Ein Nebenziel der ebenzu Ende gegangenen Weltklima-Konferenz in Lima war, mit diesem Grossereignis das Umweltbewusstsein bei der eigenen Bevölkerung zu heben. Ob dieses Ziel erreicht wurde ? Valentina Ritter und Gianina Schäffauer haben während der COP auf der Strasse Unterschriften für die Nationale Menschenrechtskoordination gesammelt und berichten von ihren Gesprächen mit den Passanten.
Eine bunte Menschenmenge stroemt auf die Plaza San Martin im Zentrum Limas – Hippies, Studenten, Familien, Strassenverkauefer, Schaulustige. Faehnlein wehen im Wind, von der grossen Schaubuehne droehnt Musik, der Himmel ist strahlend blau.
Die Plaza San Martin ist heute Schauplatz des Jugendfestivals “Levantate por la Tierra”, einem Event das von jugendlichen Umweltaktivisten organisiert wird. Rund um die Plaza sind Staende aufgebaut, an denen verschieden Organisationen Passanten ueber ihre Arbeit informieren. Auch wir haben einen Stand. Wir sind eine Gruppe zehn Freiwilliger der peruanischen Menschenrechtsorganisation „Coordinadora Nacional de Derechos Humanos“ und haben uns zum Ziel gesetzt in den naechsten Tagen ueber 10000 Unterschriften gegen das Gesetz 30230, dem “Paquetazo ambiental” zu sammeln.
Wir sind erstaunt, mit welchem Interesse und mit welcher Bereitschaft die Menschen auf die Unterschriftenaktion reagieren.
Klar ist zumindest: Nur die Wenigsten sind mit der politischen Situation des Landes einverstanden.
Erzürnte Aktivisten …...
“Wir hofften unser Praesident wuerde unser Land voranbringen, doch das Gegenteil ist der Fall! Er ist ein Verraeter, ein Luegner!“ schimpft die 46-jaehrige Frauenrechtlerin Anna Maria. „Meiner Freundin wurde ihr gesamtes Grundstueck von der Bergbauindustrie genommern. Sie wurde weder gefragt, noch entschaedigt! Wie koenne Politiker so etwas unterstuetzen!”
Ana Maria ist nicht die Einzige, die unterschreibt, weil sie einen persoenlichen Bezug zu diesem Gesetz hat. Besonders 2 Tage spaeter, auf der „Cumbre de los Pueblos“, eine Art „Alternativgipfel der Voelker“, kommen wir mit vielen Dorfgemeinschaften ins Gespraech, die direkt von Bergauprojekten betroffen sind.
Das Gespraech mit 3 Baeuerinnen aus Piura bleibt uns besonders im Gedaechtnis. Die drei Frauen waren 1999 Teil der “historischen” Widerstandsbewegung in Tambogrande und erzaehlen uns, wie sie bei den Protesten gegen den Bergbaukonzern Manhatten aktiv mitgewirkt haben. Die Ueberzeugung und Kraft, die diese 3 Frauen waehrend ihrer Erzaehlung ausstrahlen, beeindrucken.
Wie viel fuer manche bei solch einer Unterschriftenaktion auf dem Spiel steht, erleben wir bei einer Gruppe von Bauern aus Cusco, die beim Unterschreiben entdeckt, dass einige Unterschriftenboegen ungestempelt sind. Zur Erklaerung: Die vorgedruckten Unterschriftenboegen der Behoerde muessen mit Stempeln versehen werden, die das genaue Gesetz angeben, gegen welches vorgegangen wird. Am diesem Morgen hat ein Mitarbeiter die Stempel vergessen, und wir benutzen provisorisch ungestempelte Boegen. Als einer der Bauern aus Cusco, die Leerstelle ohne Stempel bemerkt, sorgt er fuer grosse Aufruhr. Im Nu umringt uns seine gesamte Dorgemeinschaft und redet zornig auf uns ein. “Wir haben schon oft genug erlebt, wie unsere Unterschrift missbraucht wird. Auf so etwas fallen wir nicht mehr herein! Was ist, wenn ihr im Nachhinein, einen anderen Stempel benutzt? Was dann? Ihr koennt unsere Unterschriften dann gegen uns verwenden! Verkauft ihr uns fuer dumm?! Nein, auf so etwas fallen wir nicht herein!“ faehrt uns der 25-jaehrige Bauer Jorge an. Wie unueberlegt und ignorant, wir gehandelt hatten! Es haette und klar sein muessen, dass Menschen, die bei politischen Entscheidungen schon so oft betrogen und benachteiligt worden waren, absolute Sicherheit und Klarheit ueber den Verwendungszweck ihrer Unterschrift verdienten. Die Wut der Bauern laesst sich nur sehr schwer beschwichtigen. Erst als die Stempel eintreffen, beruhigt sich die Lage wieder.
…Uninteressierte Passanten
Sehr viel nuechterner ist unsere Erfahrung, als wir in den Strassen ausserhalb der Veranstaltungen des Cumbre de los Pueblos nach Unterschriften fragen. Die letzten 5 Tage haben wir fast unentwegt auf der Cumbre in einer „Blase“ von Aktivisten, Bauern, indigenen Dorfgruppen und Umweltschuetzern verbracht. Nun merken wir schnell, dass die Reaktionen, die wir dort erlebten, keineswegs der allgemeinen peruanischen Realitaet entsprechen. Nur die wenigsten der Befragten sind ueber die Umwelt- und Klimapolitik der Regierung informiert oder haben je etwas von der Cumbre de los Pueblos oder dem Paquetazo Ambiental oder gehoert.
„Nein, dieses Gesetz ist mir unbekannt. Ich weiss zwar, dass die COP in diesen Tagen stattfindet, aber was genau dort passiert, weiss ich ehrlich gesagt nicht“, gibt die 21-jaehrige Studentin Melanie zu. „Ich habe grosse Angst vor dem Klimawandel. Schon jetzt spuert man, dass die Temperaturunterschiede extremer sind. Ich habe Angst davor, dass wir am Ende vor dem Nichts stehen.“
Auch die 19-jahrige Wenddy macht sich grosse Sorgen. „Klar kriege ich ein mulmiges Gefuehl, wenn ich an die Zukunft unseres Planeten denke. Ich glaube, dass wir alle im Kleinen anfangen muessen, uns zu veraendern, um das Klima zu retten. Wenn wir uns selbst nicht veraendern, dann bringen auch grosse Projekte nichts. Ich habe in den Nachrichten von der COP gehoert, aber Details habe ich leider schon wieder vergessen. Nein, Cumbre de los Pueblos sagt mir gar nichts, und Paquetazo ambiental sagt mir noch weniger.“
Woher diese Unwissenheit kommt? Marden erklaert uns: „Die Jugend unseres Landes infromiert sich nicht. Sie nutzt das Internet nicht fuer Recherche, sondern fuers Chatten auf Facebook.“
Sowohl Marden, als auch Wenddy und Melanie unterstuetzen uns am Ende mit ihrer Unterschrift. Insgesamt sind es um die 3000 Unterschriften , die wir in 6 turbulenten Tagen gesammelt haben. Wir sind noch weit von unserem unser Ziel – den 10000 Unterschriften – entfernt, doch werden in den naechsten Wochen Freiwillige in ganz Peru die Aktion in ihren Provinzen weiterfuheren.
Text: Valentina Ritter und Gianina Schäffauer