Die Vertreter der Kirchen, der Menschenrechtskoordination und von Transparencia bei ihrer Pressekonferenz am 8. Mai. (© www.iglesia.org.pe)

Eid auf die Demokratie

Ein Aufruf der peruanischen Zivilgesellschaft an die Kandidaten Keiko Fujimori und Pedro Castillo.

 

Die peruanische Bischofskonferenz (CEP), die Union Evangelisch-Christlicher Kirchen Perus (Unicep), die Nationale Menschenrechtskoordination (CNDDHH) und der Verein Transparencia stellten am 8. Mai, eine “Erklärung der Zivilgesellschaft: Eid auf die Demokratie” vor, in der sie die Präsidentschaftskandidat*innen Keiko Fujimori und Pedro Castillo auffordern, die Prinzipien der Demokratie und der Menschenrechte zu respektieren.

 

 

Erklärung der Zivilgesellschaft

Eid auf die Demokratie

 

Peru wurde im Geist der Freiheit gegründet. Jetzt zur Zweihundertjahrfeier liegt es am peruanischen Volk diese zu verteidigen, weil dies nur in einer Demokratie möglich ist. Wir wissen, wie es ist, die Freiheit zu verlieren und auch sie wiederzuerlangen.

Am 6. Juni werden die Peruaner*innen  in einer Stichwahl den nächsten Präsidenten oder die nächste Präsidentin der Republik wählen.

Aufgrund  des Werdegangs, der Programme und der Reden der zwei Kandidat*innen ist es dringender denn je, gegenüber möglichen Bedrohungen der Demokratie wachsam zu bleiben.

Deshalb fordert die Bürgerschaft von den beiden Kandidat*innen:

DASS SIE SCHWÖREN, sofort die größten Anstrengungen zu unternehmen, um der Pandemie mit effektiven, wissenschaftlich fundierten Strategien zu begegnen, mit Maßnahmen zur Prävention von Ansteckungen, zur Behandlung und zur Impfung für alle, und zur Bekämpfung von Armut und Hunger, die durch die Pandemie verursacht wurden.

DASS SIE SCHWÖREN, das Grundrecht auf Leben zu respektieren und zu wahren und die Menschenrechte aller Bürger*innen, auch der Minderheiten und Ausgegrenzten zu respektieren, um eine inklusive, tolerante und pluralistische Gesellschaft zu garantieren.

DASS SIE SCHWÖREN, das Amt nach dem 28. Juli 2026 abzugeben und keine Wiederwahl anzustreben.

DASS SIE SCHWÖREN, dass jegliche Änderungen und/oder Reformen, einschließlich der Verfassung, nur durch die bestehenden verfassungsmäßigen Mechanismen und unter Achtung der Rechtsstaatlichkeit erfolgen werden.

DASS SIE SCHWÖREN, die Unabhängigkeit und die Rechte der anderen Verfassungsorgane zu respektieren und zu schützen, wie etwa der Nationalen Justizkommission, des Verfassungsgerichts, der Generalstaatsanwaltschaft, der Ombudsstelle, der Zentralbank von Peru.

DASS SIE SCHWÖREN, eine gute, gleichberechtigte und inklusive Bildung zu fördern und die Chancengleichheit für Kinder, Jugendliche und junge Menschen zu erhöhen sowie die Arbeit der SUNEDU (oberste Bildungsbehörde) zu stärken.

DASS SIE SCHWÖREN, die Meinungs- und Pressefreiheit zu respektieren, zu fördern und zu verteidigen.

DASS SIE SCHWÖREN, die Vereinigungsfreiheit in Gewerkschaften, Berufsverbänden, Nichtregierungs-, Nachbarschafts- und Basisorganisationen und anderen Vereinsformen zu garantieren.

DASS SIE SCHWÖREN, die Korruptionsbekämpfung zu fördern und zu schützen und sich nicht in die Ermittlungsarbeit der zuständigen Stellen wie Staatsanwaltschaft, Polizei und Kontrollbehörden einzumischen. Und dass wirksame Maßnahmen für mehr Sicherheit, gegen Terrorismus, Drogenhandel und organisiertes Verbrechen hohe Priorität haben.

DASS SIE SCHWÖREN, die internationalen Verträge und Rechtsinstrumente zu respektieren, die Peru unterzeichnet hat, ebenso wie die Entscheidungen des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtes.

DASS SIE SCHWÖREN, das Gemeinwohl durch eine gerechtere Einkommensverteilung, eine effizientere öffentliche Ausgaben- und Investitionspolitik und ein größeres Wachstum des Landes zu fördern, indem sie private Investitionen fördern, die neue Arbeitsplätze schaffen und Wohlstand erzeugen, ohne die Umwelt, das Kapital unserer Zukunft, zu schädigen.

DASS SIE SCHWÖREN, die nicht verhandelbare Institutionalität der Streitkräfte und der Polizei zu respektieren.

Wir verlangen, dass die Kandidat*innen Pedro Castillo und Keiko Fujimori sich im Rahmen eines öffentlichen Eides verpflichten, den Fortbestand der in dieser Erklärung aufgezählten wesentlichen Elemente der Demokratie zu garantieren. Sollte eine*r der Kandidat*innen die Unterschrift verweigern oder den Eid nicht einhalten, wird die demokratische Zivilgesellschaft die Gefahr erkennen und wissen, wie sie unsere Demokratie verteidigen kann.

Wir sollten die Zweihundertjahrfeier nicht mit der Trauer begehen müssen, die Freiheit und Demokratie verloren zu haben, die wir hätten feiern sollen. Lassen Sie uns gemeinsam diesen Schwur von den Kandidat*innen einfordern. So werden wir am Tag der Zweihundertjahrfeier die Zuversicht haben, dass die Freiheit überlebt, dass sie nicht verloren gegangen ist und nicht verloren gehen wird.

 

 

Sowohl Pedro Castillo als auch Keiko Fujimori haben die Erklärung öffentlich unterschrieben.

 Die Angehörigen der während des Regimes von Alberto Fujimori ermordeten Studierenden der Universität La Cantuta haben in einem Brief an die Menschenrechtskoordination die Erklärung scharf kritisiert: In der letzten Legislaturperiode habe der Fujimorismus als politische Kraft die Chance gehabt, Gesetze zum Schutz der Menschenrechte zu erlassen, die Demokratie zu stärken und das Recht auf Bildung, Wohnen und Gesundheit zu stärken. Nichts davon habe er getan. „Mit dem Fujimorsmus kann man nicht reden, kann man keine Vereinbarungen treffen, man kann ihm nicht glauben.“

Die Angehörigen der Opfer von La Cantuta beschreiben ihre Erfahrungen mit dem Fujimorismus seit den 1990er Jahren: Verbrechen, Straflosigkeit, Missachtung ihrer Rechte und der Erinnerung an ihre ermordeten Angehörigen.

Die jetzt veröffentlichte Erklärung „Eid auf die Demokratie“ sei eine Legitimierung für Keiko Fujimori, kritisieren die Angehörigen. Sie erwecke den Anschein, als würde Fujimori eine politische Vereinbarung einhalten und sich an demokratische Spielregeln halten. Alle Erfahrungen der letzten Jahre zeigten, dass dies nicht der Fall ist.

Die Angehörigen bekennen sich zur Kampagne „Nie wieder Fujimorismus“.

 Annette Brox