerdo-con-proceso-y-acuerdos