Foto: Hildegard Willer

In Peru droht Hungerkrise

Teure Importe, mangelnder Kunstdünger: Peru steht eine Lebensmittelknappheit ins Haus.

Eigentlich ist Peru in der Lage, die Menge und Qualität an Nahrungsmitteln zu produzieren, die es braucht, um seine Bevölkerung zu ernähren. Doch die aktuelle Krise verschärft die schon bestehenden Probleme bei der Produktion von und beim Zugang zu Nahrungsmitteln. Die ungleiche Verteilung von Ressourcen und Chancen und die im Lebensmittelsystem vorherrschende Logik des freien Marktes führen dazu, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen keinen ausreichenden und angemessenen Zugang zu Lebensmitteln haben.

 

Ursachen der aktuellen Krise und ihre Auswirkungen

Die weltweite Nahrungsmittelkrise als Folge der Pandemie und der damit verbundenen Wirtschaftskrise drückt sich in einem Anstieg der Nahrungsmittelpreise auf dem Weltmarkt aus. Peru importiert Mais, Weizen, Soja und Ölsaaten für die Produktion von Grundnahrungsmitteln wie Brot, Nudeln, Hühnerfleisch, Eier u.a.. Diese Nahrungsmittel werden teurer und für vulnerable Bevölkerungsgruppen immer weniger bezahlbar.

Gleichzeitig wirkt sich die Krise auch direkt auf die peruanische Lebensmittelproduktion aus, vor allem auf die kleinbäuerlichen Familienbetriebe, die vom Staat kaum oder gar nicht unterstützt werden und für 60 Prozent der Nahrungsmittelversorgung in Peru verantwortlich sind. Denn die wichtigsten Güter, die dafür importiert werden, sind knapp, und die Preise steigen.

In Verbindung mit dem Klimawandel bedroht diese Situation die heimische Lebensmittelversorgung, insbesondere die Versorgung mit frischen Lebensmitteln, die für eine gesunde Ernährung besonders wichtig sind. Der anhaltende Preisanstieg für importierte Lebensmittel, die Verteuerung von Düngemitteln um mehr als 300 Prozent in den letzten Monaten sowie der Anstieg der Benzin- und Gaspreise haben nach Angaben des Statistik-Instituts INEI zu einem durchschnittlichen Anstieg des Warenkorbs für Lebensmittel um 15,46 Prozent innerhalb eines Jahres geführt. Dabei sind die Preise für einige Grundnahrungsmittel wie Öl, Hühnerfleisch, Brot, Kartoffeln, Zucker, Reis u. a. noch deutlicher gestiegen.

Diese Situation führt zu einer Zunahme von Hunger und Unterernährung bei den Bevölkerungsgruppen, die bereits von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen sind. Die Bevölkerung in extremer Armut kann ihre Ausgaben nicht umschichten, sie isst einfach weniger. Die FAO schätzt, dass weltweit 15 Millionen Menschen von mäßiger bis schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen sind. D.h. dass diese Menschen ihre Ernährung einschränken oder reduzieren oder auch Tage ohne jegliche Nahrung auskommen müssen.

Gemeinschaftsküchen im Notstand

Über 4.000 Ollas Comunes (Gemeinschaftsküchen) gibt es in Peru, 70 Prozent davon im Großraum Lima. Viele von ihnen haben sich während der Pandemie neu gegründet, um mit viel Eigeninitiative die Ernährung für die armen Bevölkerungsgruppen sicherzustellen. Das Überleben der meisten dieser Initiativen hängt von ihrer Selbstverwaltung ab, betont Fortunata Palomino, Präsidentin des Zusammenschlusses der Ollas Comunes in Lima. Auf staatliche Unterstützung können sie sich nicht verlassen. Ein Grund dafür ist, dass es für das Gesetz, das ihre Finanzierung sichern soll, noch immer keine Ausführungsverordnung gibt. Es wurde im April, fast acht Monate nach dem Einbringen der Gesetzesvorlage, vom Kongress verabschiedet. Auch das staatliche Hilfsprogramm Qali Warma, das in diesem Jahr 54 Mio. Soles (13,3 Mio. Euro) für die Verteilung von Nahrungsmitteln an Ollas Comunes und andere gefährdete Bevölkerungsgruppen bereitstellt, ist nicht in der Lage, Lebensmittel gut organisiert und schnell zu verteilen, so Palomino.

So musste etwa die Gemeinschaftsküche Efraín Inti in Villa María del Triunfo, einem der ärmsten Stadtteile Limas, den Preis für ein Mittagessen von anfangs 1,50 Sol auf drei Soles erhöhen. Die Preise erhöhen oder die Portionen verkleinern – vor dieser Entscheidung stehen heute viele Ollas Comunes.

Was dringend getan werden muss

Die Krise ist ein Beleg für die wachsende Unsicherheit des Systems zur Lebensmittelversorgung. Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung müssen dringend verstärkt werden. Die zwei Milliarden Soles (492 Mio. Euro), die für Lebensmittelgutscheine vorgesehen sind, sind ein Schritt in die richtige Richtung. Gleichzeitig muss aber präventiv gehandelt werden. Das bestehende System muss umgebaut werden. Der Kauf von synthetischen Düngemitteln (Harnstoff) auf dem internationalen Markt bei gleichzeitiger Förderung der inländischen Produktion von organischen Düngemitteln ist ein Schritt in diese Richtung. Mit dem organischen Dünger wird der Boden ebenso geschützt  wie die Qualität der Lebensmittel und die Ernährungssouveränität.

Gleichzeitig müssen die Hilfsprogramme verstärkt werden, insbesondere das Programm Qali Warma. Es muss auf die weiterführenden Schulen ausgeweitet werden und den ärmsten Bevölkerungsgruppen zwei Mahlzeiten täglich anbieten. Außerdem muss der Staat für diese Programme mehr Lebensmittel aus der familiären Landwirtschaft kaufen. So würde diese gestärkt und die Qualität der Schulessen mit frischen Lebensmitteln verbessert.

Schließlich ist es wichtig, Initiativen der Zivilgesellschaft stärker zu unterstützen und eine direkte und transparente Lieferung von Lebensmitteln zu gewährleisten, insbesondere für die Ollas Comunes (Gemeinschaftsküchen) und Comedores Populares (Volksküchen) sowie für Netzwerke, die Lebensmittel auf Märkten, in Restaurants und Urbanen Gärten sammeln. Dies würde die organisierte soziale Solidarität stärken.

Quellen:

Maria Rosa Boggio in: Signos, Juli 2022

Newsletter OjoPúblico Juni 2022

https://ojo-publico.com/3524/crisis-alimentaria-sin-estrategias-para-afrontar-el-hambre

Übersetzung: Annette Brox