Schulkinder leiden am meisten unter Korruption im Bildungswesen ©Hildegard Willer

Kurz gemeldet: Februar 2022

Was in Peru sonst noch geschah….

206 Angriffe auf Journalist*innen

2021 verzeichnete der peruanische Journalistenverband ANP 206 Angriffe auf Journalist*innen und Medienunternehmen. Die Monate mit den meisten Anschlägen waren die intensiven Wahlkampfmonate April, Mai und Juni. Die häufigste Art des Angriffs waren mit 61 Fällen Bedrohungen und Belästigungen, gefolgt von körperlicher und verbaler Aggression (58) und gerichtlicher Einschüchterung (31). Am häufigsten wurden die Angriffe von Zivilpersonen begangen (99 Fälle), gefolgt von Beamt*innen (41) und  Sicherheitspersonal  (31). Die meisten Angriffe, nämlich 105, ereigneten sich in Lima – ein neuer Höchststand, gefolgt von Puno (13) und Callao (5).

http://www.servindi.org/actualidad-noticias/01/01/2022/anp-registro-206-ataques-la-libertad-de-prensa-en-2021


Armut steigt als Folge der Covid-19-Pandemie

Obwohl sich das Bruttoinlandsprodukt Perus 2021 mit einem Anstieg von 13% weiter von dem Covid-19-bedingtem Einbruch im Jahr zuvor erholt, steigt weiterhin die Armut, so die IBC Coyuntura. Grund dafür sei einerseits die weltweite Inflation, die gerade in Peru Grundlebensmittel und importierte Produkte des täglichen Lebens wie Mais, Weizen und Erdöl verteuert. Auch die Mieten sollen sich bis zu verdreifacht haben.

Aber gleichzeitig lässt sich auch ein Anstieg der Arbeitslosenrate verzeichnen und die Anzahl der im informellen Sektor Arbeitenden ist um fast fünf Prozent auf 77,3% gestiegen. Dabei sind gerade Frauen einer größeren Gefahr der Arbeitslosigkeit ausgesetzt, da sie oft in pandemiebedingt geschlossenen Bereichen wie Hotels und Restaurants arbeiten – während sie parallel mehr unbezahlte Reproduktionsarbeit durch Home Schooling und Home Office anderer Familienmitglieder leisten müssen. Die Armut ist im Vergleich zu 2019 um fast 10% gestiegen.

Quelle: Instituto Bartolomé de las Casas, IBC Coyuntura Januar 2022.


Gerichtsprozesse im Fall der Zwangssterilisationen  wieder aufgenommen

Nachdem die Gerichtsprozesse im Fall der Zwangssterilisationen von mehrheitlich indigenen Frauen in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre  immer wieder verschoben und abgebrochen wurden – zuletzt im Januar 2021 – werden nun seit Dezember 2021 die Verhandlung wieder fortgesetzt. Von mehr als 340.000 Opfern von Eilleiterligaturen und 24.000 von Vasektomien, haben 1307 bereits 2009 Anklage erhoben. Trotzdem werden die Anhörungen und Verhandlungen um die Menschenrechtsverletzungen unter Diktator Fujimori immer wieder seitens des Staates unterbrochen – unter anderem, weil es keine*n Quechua-Spanisch-Übersetzer*in für die quechuasprechenden Klägerinnen gab.

Mit der Wiedereröffnung des Prozesses hoffen die Opfer der Zwangssterilisationen und ihre Angehörigen nun auf die versprochenen Verurteilungen der Verantwortlichen und auf Maßnahmen, die solche Menschenrechtsverletzungen künftig verhindern, sowie auch die Aufklärung darüber in Schulen. Der Kampf um die Anerkennung der Zwangssterilisationen ist auch ein Kampf um die Anerkennung der sexuellen und reproduktiven Rechte als Menschenrechte in Peru.

https://www.demus.org.pe/noticias/esterilizaciones-forzadas-en-peru-luego-de-18-anos-de-proceso-penal-se-abre-investigacion-judicial-contra-alberto-fujimori-y-sus-exministros-de-salud/

https://elpais.com/internacional/2021-12-11/la-justicia-abre-un-proceso-penal-contra-alberto-fujimori-por-las-esterilizaciones-forzadas-de-los-anos-noventa.html


Impfquote in mehrheitlich indigenen Regionen steigt nur langsam

Laut einer Recherche von Servindi ist vor allem in ländlichen Regionen, in denen viele Indigene leben, nur ein geringer Impffortschritt zu verzeichnen. So seien zwar laut der Regierung mittlerweile 89,6% (Stand: 3.2.22) aller Peruaner*innen ab zwölf Jahren zweifach geimpft, aber die bisher ungeimpften Menschen seien vor allem auf zehn Provinzen in andinen Regionen und Amazonasgebieten zurückzuführen, in denen ein Großteil der indigenen Bevölkerung lebt. Besonders betroffen davon sind die Provinzen Madre de Dios mit der aktuell niedrigsten Impfquote von 75,8% (Stand: 3.2.22) sowie Puno, Ucayali, Loreto und Ayacucho. Grund dafür ist sowohl eine mangelnde Infrastruktur als auch fehlende Aufklärung bzw. Desinformation, die viele verunsichert.


Indigene Impfgegner

Während indigene Organisationen den peruanischen Staat dringend zu mehr Impfgerechtigkeit auffordern gibt es andere, die das Gegenteil verlangen.

Dazu gehört die Föderation der Asháninka am Unteren Urubambafluss FABU mit Sitz in Atalaya (Region Ucayali). Deren Präsidentin Susana S. forderte in einem offenen Brief am 6.1.2022 die peruanische Regierung auf, sofort mit dem Impfen auf zu hören. Dieser Aufruf wurde von Dutzenden von Vertreter*innen aus den Dorfgemeinschaften unterschrieben. Angeblich seien durch die Covid-Impfung Millionen von Peruaner*innen in Gefahr sind, zu sterben, weil die Impfstoffe nicht wirklich geprüft sind und dazu dienen, den großen Konzernen Gewinne zu bringen. Anstelle der Impfung solel die Regierung Lebensmittel für die indigene Bevölkerung geben und das Mittel CDS (Chlordioxid) legalisieren, produzieren und anwenden. (Anm. Chlordioxid wird u.a. eingesetzt als Lösungsmittel, zur Wasserreinigung, als Insektenschutzmittel, zur Papierbleiche, oder gegen erhöhtem Hirndruck bei Pferde)

Deutlich wird ein Ende der Vorzeigepflicht eines Impfnachweises verlangt, den man braucht, um in öffentliche Gebäude, Banken oder in Bussen zu gelangen.

In den Dorfgemeinschaften, die zu FABU gehören, werden Impfteams des Gesundheitsministeriums nicht hereingelassen.Als konkrete Forderung wird noch erwähnt, dass endlich die Straße von Puerto Ocopa (Junin) nach Atalaya (Ucayali) asphaltiert werden müsse.

Aus: Carta al Presidente Jose Pedro Castillo Terrones, Atalaya, 6.1.2022, gekürzt und  übersetzt Heinz Schulze


Pandemie-Leugner und „Querdenker“ in Peru

Das auf Gesundheitsthemen spezialisierte Online-Medium Salud con Lupa und das Red Latam Chequea haben in intensiver Recherche 50 Personen in Lateinamerika näher betrachtet, die intensiven Einfluss nehmen und deren Vorstellungen Einfluss auf Teile der Bevölkerung haben. Einige werden kurz mit Namen, ihren Berufen und Einflussmöglichkeiten bzw. Interessen vorgestellt, weil in den sozialen Netzen auf diese Bezug genommen wird.

Von den 50 einflussreichen Personen kommen 13 aus Peru, 9 aus Mexiko, 8 aus Argentinien, 4 aus Paraguay, 3 aus Chile und Bolivien  und jeweils zwei oder eine Person aus El Salvador, USA, Uruguay, Spanien, Guatemala, Kolumbien, Costa Rica und Ecuador.

Hier die peruanischen „Querdenker“:

  • Rafael López Aliaga C.: ultrarechter Politiker, 2021 als Präsidentschaftskandidat gescheitert, Betreibt die Hotelkette Belmond u.a. das Luxushotels auf Machu Picchu, Finanzaufsicht der Universidad del Pacifico, Mitglied in der ultrarechten Katholischen Gemeinschaft Opus Dei und in der Kampagne gegen Sexualkunde an Schulen, propagiert den Impfstoff der peruanischen Firma Farvet (obwohl dieser nur an Tieren getestet wurde) und lehnt den Gebrauch von Masken ab, da durch die Masken der Virus leichter eindringen kann.
  • Ricardo P. Belmont C., war von 1989 und ab 1993 Bürgermeister von Lima, propagiert: Anticovid-Impfungen machen steril, in Peru herrscht eine Impfdiktatur, spricht sich für eine Covid Behandlung mit Chlordioxid aus.
  • Manolo Fernández, Tierarzt, Geschäftsführer der Pharmafirma Farvet, propagiert den Einsatz der Tiermedizin ivermectin, ist in der Kampagne gegen Sexualkunde im Unterricht
  • Rechtsanwältin Beatriz Munoz, schreibt in der Boulevardzeitung Expreso, spricht sich für eine Covidbehandlung mit Chlordioxid aus.
  • Ernesto Bustamante D, wissenschaftlicher Leiter der Firma BioGenómica, Gesundheitsberater der gescheiterten Präsidentschaftskandidatin Keiko Fujimori, ist Parlamentsabgeordneter ihrer Partei, Fuerza Popular.
  • Rechtsanwältin Rosa Maria Apaza, war Vorsitzende der peruanischen Vereinigung für Verbraucherrechte. Publiziert: Mit der Spritze bekommen die Menschen einen Clip von Bill Gates, etc.
  • Rita Denegri Schroth, Chirurgin, propagiert Chlordioxid, wenn es eingeatmet wird.
  • Lorenzo Colque A., Präsident eines peruanischen Instituts für medizinische Forschungen, propagiert Chlordioxid, weil dieses angeblich Bakterien, Parasiten etc. eliminiert, am besten zusammen mit Ivermectin und Azitremicina einnehmen; propagiert Antivirus-Lebensmittel aus der Inkazeit. Sein Rezept: Täglich ein Getränk aus Knoblauch, Zwiebeln, Zitronen, Ingwer, Honig und drei Aspirintabletten.
  • Armando Massé macht Radiosendungen und propagiert darin Chlordioxid.
  • Iro Chaqua, Arzt, arbeitete u.a. im Krankenhaus Apoyo Sivia in Ayacucho, kritisiert, dass die Impfstoffe negative Veränderungen in menschlichen Zellen verursacht.
  • Lida E. Obregón, Chirurgin, Expertin in Naturmedizin, propagiert Chlordioxid.
  • Orestes Pompeyo Sánches, Journalist, ist Pastor der evangelikalen Kirche Asamblea de Dios, Lima, und Stadtrat in Lima und propagiert Ivermectin.

(aus: Plataforma de Salud con Lupa,. Desinformantes, auch in Servindi, Lima, 7.2.22, übersetzt und kommentiert Heinz Schulze)


Perus Wirtschaft als Vorbild in Südamerika

Peru ist Vorzeigekandidat in der Wirtschaft, so der Präsident der Banco Interamericano de Desarollo (Interamerikanische Entwicklungsbank, kurz BID) Mauricio Claver-Carone. Er bestätigt, dass die Wirtschaftsbilanz der letzten Monate für Präsident Castillo spreche. So seien Perus Steuereinahmen die höchsten der letzten neun Jahre und um zwanzig Prozent höher als im Jahr 2019, demnach ertragsreicher als vor der Covid-19-Pandemie.
Die BID lobte die gute Beziehung zu Castillo und die entstandenen Arbeitspläne. Währenddessen darf Castillo mit einem Wirtschaftswachstum von drei Prozent rechnen, das er für die Unterstützung und Förderung des Bildungssystems, Gesundheitswesen wie auch kleinerer und mittlerer Unternehmen nutzen möchte.

https://elperuano.pe/noticia/137130-bid-peru-es-el-pais-estrella-de-la-region-por-cifras-economicas-favorables


Kongress lähmt Prozess der Formalisierung illegaler Bergbauminen

Eigentlich sollte die Formalisierung informeller Bergbauminen zu besserem Umwelt- und Arbeitsschutz führen und den indigenen Gemeinden helfen, deren Gebiete durch den illegalen Bergbau besetzt werden. Doch durch einen politischen Schlingerkurs des peruanischen Kongresses wurden Fristen für die Formalisierung und somit Legalisierung immer wieder nach hinten verschoben, zuletzt bis Dezember 2024. Als informeller Bergbau gilt jeglicher Bergbau, in welchem mit „Geräten gearbeitet wird, die nicht den administrativen, technischen, sozialen oder ökologischen Anforderungen“ entsprechen. Das 2002 erstmals erlassene Gesetz Nr. 27651 kann außerdem seine Wirksamkeit nicht entfalten, da alle im Registro Integral de Formalización Minera  (Umfassendes Register für die Formalisierung im Bergbau, kurz Reinfo) gemeldeten, jedoch durch das Nicht-Einhalten von klima- und arbeitschutztechnischen Voraussetzungen suspendierten Bergbauprojekte nicht belangt werden können. Verschiedene politische und ökonomische Interessen machen einen stringenten Kurs schwierig, und so bleiben größte ökologische und sozialpolitische Schäden weiterhin straflos.

https://ojo-publico.com/3245/permiten-impunidad-mineros-ilegales-con-prorroga-de-formalizacion


Warum der frühere Erziehungsminister zurücktreten musste

 Seit Dezember 2021 hat sich das Minister*innen Karussell weiter gedreht. Es gibt eine neue Regierung (Stand 21.1.22). Trotzdem ist es interessant, etwas über die Hintergründe zum Rücktritt des Ex-Ministers Carlos Gallardo zu lesen.

Neue Lehrer*innen sollten eine – umstrittene – Eignungsprüfung ablegen, um in den Staatsdienst übernommen zu werden. Kurz vorher verkauften wohl eine Parlamentsabgeordnete der Partei von Präsident Castillo und eine Tochter vom damaligen Erziehungsminister Gallardo die Prüfungsfragen. Das nicht aus Solidarität heraus sondern in „klassischer Form“ gegen Bezahlung. Bekannt wurden Fälle aus der Urwaldstadt Tarapoto, wo angehende Lehrer*innen den Fragenkatalog  für 3.000 Soles (etwas unter 1.000 Dollar) kauften.


Polizei rät indigenen Dorfgemeinschaften sich selbst zu verteidigen

Der peruanische Menschenrechtsanwalt Juan Carlos Ruiz berichtet über etwas eigentlich Unmögliches: Die zuständige lokale Polizeistation in der Regenwaldregion Ucayali sei nicht in der Lage, die indigene Bevölkerung zu schützen. Sie schrieb an die Dorfgemeinschaft Flor de Ucayali sinngemäß: Wir haben keine logistischen und personellen Ressourcen, organisiert euch selbst zur Selbstverteidigung. Die Polizei beruft sich dabei auf die Gesetze für die Rondas Campesinas und die Rondas Indígenas. Darin ist aber festgehalten, dass diese keine direkte Gewalt ausüben und keine Polizeifunktionen übernehmen dürfen.

Ruiz zitiert dazu voller Sorge Hanna Arendt, die auf das Recht, Recht zu haben hinweist. Und er zitiert angesichts der Vernachlässigung indigener Völker durch den Staat den kolumbianischen Autor Mauricio Rodriguez: Die Würde und Rechte sind nicht nur durch einen zu starken, autoritären Staat, sondern auch durch einen zu schwachen Staat in Gefahr.

Das trifft nach Ruiz auf den peruanischen Staat zu, wenn er seine Bewohner*innen, egal wo sie leben, nicht schützt.

Aus: Carta Policial Nr. 836-2002- SCR- 24.11.21, in Servindi 30.12.21


Große Coca Cola gegen Coca Pola

Innerhalb der nationalen und internationalen Diskussionen zum Problem der Herstellung von Kokain aus den Cocablättern ist ein wichtiger Aspekt: Die Cocablätter anders als für die Drogenherstellung zu verwenden.

Das konkrete Beispiel betrifft jetzt eine indigene Organisation in Kolumbien, aber die Verwendung von Cocablättern aus Peru hat mit dem Konzern Coca Cola zu tun.

Nach unwidersprochenen Aussagen berichten peruanischen Quellen, dass Coca Cola für die Herstellung ihres Getränks Cocablätter aus Peru bezieht. Genannt wird dabei immer die Coca Trujillana.

Das indigene Kleinunternehmen Coca Nasa aus dem kolumbianischen Departement Cauca produziert nach eigenen Aussagen aus den Cocablättern Nahrungsmittel, aromatische Getränke, Energiedrinks oder Schnaps. Also eine Verwendung der Cocablätter ohne die Menschen süchtig zu machen. Coca Nasa produziert alles mit 22 Mitarbeiter*innen nur für den einheimischen Markt.Ein weiteres, neues Produkt heißt Coca Pola. In der Caucaregion bestellt mit eine „Pola“ wenn man ein Bier will.

Gegen Coca Pola fährt jetzt Coca Cola die harte juristische Keule aus und bezieht sich darauf, dass sie das intellektuelle Eigentum dafür nesitzen und ihre Marke Coca Cola vor Missbrauch geschützt ist. Cocabier ist keine Cocalimonade und die Pflanze heißt halt Coca.

Indigene Organisationen rufen dringend dazu auf, sich für eine Nutzung der Cocablätter für eine Verarbeitung in  normale, gesunde Produkte einzusetzen.

Man kann diskutieren, ob Coca Cola ein gesundes Produkt ist, aber dieser Konzern hat weltweit die einzige Genehmigung, Cocablätter in die USA ausführen zu dürfen. Sonst ist das Mitbringen von Cocablättern, z.B. für die private Zubereitung von Cocatee – sehr bekömmlich – ein Verstoß gegen internationale Abkommen zum Schutz gegen Produkte, aus denen Drogen hergestellt werden können.

https://www.servindi.org/27/12/2021/coca-cola-busca-prohibir-cualquier-producto-que-use-la-la-palabra-coca


zusammengestellt von Elisa Bemmerl, Heinz Schulze und Annette Brox