Zwischen Alpen und Anden liegt ein ganzer Ozean – ihre Musiker verstehen sich dennoch prächtig. Am Vorabend der Weltklimakonferenz fand in Lima das erste Internationale Festival der Hochgebirgs-Musik statt. Musiker aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Indien, Argentinien, Kolumbien, Bolivien, Schweiz und Peru haben daran teilgenommen.
Klima-Reporterin Gloria Alvitres hat mit der Musikgruppe Los Jaukas aus Peru und der Gruppe Kofelgschroa aus Oberbayern über ihre Verbindung von Musik und Bergkultur gesprochen.
Los Jaukas kommen vom Titicaca-See, im Süden Perus. Die Musik dieser Region wollen sie bewahren. Dafür mussten die Musiker selber vieles über andine Instrumente, über die Tänze, die Sprache und die Riten lernen. Bei ihrem Auftritt in Lima hat der Klang der Quenas, die Harfe, das Charango, und eine Vielfalt von Stimmen die Bühne für sich eingenommen. Die Musik derJaukas klingt barrok und festlich. Sie ist ein Fest und eine Ode an die Erde. Das Festival wollte auch auf die Situation der Gletscher weltweit aufmerksam machen. „Los Jaukas“ sind , wie alle am Festival teilnehmenden Musiker, besorgt um die Umwelt und die Erhaltung der Berge. Denn all das gehört zusammen: Musik, Gletscher, Kunst.
Chalena Vasquez, peruanischeMusikwissenschaftlerin, erzählt, dass die älteste Quena aus Peru 7000 Jahre alt ist. Im Allgemeinen haben die prähispanischen Kulturen viel mit Klängen gearbeitet, die eng mit dem Wachstum der Samen und dem Ruf der Tiere zusammenhängen. „Alle Lebewesen leben in einer ständigen Interaktion mit der Natur. Wir leben nicht isoliert und deshalb ist die Musik selbstverständlich ein Teil dieses Verhältnisses“, bemerkt Chalena. Und deshalb betrifft der Klimawandel sie alle.
Kulturvielfalt in Zeiten des Klimawandels
Die Wetterbedingungen in den Anden haben sich auf besorgniserregende Weise verändert. Lorena del Carpio von der Bürgerbewegung gegen den Klimawandel (MOCCIC) befürchtet, dass im Jahr 2020 die schneebedeckten Berge unter 5.000 Meter verschwinden werden. Diese Wirklichkeit verändert auf drastische Weise die Säh- und Erntezyklen in den Hochanden. Die Stärke der Flüsse wird unvorhersagbar. Die Bauern müssen neues Ackerland suchen oder in die Städte abwandern. In diesem sich wandelndenKontext haben die „Jaukas“ sich vorgenommen die kulturelle Vielfalt zu bewahren, wie Omar Ponce, Mitglied der Gruppe, erklärt.
Die Gruppierung ist 2002 entstanden, aus anfänglich drei Musikern, die die musikalischen Traditionen Punos bewahren wollten. Mit der Zeit ist daraus eine Gruppierung von 30 Personen geworden. Die „Jaukas“ singen auf Aymara und Quechua, die beide in den Anden gesprochen werden. Auβerdem haben sie Traditionen der Region übernommen, wie beispielsweise die Taufe ihrer Instrumente, was eine Art Segnung und Danksagung an die Erde beinhaltet. Vor einem wichtigen Projekt, danken sie der Mutter Erde, erläutert Zenobia Bautista, Sängerin der Gruppierung. Der „Pago a la tierra“ ist als Dankesritual in den ganzen Anden verbreitet. In eine Decke werden Gaben wie Essen, Süβigkeiten oder Kokablätter gelegt. In der Zeremonie wird den Bergen gedankt, die als Gottheiten gelten und den Namen „Apus“ erhalten.
Musik zum Innehalten aus Oberbayern
In Oberbayern gibt es zwar keine Gletscher, die schmelzen könnten. Aber ohne Berge wäre die Musik der Gruppe „Kofelgschroa“ aus Oberammergau eine andere. Ihre Musik ist auch ein Tribut an die Kulturen der Alpen. Die Musik von Kofelgschroa ist allerdings nicht so explosiv wie die der Jaukas. Sie blasen lange Töne, ihre Texte hinterfragen das Leben selber. „Wir möchten, dass die Menschen innehalten, dass sie langsamer, bewusster leben“, sagt Maxi Pongratz von Kofelschroa. Seit 2007 gibt es diese Gruppe von vier jungen Musikern . Sie haben sich nach ihrem Hausberg, dem Kofel, benannt.
Ihre Musik vereint Tradition und Moderne. Mit dem Akkordeon, der Posaune, der Gitarre und dem Akkkordeon mischen sie Pop mit Alpenklängen. Maxi Pongratz ist sicher, dass jede Kunst immer von ihrer natürlichen Umgebung beeinflusst ist. Die Alpen sind die Inspiration von Kofelgschroa. Die Anden sind die Inspiration der Musik der Jaukas. Deswegen können und wollen die Musiker nicht die Augen verschliessen vor den Umweltproblemen. Alles hängt zusammen. Der Klimawandel macht dies offensichtlich.
Kulturelle Vielfalt kann eine Waffe sein, um ihn aufzuhalten.
„Ohne die Berge hätten wir nicht diese Kulturvielfalt. Deswegen sind wir hier, um die Aufmerksamkeit auf dieses Thema lenken“, sagt Liana Cisneros, die das 1. Hochgebirgs-Musik-Festival in Lima organisiert hat.
Text: Gloria Alvitres, studiert Jornalismus an der Universität Antonio Ruiz de Montoya
Übersetzung: Anna Rutz, weltwärts-Freiwillige des Welthauses Bielefeld
Fotos: Luisa Donner