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Klimaverhandlungen und Nationalparks: Mit AIDESEP und COICA auf der COP 23

Bei den UN-Klimaverhandlungen in Bonn im November 2017 gelang den indigenen Völkern ein grosser Durchbruch: alle Mitgliedsstaaten einigten sich darauf, bei der Planung ihrer Grossprojekte das traditionelle Wissen indigener Völker stärker einzubeziehen. Bei der Schaffung des jüngsten Nationalparks Yaguas in Peru Anfang Januar 2018 – u.a. mit deutscher Hilfe – fand dieser Einbezug indigener Stimmen leider nicht statt. Elke Falley-Rothkopf berichtet von der COP 23 und der dortigen Debatte um den Nationalpark Yaguas.

Die UN-Klimaverhandlungen (COP 23) fanden dieses Jahr unter der Präsidentschaft von Fidschi in Bonn statt, ein „Heimspiel“ also für das Team der Freiwilligen der deutschen Nichtregierungsorganisationen INFOE und Informationsstelle Peru, welche die internationalen indigenen Delegationen zur COP 23 ab dem Auftakt der „Guardians of the Forest / Guardianes del Bosque“-Tour kurz vor der COP am 17.10.2017 in Köln bis zum 17.11.2017, dem letzten Tag auf der COP in Bonn, begleitet hat.

Das Programm für die indigenen Vertreter und der sie begleitenden NGOs war proppenvoll: Pressekonferenz und Empfang im Kölner Rathaus, ein Soli-Konzert für die indigenen RepräsentantInnen zum Auftakt der Guardianes del Bosque-Tour, Vorbereitungsworkshop des Dachverbandes der indigenen Organisationen Amazoniens (COICA), die Durchführung des zweitägigen „Global Caucus“ auf Einladung der Kölner OB mit Empfang und Eintrag im Goldenen Buch der Stadt Köln, Delegations-Besuchen im Düsseldorfer Landtag, Pressekonferenzen von COICA, AIDESEP, FENAMAD, Verhandlungen zur “Indigenous Peoples Traditional Knowledge Platform” in der „Bula“-Zone sowie tägliche Side Events im Indigenous Peoples‘ Pavilion und den Konferenzräumen der Bonn-Zone – unser Team war immer dabei.

Das große „indigene“ Thema bei der COP 23 war die Einrichtung und Operationalisierung einer Plattform zu traditionellem Wissen indigener und lokaler Gemeinschaften. Dabei sollten sich die Mitgliedsstaaten dazu verpflichten, bei künftigen Grossprojekten das traditionelle Wissen der indigenen Völker miteinzubeziehen. Hier musste zunächst Einigkeit unter den indigenen Delegationen aus den verschiedenen Regionen der Welt bezüglich der Inhalte, der organisatorischen und funktionalen Ausgestaltung der Plattform erzielt werden. Wichtige Fragen wie, welches Wissen, wie zugänglich sein und wie andererseits Wissen vor mißbräuchlicher Verwendung geschützt wird, ob RepräsentantInnen für Gemeinschaften, Regionen oder Länder verhandeln werden, wie etwa Gelder aus UNFCCC-Fonds verwendet und verteilt werden usw., mussten durchdacht werden.

In Verhandlungen mit den RepräsentantInnen der Vertragsstaaten wiederum mussten diese dafür gewonnen werden, die indigenen Standpunkte zu teilen, denn sie waren diejenigen, die die Einrichtung und Operationalisierung der Plattform zu entscheiden hatten. Und obwohl die Plattform grundsätzlich bei der COP in Paris beschlossen worden war, gab es in den Dialogen zur Plattform auf der COP in Bonn Staaten, die wieder ganz von vorne anzufangen schienen und z.B. den Begriff „indigene Völker“ hinterfragten. Nach vielen Stunden der Verhandlungen in der Bula-Zone der COP einigten sich am 14.11. die indigenen Repräsentantinnen auf ein Konzept für die Plattform und am 15.11. erreichte uns die Meldung, dass dieses Konzept von den Vertragsstaaten unter der UN-Klimarahmenkonvention offiziell angenommen wurde! Der Konsens war ohne Zweifel ein großer, hart erarbeiteter Erfolg der Verhandlungen und wurde von den indigenen Delegierten aus den verschiedensten Regionen und der COP-Präsidentschaft aus Fidschi, die die Plattform zu einer ihrer „key priorities“ gemacht hatte, begrüßt. Dr. Samson Viulu vom Netzwerk der Indigenen Völker der Salomon-Inseln (NIPS) äußert in einem Interview, dass die Annahme der Plattform zeigt, dass Vertragsparteien nun anerkannt haben, wie wichtig es ist, Indigene Völker in Entscheidungsprozesse auf internationaler Ebene mit einzubeziehen und dass sie dies nun hoffentlich in ihrer nationalen Gesetzgebung berücksichtigen werden (vgl. http://earthjournalism.net/stories/si-helps-push-for-indigenous-peoples2019-platform-milestone-achievement-in-cop23). Die Bedeutung traditionellen indigenen Wissens für den Waldklimaschutz wird an der folgenden Feststellung des Bonn Sustainability Portals deutlich: „indigenous peoples care for around 80% of the world’s remaining biodiversity“.

Die auf der COP 23 zahlenmäßig und organisativ sehr gut vertretenen indigenen Organisationen COICA (für die 9 Amazonas-Anrainerstaaten) und AIDESEP aus Peru sowie ihre Mitgliedsverbände haben sich sehr stark in die Debatte um die Plattform mit eingebracht und außerdem an einer Vielzahl von Side Events und Pressekonferenzen teilgenommen, bzw. diese selbst ausgerichtet. AIDESEP und COICA hatten in der ersten Verhandlungswoche jeweils einen eigenen, gut sichtbaren und besuchten Stand in der Bonn-Zone und konnten am 11.11.2017 sogar zur „Maloka“ (traditionelles Versammlungshaus der indigenen Gemeinschaften im Regenwald)) im UNESCO-Pavillon einladen.

Bei dieser Veranstaltung wurde die Bedeutung der indigenen Territorien und des traditionellen Wissens für den Waldklimaschutz noch einmal konzentriert an ein größeres Publikum herangetragen. Zu den BesucherInnen zählten auch peruanische Regionalgouverneure und der Kölner Bürgermeister Andreas Wolter, die die Wichtigkeit der Einbeziehung der indigenen Akteure unterstrichen.

Zündstoff Nationalpark Yaguas

Ein peruanisches Thema, bei dem genau die Frage nach der Art und Weise der Einbeziehung der indigenen Bevölkerung in die Konzeption von Natur- und Klimaschutzprojekten bereits für einigen Zündstoff gesorgt hat, ist die Einrichtung eines Nationalparks in der bisherigen Zona Reservada Yaguas in Loreto im Grenzgebiet zu Kolumbien.

Die indigenen Verbände ORPIO, AIDESEP und COICA argumentieren in der Debatte um die Art des einzurichtenden Schutzgebietes für eine kombinierte Lösung: eine Reserva Comunal mit gemeinsamer Verwaltung durch die ansässigen indigenen Gemeinschaften und den peruanischen Staat mit einem Nationalpark-Kern mit Nutzungs- und Zugangsbeschränkungen. ORPIO, AIDESEP und COICA haben dieses Konzept auf der COP in einer offiziellen Pressekonferenz in der Bula-Zone am 10.11.2017 erläutert und begründet (s. https://unfccc.cloud.streamworld.de/ondemand für den 10. November 16.30 Uhr) und verweisen auf ein sehr erfolgreiches Beispiel der gemeinschaftlichen Verwaltung durch den Staat und indigene Gemeinden: die Reserva Comunal Amakaeri in Madre de Dios ist ein auf den vorausgegangenen COPs – nicht zuletzt im offiziellen peruanischen Pavillon auf der COP 21 in Paris – bereits sehr gelobtes Projekt, das auch die indigenen Rechte und traditionelles Wissen respektiert. Auch auf der COP in Bonn gab es zu Amakaeri eine Pressekonferenz (s. ebd. 16.00 Uhr).

Im Fall von Yaguas ist jetzt jedoch, trotz der Proteste und Alternativvorschläge von vier von dem Projekt betroffenen indigenen Gemeinschaften und den zuvor genannten indigenen Verbänden sowie Ungereimtheiten und Konflikten bei der Consulta Previa (die allerdings erst NACH den ersten Protesten gegen den geplanten Nationalpark im Dezember 2016 eingerichtet wurde ), am 10. Januar 2018 der Nationalpark per Dekret in Peru beschlossen worden. In einem scharf formulierten Schreiben fordern die indigenen Verbände die Berücksichtigung ihres Vorschlags einer kombinierten Lösung (vgl. http://aidesep.org.pe/carta-abierta-al-gobierno-por-imposicion-en-la-creacion-del-parque-nacional-yaguas/).

Während die Umstände der Verabschiedung des Dekrets im Schatten der Regierungskrise mit den Unterschriften von Ministern, die bereits zurückgetreten sein sollen, zumindest irritierend wirken, feiern einige Naturschutzverbände den Nationalpark als uneingeschränkte Errungenschaft – so wie auch die Broschüre von MINAM und SERNANP, die zum Ende der zweiten Woche der COP (als die peruanische Regierungsdelegation mit Nationalpark-Befürwortern, darunter auch indigenen RepräsentantInnen, angereist war) u.a. im Indigenous Pavilion verteilt wurde. Sie spricht den sozialen Konflikt, der zwischen Nationalpark-Befürwortern und -“Gegnern“ entstanden ist, nicht an und argumentiert lediglich, der Schutz Yaguas‘ sei wichtig wegen des dortigen natürlichen Reichtums, im Kampf gegen die Entwaldung, zum Erhalt einer „ wertvollen Quelle für wissenschaftliche Untersuchungen“ und für den Zugang zu Nahrungsmitteln. Paradoxerweise sind dies alles Gründe, die auch für – und nicht gegen – die Einrichtung einer kombinierten Lösung bestehend aus Nationalpark-Kern und gemeinsam verwalteter Zone, wie auch für jede andere vom peruanischen Gesetz vorgesehene Schutzgebietvariante sprechen. Viel Geld ist im Spiel für den peruanischen Staat, der mit diesem weiteren Nationalpark an einen Korridor von Nationalparks dies und jenseits der Grenze anschließt und dafür Fördergelder aus dem internationalen Waldklimaschutz erhalten soll. Aber würden diese Gelder tatsächlich verwehrt oder gekürzt, wenn der Nationalpark kombiniert wäre mit einer Zone gemeinschaftlicher Verwaltung??

Anders als im Fall der Plattform zum Traditionellen Indigenen Wissen ist es im Fall Yaguas (noch?) nicht zu einem Konsens gekommen, der von allen betroffenen Parteien als eine gute Basis empfunden wird. Am 10. Januar 2018, also am selben Tag, wo das Dekret zum Nationalpark erlassen wird, wird auf dem Bonn Sustainability Portal.de die Generalsekretärin des UNFCCC, Patricia Espinoza, zitiert: „Indigenous people must be part of the solution to climate change. This is because you have the traditional knowledge of your ancestors. The important value of that knowledge simply cannot—and must not—be understated. You are also essential in finding solutions today and in the future.“

Das Ignorieren der Forderungen der vier indigenen Gemeinschaften im Fall Yaguas und dreier großer indigener Verbände (ORPIO, AIDESEP und COICA) geht noch nicht in diese Richtung, basiert noch nicht auf diesem Respekt… Wie wohl auch das Konzept der freien, vorherigen und informierten Konsultation und Zustimmung in Richtung Konsens weitergedacht werden muss.


Elke Falley-Rothkopf

Elke Falley-Rothkopf ist Ethnologin und Vorstandsmitglied bei INFOE – Institut für Ökologie und Aktions-Ethonologie und der Informationsstelle Peru e.V.


Literatur:

http://www.iipfcc.org/

https://cop23.com.fj/local-communities-indigenous-peoples-platform-finalised-cop23/

http://earthjournalism.net/stories/si-helps-push-for-indigenous-peoples2019-platform-milestone-achievement-in-cop23

https://bonnsustainabilityportal.de/de/2018/01/un-bonn-countries-give-voice-to-indigenous-peoples-through-new-platform/