Pishtacos in Lima

Eine Sagenfigur aus den Anden führt zu einer toten Frau  und 34  Verhafteten in einem Vorort von Lima. Hier die Geschichte.Prolog
Huaycán ist nicht irgendein kleines Armenviertel in Lima. Huaycán hat mehr als 250,000 Einwohner. Sie leben dort seit 1984, als der linke Bürgermeister Alfonso Barrantes  Migranten aus den Anden aus anderen Vierteln Limas umsiedelte.  In den 80-er Jahren galt Huaycán als Schwerpunkt des Leuchtenden Pfades. Die Terrorgruppe dachte, sie könne Huaycán ob seiner isolierten Lage kontrollieren.
Denn Huaycán liegt nicht an einer der wichtigen Ausfallstrassen. Vom Km 16,5 der Carretera Central biegt man nach Huaycán ab. Viele Bewohner Limas kennen das Armenviertel nicht.
Die Bewohner Huaycáns organisierten sich gegen den Leuchtenden Pfad. Die linken Basisorganisationen waren stark und wehrten sich gegen die Unterwanderung durch die Terroristen. Deshalb tötete der Leuchtende Pfad im Jahr 1996 eine bekannte Anführerin aus Huaycán, Pascuala Rosado.  Heute sind die Basisorganisationen in Huaycán nicht mehr so stark, aber viele Limenhos glauben immer noch, dass in Huaycán Terroristen leben.

Die Mehrheit der Bewohner Huaycáns sind andiner Herkunft. Deswegen erleiden sie in den “weissen” Bezirken San Isidro oder Miraflores vielfältige Diskriminierung, denn Peru ist immer noch eine Klassen- und eine Rassengesellschaft, welche die Bewohner als Cholos und Terroristen stagmatisiert.  Es gibt zwar ein Polizeirevier in Huaycán, aber die Polizisten sind oft überheblich oder sogar korrupt. Polizisten selber glauben oft, dass Menschen mit andinen Gesichtszügen Diebe und Räuber seien.
1.Dezember 2016
Pisthacos sind in der andinen Mythologie Menschen oder Dämonen, die Menschen töten, um ihnen das Fett auszusaugen.  In den Anden sind es oft weisse “Gringos”, die als Pishtacos bezeichnet werden.

Heute glauben viele, dass es sich bei den Pishtacos um Organhändler handelt, die Menschen und v.a. Kinder töten, um ihnen die Organe zu entnehmen und gewinnbringend zu verkaufen.
Ende November griff der Mythos der Pishtacos – Organhändler in Huaycán um sich. In sozialen Medien und Zeitungen machten Berichte die Runde, dass in Huaycán Kinder entführt  oder Kinder mit ausgestochenen Augen aufgefunden worden seien.  Das Klima in Huaycán war angespannt. Warum glaubten die Leute, die Mär von den Pishtacos ? Ganz einfach. Weil sie die Erfahrung machen, dass sie ohne Recht sind, und dass man sie töten kann, ohne dass der Staat sie schützt.
Deshalb kommt es in Huaycán, wie an anderen Orten,  oft zu Lynchjustiz, weil die Leute befürchten, dass die Polizei Diebe und andere Verbrecher wieder laufen lässt.

Am 1. Dezember waren in Huycán zwei Personen unterwegs, um im Auftrag eines Marktforschungsinstitutes Umfragen zu machen. Jemand setzte das Gerücht im Umlauf, die beiden seien Organhändler. Eine Menschenmenge wollte die beiden daraufhin lynchen. Die Polizei griff ein und brachte die beiden auf die Polizeistation. Der Mob griff daraufhin den Polizeiposten an und verlangten die Herausgabe der angeblichen Pishtacos. Das Innenministerium schickte Verstärkung, es kam zu einem Schusswechsel. Getroffen wurde eine Anwohnerin, die das ganze von der Tür ihres Hauses beobachtet hatte.

Die Polizei verhaftete daraufhin 34 Passanten, die sie für Teil des Mobs hielten. Dabei kam es zu weiteren Ungerechtigkeiten.

Als Afroperuaner in Huyacán

Christian Grados war nicht nur aus Huaycán, er war schwarz, ein Afroperuaner. Als solcher wird man in Peru noch mehr diskriminiert als wenn man andiner Herkunft ist. Auch andine Menschen diskriminieren die Afroperuaner.
Christán Grados wurde dennoch sehr geschätzt in Huaycán. Er war Sportlehrer an zwei Privatschulen in Chaclacayo und unterrichtete Kinder und Jugendliche kostenlos in peruanischem Volkstanz und versuchte so, sie von der Strasse und den Drogen wegzubekommen.Er leitet den Kulturverein Illariy Huaycán, und ermutigt Jugendliche, an ihre Träume und ihren Weg zu glauben.

Am 1. Dezember war Christian Grados mit seiner Tochter auf der Strasse, er wollte sie sicher nach Hause bringen, als die Polizei ihn verhaftete.  Zusammen mit 33 weiteren vermeintlichen Tätern. Grados galt plötzlich in der Presse als der Rädelsführer. Die Polizei folterte die Beschuldigten, ein Richter verurteilte ihn und 33 weitere in zu 9 Monaten Untersuchungsgefängnis.

Zwei der Verhafteten sind sehr krank, einer hat Epilepsie, ein anderer einen Wasserkopf.

Aufgrund des Einsatzes von Menschenrechts-Anwälten kamen Christián Grados und drei weitere Untersuchungsgefangene am 31. Dezember frei. Aus Huaycán zu kommen, ist auch heute noch ein Stigma in Lima.

Ob das Pishtaco-Gerücht absichtlich und von wem in die Welt gesetzt wurde, weiss man bis heute nicht.

Wilfredo Ardito