Im November ging die 22. Weltklimakonferenz in Marrakesch zu Ende. Michael Jakob gibt einen Überblick über die Positionen Perus in Energie- und Klimapolitik
Peru ist verwundbar durch den Klimawandel
Ungebremster Klimawandel könnte schwerwiegende Folgen für Peru mit sich bringen. So schätzt beispielsweise die Zentralbank des Landes, dass bereits ein moderater Temperaturanstieg das BIP-Wachstum bis zum Jahr 2050 um etwa 20% verringern könnte. Die 20. Verhandlungsrunde der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen („Conference of the Parties“, COP), die 2014 in Lima stattfand, hat sicherlich dazu beigetragen, den Klimawandel als wichtiges Anliegen im nationalen Bewusstsein und in der peruanischen Politik zu verankern. Auch wenn die Wahl des ausgewiesenen Klimaskeptikers Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten die diesjährige COP überschattete, gab es auch positive Signale aus Marrakesch. So erklärte bei der Abschlussveranstaltung am 19. November eine Koalition von 48 besonders von Klimawandel gefährdeten Staaten, langfristig gänzlich aus fossilen Energien aussteigen zu wollen. Auch wenn Peru – ungeachtet seiner Verwundbarkeit gegenüber klimatischen Veränderung – nicht Teil dieser Koalition war, hat die peruanische Delegation erneut ihre Bereitwilligkeit bekundet, im internationalen Verhandlungsprozess eine konstruktive Rolle zu spielen und als regionaler Vorreiter in Sachen Klimaschutz zu fungieren. So hat Peru sich gemeinsam mit 21 anderen Staaten der „2050 Pathways Platform“ angeschlossen, deren Ziel es ist, langfristige Klimaschutzstrategien auszuarbeiten.
Eergieverbrauch stark gewachsen
Seit dem Jahr 2004 ist der Energieverbrauch in Peru – getrieben durch starkes Wirtschaftswachstum und die Ausweitung extraktiver Industrien – im Durchschnitt um jährlich 6.4% angewachsen. Erdöl ist weiterhin die wichtigste Energiequelle des Landes, es deckt mehr als 45% des nationalen Verbrauchs, insbesondere in Form von Benzin und Diesel für den Personen- und Güterverkehr. Erfreulicherweise wird Öl aber inzwischen kaum mehr zur Stromerzeugung eingesetzt. Stattdessen hat der Erdgasboom der letzten Jahre dazu geführt, dass mittlerweile ca. 40% des Stroms (und mehr als ein Viertel des gesamten Energieverbrauchs) durch Gas gedeckt werden, mehr als die Hälfte stammt aus Wasserkraftwerken. Allerdings gehen Experten davon aus, dass die Erdgasvorräte bereits in einem Jahrzehnt zur Neige gehen könnten.
Theoretisch verfügt Peru über ein substantielles Potenzial erneuerbarer Energiequellen, insbesondere Solar und Wind, die langfristig eine klimafreundliche und kostengünstige Stromversorgung sicherstellen könnten. Bereits jetzt besteht die Vorgabe, dass 5% des Stroms aus „nicht-konventionellen“ erneuerbaren Quellen stammen müssen (hierbei sind große Wasserkraftwerke ausgeschlossen). Die Einspeisevergütung für diesen „Ökostrom“ wird über eine jährliche Auktion („subasta“) geregelt, bei der die günstigsten Anbieter den Zuschlag erhalten. Im Rahmen des letzten subasta wurde Wind für 4 USc/kWh und Solar für 5 USc/kWh angeboten (zum Vergleich: in Deutschland liegen die günstigsten Solarkraftwerke bei etwa 8 USc/kWh). Dies liegt deutlich unter den Kosten für Strom aus fossilen Kraftwerken. Das heißt, dass das Argument, dass erneuerbare Energien aus Kostengründen unattraktiv sind, für Peru so nicht gilt. Allerdings sind der verstärkten Nutzung von Strom aus Sonne und Wind im Augenblick noch enge technische Grenzen gesetzt, da das Netz nicht entsprechend ausgestaltet ist, um deren schwankender Verfügbarkeit Rechnung tragen zu können.
Im Gleichschritt mit dem wachsenden Energieverbrauch ist auch der Treibhausgasausstoß kräftig gewachsen, insbesondere in den Bereichen Strom, Transport und Industrie. In den letzten zehn Jahren lag der jährliche Anstieg bei durchschnittlich 5.8%. Momentan liegen die Treibhausgasemissionen bei ca. 5t CO2-Äquivalenten pro Kopf (dies entspricht in etwa dem globalen Mittelwert und knapp der Hälfte der Emissionen eines durchschnittlichen Deutschen). Etwa zwei Drittel dieser Emissionen stammen aus der Landnutzung, insbesondere der Entwaldung im Amazonasgebiet, da das in Wäldern gespeicherte CO2 im Zuge der Abholzung in die Atmosphäre entlassen wird.
Politische Weichenstellungen durch Waldschutz
Peru stößt etwa 0.3% der globalen Treibhausgasemissionen aus, so dass deren Vermeidung nur einen vergleichsweise geringen direkten Beitrag zum globalen Klimaschutz leisten kann. Der gewichtigere Grund für ein Umsteuern in der Energie- und Landnutzung ist wohl, mögliche Entwicklungspfade für andere Länder aufzuzeichnen, wie Armutsminderung und Klimaschutz sinnvoll miteinander vereinbart werden können.
Vorgaben zur Emissionsminderung sind in der Estrategia Nacional ante el Cambio Climático (ENCC) festgehalten und als freiwillige Selbstverpflichtung („Intended Nationally Determined Contribution“, INDC) im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens formuliert. Hierbei werden, abhängig davon, ob finanzielle und technische Unterstützung von der internationalen Gemeinschaft zur Verfügung gestellt werden, bis zum Jahr 2030 Emissionsminderungen von 20% bis 30% unter den „business-as-usual“ Fall in Aussicht gestellt. Dabei ist zu beachten, dass dieses „business-as-usual“ Szenario davon ausgeht, dass ohne aktive Politik die Emissionen bis zum Jahr 2030 um 75% ansteigen würden. Selbst das ambitioniertere Politikziel würde also immer noch ein Emissionswachstum von ca. 40% bedeuten.
Konkrete Maßnahmen um die gesteckten Ziele zu erreichen gibt es bisher noch nicht. Fest steht lediglich, dass 60% der Emissionsvermeidung im Bereich Landnutzung stattfinden soll. Die kürzlich vorgestellte “Estrategia Nacional sobre Bosques y Cambio Climático” zielt darauf ab, die Abholzung bis 2021 vollständig zu beenden und damit 3,5 Millionen Hektar Wald zu bewahren. Um dieses Ziel zu unterstützen, stellen Norwegen und Deutschland im Rahmen des REDD+ (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation) Early Mover Programms 90 Millionen US$ pro Jahr zur Verfügung. REDD+ hat zum Ziel, finanzielle Anreize zur Bewahrung von Wäldern schaffen (und somit die Emissionen, die durch deren Abholzung entstünden, zu vermeiden). Außerdem gibt es eine Reihe von Pilotprojekten in den Bereichen erneuerbare Energien, Transport und Müllwirtschaft, um das Vermeidungspotenzial und die damit zusammenhängenden Kosten in diesen Bereichen zu explorieren.
Die nationale Klimaschutzstrategie befasst sich auch mit der Frage, wie sich Peru an klimatische Veränderungen anpassen kann. So sind seit 1970 die Gletscher bereits um 20-30% geschrumpft, was bereits jetzt schwerwiegende Folgen für den Wasserhaushalt des Landes mit sich bringt, insbesondere für die Cordillera Blanca und die Region um Cusco. Weitere wichtige Themenfelder sind die landwirtschaftliche Produktivität, Auswirkungen auf Artenvielfalt und die Ausbreitung von Krankheiten, wie z.B. Malaria und Dengue. Als erster Schritt zum effektiven Umgang mit Klimarisiken empfiehlt die ENCC eine Bestandsaufnahme möglicher Anpassungsmaßnahmen und der damit verbundenen Kosten. Die Regionen sind angehalten, Klimaschutzpläne auszuarbeiten, in denen strategische Zielsetzungen und institutionelle Rahmenbedingungen zur Emissionsminderungen sowie zur Anpassung dargelegt werden. Neun Regionen haben bereits solche Pläne vorgelegt.
Aussichten für eine grüne Steuerreform ?
Wie die Wahl von Pedro-Pablo Kuczynski (PPK) zum Präsidenten für die Umwelt- und Klimapolitik zu bewerten ist, ist nicht einfach zu bewerten. Zwar hat PPK im Wahlkampf angekündigt, das Umweltministerium abschaffen und den Bergbau weiter vorantreiben zu wollen. Allerdings sind Perus Verpflichtungen in internationalen Abkommen festgehalten. Aus diesen auszusteigen, oder sie schlichtweg nicht einzuhalten, würde wohl einen Reputationsverlust bedeuten, der sich negativ auf Perus Verhandlungsposition in anderen internationalen Abkommen auswirken könnte. (Bisher hat PPK das Umweltministerium nicht abgeschafft, sondern mit der Ökonomin Elsa Galarza als Ministerin besetzt, d.Red.)
Eine grüne Steuerreform wäre ein vielversprechender Weg, um umwelt- und finanzpolitische Zielsetzungen zu harmonisieren. Diese Idee basiert auf der Einsicht, dass es zielführender ist, Staatseinnahmen dadurch aufzubringen, dass man anstatt einer an sich wünschenswerten Aktivität (wie z.B. Arbeit) eine schädliche (wie den Ausstoß von Treibhausgasen) besteuert und somit gleichzeitig finanzielle Anreize für umweltgerechtes Verhalten liefert. In Kosten-Nutzen Rechnungen für öffentliche Investitionen werden die sozialen Kosten von CO2-Emissionen bereits mit einem buchhalterischen Preis von 6.39 US$ pro Tonne mit in die Kalkulation einbezogen. Im Finanzministerium gibt es außerdem erste Bestrebungen, diesen Preis schrittweise auch direkt auf Benzin und Diesel zu erheben, um somit – zumindest mittelfristig – eine Änderung des Verbraucherverhaltens zu bewirken. Insbesondere wären also Autofahrer, die der Mittelklasse zuzurechnen sind, von einer solchen Maßnahme betroffen. Diese sind zwar zahlenmäßig in der Minderheit, verfügen aber über beträchtlichen politischen Einfluss.
Erfahrungen aus anderen Ländern haben gezeigt, dass die politische Machbarkeit eines solchen Ansatzes stark davon abhängt, wie er kommuniziert wird, wie die Bevölkerung im Vorfeld mit einbezogen wird und wie negative Auswirkungen auf die ärmsten Bevölkerungsschichten verhindert werden können. Hierbei ist eine zentrale Frage, wie die Einnahmen einer solchen Steuer verwendet werden. So wäre es denkbar, andere Steuern zu senken, um damit insbesondere Haushalte mit geringen Einkommen zu entlasten. Gezielte Investitionen um verstärkt Zugang zu Bildung, Gesundheitssysteme und Infrastruktur für Wasser und sanitären Anlagen zu schaffen, wären eine weitere Möglichkeit. In diesem Punkt stimmt es allerdings skeptisch, dass die Mittel, die durch den Canon Minero in ähnliche Projekte fließen sollen, in der Vergangenheit nur in den seltensten Fällen zu einer tatsächlichen Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in den betroffenen Gemeinden geführt haben. Dies liegt zum einen daran, dass ein Teil der Mittel von den Gemeinden aufgrund der damit verbundenen hohen bürokratischen Anforderungen gar nicht erst abgerufen wurde, zum anderen daran, dass sie eher in Prestigeprojekte als in Grundversorgung geflossen sind.
Der erhoffte OECD-Beitritt Perus bildet eine Motivation eine solche „grünen Steuerreform“ weiter voranzutreiben, denn sie ist eine notwendige Voraussetzung, um Mitglied im Club der Industriestaaten werden zu können. Insbesondere die Verbindung mit Politikzielen, die einen direkt greifbaren Mehrwert für breite Teile der Bevölkerung versprechen, könnte vielversprechende Möglichkeiten eröffnen, um auf eine klimaverträgliche Wirtschaftsweise umzuschwenken. Ein Beispiel hierfür ist der Ausbaus des öffentlichen Nahverkehrs und der daraus resultierende Rückgang der Luftverschmutzung. Auch eine Verwendung der zusätzlichen Steuereinnahmen, um gezielt eine Versicherung gegen Klimarisiken zu fördern wäre denkbar.
Kein einheitliches Bild
Die Aussichten für eine erfolgreiche Klimapolitik in Peru verbinden sich bisher (noch) nicht zu einem einheitlichen Bild. Vielmehr zeichnet sich ein Widerstreit ab, in dem weiterhin langfristige Umweltziele mit kurzfristigen Entwicklungszielen konkurrieren ohne Einbettung in eine konsistente Strategie nachhaltiger Entwicklung. Sicherlich ist davon auszugehen, dass die neue Regierung unter PPK weiterhin auf ein extraktives Wirtschaftsmodell setzen wird, das den Bergbau in den Mittelpunkt stellt und in dem Umwelt eine eher untergeordnete Rolle spielt. Jedoch lässt der Aufbau von Institutionen, Strategien und Plänen hoffen, dass das Thema Klimawandel weiterhin aktuell bleibt und somit der Weg für zukünftige Klimaschutzmaßnahmen geebnet wird. Auf welche Seite das Pendel schwingen wird bleibt abzuwarten.
Michael Jakob
Dr. Michael Jakob ist Klimaökonom am Mercator Research Institute in Berlin. Zwischen Januar und Juni 2016 hat er zwei Fallstudien zur Klimaökonomie in Peru und Ecuador erstellt.