© Lynda Wolff und Luisa Donner

KLima-Reporteros: „Stimmen für das Klima“ – Und die, die draussen bleiben?

Voces por el Clima“ war eine parallel zur COP 20 stattfindende Klima-Messe des Umweltministeriums, zugänglich für alle. Geschaffen um zu informieren, Stimmen zu geben und Gehör zu verschaffen. Wie frei ist ein solcher Zugang in Peru tatsächlich?  Zwei KLima-Reporteras über ökologischen Lebensstil und Klassengesellschaft in Lima

Umweltbildung im Luxusstadtteil….

Du verlässt den Kleinbus, in dem peruanische Musik aus den Lautsprechern schallt. Einer der wenigen Orte Perus, an denen sich Menschen aller Schichten gegenüberstehen, sich in die Augen sehen. Du gehst um die Ecke, eine große Mauer entlang und betrittst schließlich den „Jockey Club“, einen Golfclub der Sorte, wie sie in jedwedem Land existieren. Zwischen Swimming-Pools und dem zarten Duft von Parfum erreichst du die „Stimmen für das Klima“. Aus der Ferne hörst du noch die Tennisbälle über die Netze springen, während zu deiner Rechten die Damen mit ihren Absätzen über den Kunstrasen des Geländes laufen.

….und das andere Gesicht Limas

Heute ist wieder Dienstag, und der Wassertanklaster kriecht den Wüstenhang zu Juanitas Holzhütte hoch. Sie lebt mir ihrer sechsköpfigen Familie am Rande von Lima auf vier Quadratmetern. Sie lächelt bei den Worten: “das Wasser aus dem Tank reicht für höchstens eine Woche”. Juanita bezahlt für dreckiges Wasser mehr als das Dreifache wie viele Limenos im Zentrum. Von der Klimakonferenz in ihrer Stadt und der Möglichkeit, an den Sideevents teilzunehmen, hört sie zum ersten Mal. Für sie ist der Klimawandel eine Welt, zu der sie keinen Zugang hat.

“Stimmen für das Klima”

Das Veranstaltungsgelände von „Voces por el clima“ gliedert sich in drei große Bereiche mit unterschiedlichen thematischen Informationen medial aufgearbeitet. Eine große und modern gestaltete Ausstellungshalle bietet Berge an Wissen an und lädt zu dessen Konsum ein. Von Videoprojektionen über interaktiven Energiebetrieb auf Fahrrädern, bis hin zur Produktion von Speiseeis aus Gletschern, wird der Besucher verführt, sich über den Wald, den Ozean, die Berge, nachhaltige Städte und Energien zu informieren. In der Nebenhalle haben verschiedene NGO’s, sowie Firmen ihre Stände aufgestellt, um über einige ihrer ökologischen Projekte zu informieren. Den dritten großen Bereich bildet ein Pavillon, der für indigene Völker aus aller Welt eingerichtet wurde. Es finden täglich verschiedene Diskussionen zu Waldsterben, alternativen Energien und Menschenrechten statt. Außerdem findet man unterschiedlichste künstlerische Auseinandersetzungen zum Klimawandel.

Surreal – Eine Ausstellung wie aus einer anderen Welt

Hazel, 15, ist mit seinen Schulkameraden aus dem Mittelständigen Viertel Chorrillos gekommen, um sich über den Klimawandel zu informieren. “Voces por el clima” ist eine notwendige Gelegenheit, um das Bewusstsein über die Umwelt zu stärken!” sagt er schüchtern und sein Freund ergänzt: “Aber es ist auch auffällig, dass sich hier nur ein bestimmter Teil der Gesellschaft befindet.”

Die in gute Robe gekleideten Besucher, schießen mit ihren Smartphones Fotos von den Informationen zum Lesen. Sie laufen auf Plastikrasen. Jeder Interessierte hat die Möglichkeit, sich von einem studierten Jugendlichen über den Klimawandel aufklären zu lassen. Wenn die freiwilligen Helfer nicht nach einer Beschäftigung auf der Ausstellung suchen, verteilen sie Werbegeschenke: Papierblöcke, Aluminiumbottons und Programmhefte, eingepackt in Stofftaschen. In Plastik eingetütete Esswaren werden von vielen mit dem Plätschern des Wasserspiels im Hintergrund auf dem gepflegten Rasen verzerrt. Im Blick die Pferderennbann des Veranstaltungsortes und die Hochhäuser des hiesigen Reichenviertels. Der Besucher könnte seinen besagten Plastikmüll trennen. Doch die von Plastikstühlen umrundeten Entsorgungsattrappen werden ignoriert.

Die Ausstellung wirkt auf jemanden, der das andere Gesicht von Lima kennt, ironisch. “Voces por el Clima” entspricht europäischen Maßstäben und das in einer Stadt, in der ein Großteil der Bevölkerung an der Armutsgrenze lebt. Informationen, die sich um den Klimawandel weltweit und Peru drehen, werden sehr modern und ansprechend an den Mann und die Frau gebracht. Doch wo ist die Provokation? Wo ist der Aufruf, im Alltag aktiv gegen den Klimawandel zu agieren? Es gibt ihn nicht.

Lebensstil und Klimabewusstsein

Die Kluft zwischen theoretischen Diskursen und praktischen Handlungen ist bei der COP20 in Lima besonders auffällig. Doch ein ökologischer  Lifestyle  für die Mittelschicht, der nicht weh tut,  ist in Europa und Nordamerika Mode geworden und  in die Mittelschichten der Schwellenländer exportiert worden.  So auch nach Peru. Während in geschlossenen Räumen wichtige Themen besprochen werden, die Experten mit für die Allgemeinbevölkerung unverständlichen Begriffen um sich werfen, geht es auf der Straße, in den Schulen und auch auf vielen Nebenevents der COP darum, oberflächlich Eindrücke zu schaffen und Werbung für firmeneigene Projekte zu machen. Wie kann eine voller Widersprüche steckende Veranstaltung zum Klimawandel  etwas bewirken ? Sollen die Leute etwa das Klima retten, indem sie Jute-Beutel gebrauchen und sich Armbändchen umbinden ? Welchem Vorbild sollen die Besucher folgen, wenn die grossen multinationalen Firmen  ihren eigenen Stand und Werbefläche auf einer Klima-Messe erhalten? Uns wird ein Bild verkauft, welches nicht nach Innen vordringt. Wir saugen es in uns auf, durch Werbeplakate, Fernsehsendungen und alltägliche Konversationen. In Peru, in Deutschland und jeglichem Ort, an dem sich Menschen versammeln.

Ein Teil der peruanischen Gesellschaft bleibt vor der Tür

In der Tat hat Lima seinen Bewohnern ein Angebot geschaffen, welches parallel zur ofiziellen Konferenz, eine gute Möglichkeit bildet, eine breitere Masse auf umweltpolitische Themen aufmerksam zu machen. Aber es ist nicht zu leugnen, dass ein Teil der Gesellschaft fehlt. Die, die mit den Auswirkungen des Klimawandels schon leben: die Menschen, die manchmal kein Wasser haben, weil es nicht mehr genug gibt oder weil die Preise so in die Höhe gestiegen sind, dass es nicht mehr bezahlt werden kann. Sie leben in den Randvierteln Limas und sind aus den Anden oder dem Regenwald gekommen, um sich ein besseres Leben aufzubauen. Viele können sich nicht mal die Fahrt für 50 Cent zum Gelände “Voces por el Clima” leisten. Sie stecken in einem täglichen Überlebenskampf, wer kann es ihnen da übel nehmen, sich nicht für Klimaschutz und die COP20 zu interessieren?


Text und Foto: Lynda Wolff und Luisa Donner