Wassermangel wird zu einer immer größeren Herausforderung – auch in Deutschland sinkt der Grundwasserspiegel kontinuierlich. Da stellt sich die Frage, ob es noch vertretbar ist, das wertvolle Gut ins WC hinunterzuspülen. Vielerorts kommen bereits alternative Lösungen wie Trockentrenntoiletten zum Einsatz, zum Beispiel in der Gemeinde Cristo Ramos in Porcón im peruanischen Cajamarca.
„Du, ich und alle acht Milliarden Menschen auf der Welt tun es, jeden Tag. Wir alle müssen auf die Toilette. Aber wir wollen auch, dass das Sanitärsystem unsere Ausscheidungen so schnell und so weit weg wie möglich verschwinden lässt. Wir spülen sie einfach weg. Mit Trinkwasser. Unsere Ausscheidungen können die Umwelt verschmutzen, uns krank machen oder sogar töten. Aber wo landen Kot und Urin eigentlich am Ende? Und müssten wir sie nicht sinnvoll nutzen? Ich weiß, Scheiße ist ein Tabu, und sie ekelt uns so, dass wir am liebsten gar nicht drüber reden. Aber … “ So beginnt der Film „Holy Shit“ von Rubén Abruña, der im November 2023 in Kinos und im deutschen Fernsehkanal WDR gezeigt wurde. Ein Aufrüttler?
Ziel 6 der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) lautet: Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen. Doch was löst diese Bezeichnung im Globalen Norden aus? Wir verbinden damit Trinkwasser aus der Wasserleitung und saubere Toiletten. Die wenigsten hinterfragen dies und verbinden es einfach mit WCs – Toiletten mit Wasserspülung, die die Ausscheidungen wegspülen. Wie und wohin, ist eigentlich egal. Genauso wie das, was danach passiert.
In Deutschland ist das ja noch halbwegs geregelt. Die Abwässer fließen durch Kanäle in Kläranlagen, werden dort wieder aufbereitet und in Gewässer geleitet. Die Aufbereitung ist aber immens aufwendig, und es können auch nicht alle Schadstoffe herausgeholt werden. Ein solch aufwendiges Wasseraufbereitungssystem ist aber nicht überall vorhanden. Oft werden Abwässer ungeklärt in Flüsse, Seen oder Meere geleitet oder versickern irgendwo.
Ganz fatal ist das in Gegenden mit Wassermangel. Da ist es besonders tragisch, wenn Wasser, das eigentlich knapp ist, durch ein WC geleitet wird und anschließend nicht mehr verwendet werden kann, weil es verschmutzt ist. Wieso also nicht das Problem an der Wurzel packen und gar nicht erst entstehen lassen?
Dafür gibt es die Komposttoiletten. Seit den 1960er Jahren auf Berghütten „berühmt-berüchtigt“, wurden dort auf die Ausscheidungen Erde, Holzspäne usw. geschüttet. Je nach Zusammensetzung war das Ganze mit einem mehr oder weniger intensiven Geruch verbunden, der entsteht, wenn Festes und Flüssiges zusammengemischt werden. Es entsteht Staunässe.
Um dieser Geruchsbelästigung entgegenzuwirken, wurde die Komposttoilette zur Trockentrenntoilette weiterentwickelt, mit dem Ziel, Flüssiges von Festem zu trennen. Das gelang mit Urintrenneinsätzen.
Eine saubere Lösung mit vielen Vorteilen
Die Kirchengemeinde St. Gallus Tettnang (Bodenseekreis) unterhält seit 1993 eine Partnerschaft mit der Gemeinde Cristo Ramos in Porcón (Cajamarca) in Peru. In dieser Gegend im Hochland von Peru herrscht schon lange Wassermangel, der allerdings in den letzten 30 Jahren durch den gigantischen Wasserverbrauch der Goldmine Yanacocha verschärft wurde, die sich oberhalb der Gemeinde befindet.
In Porcón und allgemein in oft abgeschiedenen ländlichen Gegenden in Peru gibt es seit der Cholerakrise in den 1990er Jahren Latrinen, nachdem man vorher seine Notdurft einfach auf dem Feld verrichtet hatte. Diese Latrinen waren nicht nur geruchsintensiv – da sie unten nicht verschlossen waren, sickerten die Ausscheidungen auch ins Grundwasser und verschmutzten dieses.
So bekam die Schule von Porcón Wasserklosetts, deren Abwasser provisorisch über ein „Rieselfeld“ in den nahen Bach geleitet wird. Das Wasser stammt aus Regenwasserspeichern oder der Wasserleitung, wenn die Speicher leer sind – was in der Trockenzeit oft der Fall ist. Gemeinsam überlegten die Partner*innen nun, wie diese Situation verbessert werden könnte.
Wegen der Wasserknappheit war es klar, dass Trinkwasser einfach zu schade ist, um es durch eine Toilette zu leiten. So kam der Gedanke auf, eine funktionierende Toilette ohne Wasser zu bauen, die aber auch keine Latrine mehr war. Eine Idee war die Verwendung von Baños Ecológicos Secos (BES), Trockentrenntoiletten mit einem Zwei-Kammer-System. Damit konnten mehrere Probleme gelöst werden: Kein Wasserverbrauch, keine Verunreinigung des Grundwassers, keine Geruchsbelästigung, und als weiteren großen Vorteil die Gewinnung von Dünger in fester und flüssiger Form.
Wie funktioniert das Ganze?
Die Ausscheidungen werden in der Schüssel getrennt. Flüssiges wird in einen Kanister geleitet, Festes fällt direkt in eine der beiden Kammern unter dem Boden, die nacheinander gefüllt werden. Dies dauert je nach Größe zwischen einem halben und einem ganzen Jahr. Die gefüllte Kammer wird verschlossen, und der Inhalt verwandelt sich innerhalb eines Jahres in wertvollen Kompost, der direkt auf den Feldern ausgebracht werden kann. In der Zwischenzeit wird die andere Kammer gefüllt. Der Urin kann nach einer ca. zweiwöchigen Ruhephase mit Wasser verdünnt als Flüssigdünger verwendet werden.
2019 wurde die Idee umgesetzt und es wurden Prototypen gebaut. Die Schule bekam drei Trockentrenntoiletten, eine für die Schüler*innen und zwei für die Lehrer*innen. Auch die Kirchengemeinde und zwei Familien wurden damit ausgerüstet. Leider kam Corona dazwischen, so dass sich die Versuchsphase hinzog. Es war aber bald klar, dass diese Trockentrenntoiletten funktionierten und auch von den Menschen akzeptiert wurden.
Welches Potenzial hat die Trockentrenntoilette und wo kann sie eingesetzt werden?
Überall dort, wo es kein Abwassersystem gibt – auf dem Land, in informellen Siedlungen und überall, wo es keine Abwasserreinigung (Kläranlagen) gibt oder wo Wasserknappheit bzw. -armut herrscht und Trinkwasser zu schade ist, um es ins WC zu spülen. Das gilt sowohl im Globalen Süden als auch im Globalen Norden.
Bei uns ist es sicher schwieriger, weil die Infrastruktur auf WCs ausgelegt ist. Es besteht aber die Möglichkeit, Trockentrenntoiletten auf Parkplätzen einzusetzen. Da würden aufwendige Wasserzu- und -ableitungen entfallen. Das Gleiche gilt für Waldkindergärten, Gartenanlagen allgemein usw.
Auf Festivals, in Campern usw. werden schon Trockentoiletten mit Eimern unter dem Toilettensitz eingesetzt. Allerdings mit dem Nachteil, dass „frische Exkremente“ aus den Eimern entsorgt werden müssen. Das kann mit eigenen Kompostanlagen geschehen. Aktuell werden diese Ausscheidungen aber über die vorhandene Abwasserleitung entsorgt.
Neubaugebiete könnten mit Vakuum-Toilettensystemen ausgerüstet werden. Damit verlässt man aber den „Low tech-Bereich“, da diese Methoden sehr aufwendig, aber schon verfügbar sind. Der „Hamburg Water Cycle“ ist so ein Ansatz, der mit Hilfe des Vakuums die Exkremente zu einer Biogasanlage befördert, die daraus Biogas macht und so ein Blockheizkraftwerk antreibt.
Ein Nachteil der hier vorgestellten Bauweise der Trockentrenntoilette ist, dass sie nicht oder nur schwer barrierefrei dargestellt werden kann, da die Kammern in der Regel nicht eingegraben werden.
Zur Erinnerung: Der tägliche Wasserverbrauch liegt in Deutschland pro Person bei etwa 128 Litern. 27 Prozent davon (rund 35 Liter) entfallen auf die Toilettenspülung. Rund drei Millionen Kubikmeter Wasser, die jeden Tag aufwendig gereinigt werden müssen.
Die Grundwasserspiegel sinken in Deutschland seit rund 20 Jahren leicht. Aufgrund des Klimawandels besteht das Risiko, dass die Grundwasserspiegel weiter sinken. Starke Regenfälle führen dazu, dass das Wasser nicht versickert, sondern als Oberflächenwasser abläuft. In Baden-Württemberg werden 70 bis 75 Prozent des Trinkwassers aus Grundwasser gewonnen.
Wir müssen also in Zukunft mehr Sorgfalt auf die Wasserverwendung legen, und Wasserverschwendung sollte auf jeden Fall vermieden werden. Da lohnt es sich schon, nach Alternativen zu suchen …
Ungekürzte Erstveröffentlichung in: Misereor/ Stiftung ZASS/ KEB Deutschland (Hg.), ÜberLebensChancen – für ein besseres Morgen, Aachen 2024, 76-79; hier zu bestellen
Der Autor Kajo Aicher, Mitglied der Infostelle Peru, ist am 2. Dezember, noch vor Veröffentlichung, plötzlich und unerwartet verstorben. Unseren Nachruf können Sie hier lesen.