KLima-Reporteros: Pisco-Wasser und ökologische Zeitbombe

„Wir befinden uns im puren Paradies.“ So beschreibt Daniel Morales aus Lunahuaná, einer von vielen Pisco- und Weinbauern, das Cañete-Tal, in dem er pro Jahr 50 Tonnen Pisco und Wein produziert. „Es gibt alles, was man braucht, vor allem viel Wasser.“

Das Cañete-Tal liegt an der Zentralküste Perus. Sein 235,67 m langer Fluss beginnt in der Lagune Ticclacocha und mündet schließlich in den Pazifik. Aufgrund seiner hohen Wasserführung ist der Fluss Cañete eine sehr wichtige Wasserquelle: von ihr hängen die Landwirtschaft, der Toursimus (Rafting in Lunahuaná), die Energiegewinnung und die Deckung des Wasserbedarfs der 29 Gemeinschaften, die entlang des Flusses leben, ab. Die landwirtschaftlichen Produkte, wie Kartoffeln, Mais, Wein und Pisco werden in das 150 km weit entfernte Lima gebracht, wo sie verkauft werden. Mit einem jährlichen Beitrag von 200 Tausend Tonnen an Landwirtschaftsprodukten für die Metropole, ist der Cañete in vielerlei Hinsicht sehr wichtig für eine große Anzahl von Menschen.

Eine ökologische Zeitbombe

Aber laut Studien des peruanischen Gesundheitsministeriums aus dem Jahre 2009, liegt zum Beispiel der Bleigehalt weit über dem erlaubten Limit. „Cañete ist eine Zeitbombe“, versichert Antonio Ramiro Sánchez Nolazco, Vorstandsvorsitzender von Canal Nuevo Imperial, einer von mehreren Staudämmen des Flusses. Der hohe Bleigehalt ist zum Teil auf die Arbeit in den Minen, die sich im oberen Bereich des Flusses befinden, zurückzuführen. Jedoch stammt die Verschmutzung des Flusses zusätzlich noch aus anderen Quellen, wie die häufig benutzten Insektizide in der Landwirtschaft und das Abwasser der Ortschaften, die es ohne Filterung in den Cañete leiten.

Was würde geschehen, wenn das Wasser des Cañete noch schmutziger werden und weiter an Qualität verlieren würde? Das ganze Ökosystem würde zusammenbrechen, so dass auch die gesamten von ihm abhängenden Wirtschaftssektoren in Mitleidenschaft gezogen werden würden. Um weitere Verschmutzung und ein mögliches Kippen des Ökosystems zu verhindern, hat das peruanische Umweltministerium in Zusammenarbeit mit dem nationalen Landwirtschaftszentrum (CIAT), CGIAR (Challenge Programme on Water and Food), CARE-Perú und Conservación Internacional im Jahr 2010 begonnen, ein Projekt für die Verbesserung  der Wasserqualität zu entwickeln.

Bezahlung für Wasserschutz

Es handelt sich dabei um eine Art Vergütung für den Erhalt von ökosystemischen Dienstleistungen. Die Landwirte, in diesem Fall die Nutzer der Wasseressource und die Bewohner des unteren Teiles des Flussbettes, sollen mit einer Summe von 1,50 Soles (ca. 35 Cent), dazu beitragen, dass im oberen Teil des Flusses, also an der Quelle, in Entwicklungsprojekte und Schulungen investiert wird. Die Leute, die dort leben, sollen auf diese Weise lernen, das Wasser sauber zu halten und so seine Qualität zu bewahren. 6 Millionen Landwirtsfamilien des unteren Flussteils und 10 Millionen Familien des oberen Flussteils würden, wenn das Projekt erst mal gestartet wird, davon profitieren.

„Das was an der Quelle des Flusses passiert, hat Einflüsse darauf, was weiter unten geschieht. Deshalb ist es wichtig, die nachhaltige Wirkung und die Vorteile dieses Projektes zu vermitteln.“, sagt Dr. Nathaniel Matthews, globaler Forschungskoordinator (Global Research Coordinator) des CGIAR.

Ähnliche Projekte wie im Cañete-Tal, das voraussichtlich 2015 gestartet werden soll, gibt es zum Beispiel schon in Moyobamba. Zwar werden andere an den dortigen Fluss und Ort angepasste Methoden angewendet, die Finanzierung jedoch kommt von den gleichen Organisatoren. „In Moyobamba konnte eine Gegend von 350 ha zurückgewonnen werden, die durch die Abholzung der Bäume vernachlässigt worden war. So wurde mit der eigenen Bevölkerung gearbeitet, um die Flussgebiete zu rehabilitieren, sodass man von dort aus wieder Wasser gewinnen kann“, erklärt Silvia Cardó Urrunaga, Leiterin der Plattform der Benutzer der SUNASS (Superintendencia Nacional de Servicios de Saneamiento), die landesweite Aufsichtsbehörde der Wasserversorgungsunternehmen Perus. Das Ziel dieser Projekte bleibt dabei immer gleich: die Nachhaltigkeit fördern. „Viele Regierungen sehen in der Nachhaltigkeit keinen Vorteil. Viel eher ist es wichtig für sie, sich zu modernisieren, auch wenn sie damit die Umwelt schädigen. Erst dann wenn sie ihr Entwicklungsziel erreicht haben, fangen sie an, sich um die Natur zu kümmern. Beispiele dafür sind die USA, Japan und Europa. Wenn das alle so machen würden, hätten wir keinen Planeten mehr“, erklärt Dr. Matthews.

Ob die Landwirte und ansäßige Bevölkerung mit der zusätzlichen Zahlung einverstanden sind? Antonio Sánchez Nolazco ist sich sicher, dass keiner sich der Idee entgegenstellen würde, wenn ihnen die Vorteile des Projekts erklärt würden. „Uns ist wirklich der Schutz des Wassers wichtig. Aber wer macht schon etwas dafür? Ich kann es nicht alleine machen. Dafür muss es eine Organisation geben, die die Durchführung der Idee strikt koordiniert“, verdeutlicht Sánchez Nolazco die Situation der Bauern. Häufig sind sie letztendlich diejenigen, die durch die falsche Ausführung solcher Projekte geschädigt werden, weshalb Misstrauen herrscht. Trotzdem unterstützt Sánchez Nolazco energisch die Idee der ökosystemischen Vergütung, da er die Relevanz der Erhaltung des oberen Flussgebiets kennt.

„Der neuen Generation zuliebe, müssen wir uns um die Natur kümmern. Was überlassen wir ihnen?“, reflektiert Antonio Sánchez nachdenklich. Der erste Schritt zur Verbesserung des Cañete-Tals beginnt mit dem Vergütungssystem, das nächstes Jahr voraussichtlich eingeführt werden soll. Ob das Wasserparadies sich qualitätsmäßig verbessern wird, dass wird die Zeit zeigen. Bis dahin werden die Landwirte aus Cañete weiterhin ihre Felder mit dem verunreinigten Wasser des Flusses begiessen müssen.


Autorinnen: Anna Rutz und Alexandra Dias
Fotos: Luisa Donner