KLima-Reporteros: Plastikmüll zu Blumenbeeten

Plastikmüll kann zu vielem gut sein: eine Schulklasse in Villa El Salvador macht daraus ein Lehrstück in Sachen “sparsamer Umgang mit Wasser”.

Eine Reportage von Anna RutzAn den Wänden hängen bunt bemalte Plastikflaschen, aus denen Blumen sprießen, die sich voller Energie der Sonne zuwenden. In der Erde wachsen unterschiedliche Gemüsepflanzen, die mit ihrer Üppigkeit und ihrem gesunden Aussehen die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich ziehen.  Mittendrin in dem bunten Gewirr wendet sich die Schülerin Marina Aguina Sheila in ihrer Schuluniform mit der Aufschrift ” Schule Nr. 7228 “Peruano – Canadiense” aus Villa el Salvador, den  frisch gepflanzten Radieschen zu.

Mit viel Stolz stellt sie das erfolgreiche Projekt ihrer Schule vor : der Gemüsegarten aus recyceltem Plastik, in dem durch verschiedene Bewässerungsmethoden Wasser gespart wird. “Dies ist der Gemüsegarten der Oberschule. Um Wasser zu sparen, haben wir verschiedene Bewässerungsmethoden verwendet: die Tropfen-, Absorption- und Kondensationsmethoden. Wir haben Parzellen angelegt, und dort verschiedene Samen eingepflanzt. Im Moment haben wir Radieschen und rote Beete”, erklärt Marina und zeigt auf die unterschiedlichen Pflanzen.

Eine Siedlung in der Wüste

Einen solchen Garten in einer Schule in Villa El Salvador vorzufinden, ist alles andere als üblich. Der südlich gelegene Bezirk der peruanischen Hauptstadt entstand vor 43 Jahren aus dem verlassenen Wüstengebiet namens “Hoyada Baja de Tablada de Lurin” durch die Besetzung verschiedener „Siedler“ der Gegend. Mit Stroh- und Holzwänden und ohne  Trinkwasser lebten die ersten Bewohner in dieser harten und sandigen Umgebung. Der heutige Bezirk “Villa El Salvador” entstand durch jahrelange Zusammenarbeit und Solidarität der ansässigen Gemeinschaft. Schritt für Schritt wurden aus den einfachen Hütten richtige Häuser, später wurde der Distrikt an die städtische Wasserversorgung angeschlossen
Nichtsdestotrotz gibt es noch Ecken in Villa El Salvador, die nicht über durchgehend fließendes Wasser verfügen. Meistens handelt es sich dabei um höher liegende Gegenden.
Silvia Cardó Urrunaga, Leiterin der Plattform der Benutzer der SUNASS , der landesweiten Aufsichtsbehörde der Wasserversorgungsunternehmen Perus, sieht das Hauptproblem darin, dass es immer noch zu wilden Siedlungen, sogenannten “Invasionen” kommt, da es in den Wohngebieten keinen Platz mehr gibt. Dennoch gibt es selbst in den städtischen Gebieten nicht durchgehend Wasser.  Schuld daran hat auch ein veraltetes Rohrsystem.
Wasserbildung an den Schulen

Der stetige Wassermangel in Lima wird an den Schulen als Thema aufgegriffen. Die SUNASS schreibt seit 2013 einen Schulwettbewerb aus, der den richtigen Umgang mit dem Wasser fördern soll. Besonders Schulen wie die “Nr.7228 Peruano – Canadiense“ sind ein gutes Beispiel für umweltbewusstes Handeln. Sie gehören zu den Gewinnern des Wettbewerbs.

Denn sie machten aus einer Not eine Tugend. Da ein Überschuss an Plastikmüll vorhanden war, kam der Lehrerin Rosario Huamaní, gemeinsam mit anderen Kollegen, die Idee den Müll durch Recycling zu verringern und gleichzeitig zur Reduzierung des Wasserverbrauchs beizutragen. „Wir haben es als sinnvoll empfunden etwas anderes zu machen: ein System aus recycelten Flaschen zu benutzen, das uns gleichzeitig ermöglicht Wasser zu sparen“, verdeutlicht Rosario Huamaní das Entstehen des Projekts.
Das Hauptproblem bei der Durchführung ihrer Idee war dabei die Finanzierung, da die staatliche Schule nicht über genügend Ressourcen verfügt, um ein solches Projekt auf die Beine zu stellen. Das benötigte Geld wurde teils durch den Verkauf von festen Abfällen, wie z.B. leeren Flaschen finanziert. Der fehlende Teil wurde von der Schule gedeckt.
Um die Schüler noch mehr zum Recycling zu ermuntern, wurden die Klassen aufgefordert, so viel Müll wie möglich zu sammeln. Als Motivation für die Schüler wurde sogar ein Preisgeld von 100 Soles (ungefähr 36 Euro) festgelegt. Der gesammelte Müll sollte zum Schluss dann verkauft werden, um damit das Projekt der Gemüsegärten zu unterstützen.

Gemüse aus Plastikbeeten
Da die Gemüsegärten in den hinteren Teil der Schule gebaut wurden, musste das Wasser erstmal in die Zone verlegt werden, da dort vorher noch kein fließendes Wasser vorhanden war. All dies zusammen machte die Umsetzung des ambitionierten Plans nicht einfach. Nichtsdestotrotz befindet sich nun ein bunter, ökologischer Gemüsegarten an der Stelle, die früher voller Müll und Dreck war.

Am beliebtesten ist bei den Schülern die Tröpfchenmethode. Marina Aguina Sheila zeigt wie es funktioniert: In einem kleinen Eimer wird Wasser gefüllt. Dieser Eimer wird in einer aufrechten Position gehalten, so dass das Wasser tröpfchenweise durch einen kleinen Schlauch runterläuft und die unterliegenden Pflanzen bewässert. Am Ende des Schlauches wird dann noch ein weiterer Behälter platziert, der das überschüssige Wasser aufsammelt, so dass es wiederbenutzt werden kann. Auf diese Weise eintsteht ein ganzer Wasserzyklus, in dem so wenig Wasser wie möglich verschwendet wird.
Dieses raffinierte System und viele weitere haben die Schüler im Unterricht gelernt. Nun bauen  sie es mit wiederverwendeten Material nachbauen. Marina Aguina Sheila ist mit ihren Mitschülern  ihrer Jahrgangsstufe abwechselnd mit der Pflege für einen Teil des Gartens beschäfftigt.
Was sie außerdem für den Umweltschutz unternimmt? Das weiß Marina ganz genau: Im Unterricht hat sie gelernt, was sie im Kleinen tun kann, um weniger zu verschmutzen. Zum Beispiel  keinen Müll aus den Fenstern der Busse zu werfen, wie es in Peru noch gang und gäbe ist.
Mit viel Enthusiasmus erzählt Marina, wie das Umweltbewusstsein auch ihre Familie prägt: „Meine Cousine besitzt eine Waschmaschine. Wir als Familie sammeln alle unsere Kleidung und waschen sie dann gemeinsam in ihrer Maschine, anstatt jeder einzelnd. Außerdem duschen wir uns jeder nur fünf Minuten lang, damit nicht zu viel Wasser verschwendet wird“.

Der Erfolg des Recyclingprojekts ist nicht nur der gewonnen Preis. Die eigentliche Leistung besteht in der Sensibilisierung der Schüler aller Altersstufen für die Umweltprobleme direkt vor ihrer Haustür. „Wir sind sehr stolz auf diese Schule, da sie die wirkliche Aussage des Wettbewerbs verstanden haben. Sie haben hart gearbeitet und ihre Verantwortung zu 100% übernommen. Sie haben ihre Arbeit geleistet, ihre Schule beurteilt, ihre Rechnungen gesenkt und haben es gleichzeitig hinbekommen, diese Arbeit bei ihren Freunden und Familien zu replizieren. Für uns ist dies ein großes Symbol“, beteuert Silvia Cardó energisch.

Während zur gleichen Zeit in Lima die Staatschefs von 195 Nationen zwölf Tage lang im Gebäue des Verteidigungsministeriums über den Klimawandel diskutieren, werden Marina Aguina Sheila und ihre Mitschüler in ihrem recyceltem Gemüsegarten effektiv Wasser sparen. Ein Projekt, das, ebenso wie die Staatschefs, die Aufmerksamkeit der ganzen Welt verdient.

KLima-Reporterin Anna Rutz ist weltwärts-Freiwillige des Welthauses Bielefeld