Im März dieses Jahres hatte das Provinzgericht von Nauta (Loreto) den Fluss Marañón und seine Nebenflüsse zum Rechtssubjekt erklärt und damit der Klage der Kukama-Frauenorganisation Huaynakana Kamatahuara Kana (“Arbeitende Frauen”) stattgegeben. Es war ein historisches Urteil, denn damit wurde in Peru zum ersten Mal ein Fluss als Rechtsperson anerkannt. Drei der beklagten Stellen – das Umweltministerium, die Nationale Wasserbehörde und der staatliche Ölkonzern Petroperu – gingen in Berufung.
Jetzt haben die Kukama-Frauen einen zweiten historischen Erfolg erzielt: Auch in zweiter Instanz wurde der Marañón als Rechtssubjekt bestätigt. Das Gericht von Loreto begründete seine Entscheidung mit dem „zunehmenden Druck auf die Ökosysteme, der ihr Überleben und ihre ökologische, soziale und lebenswichtige Funktion gefährdet“ sowie mit den zahlreichen Ölunfällen, die den Marañón geschädigt haben.
Begonnen hatten die Kukama-Frauen den Rechtsstreit schon im Jahr 2021, angesichts der ständigen Ölverschmutzungen durch die von Petroperu betriebene Ölpipeline Norperuano. Mit dem Richterspruch von Loreto haben die Frauen nun einen umfassenden Erfolg errungen: Das erstinstanzliche Urteil wurde in vollem Umfang bestätigt und Petroperu zur „effektiven, sofortigen und umfassenden“ Wartung der Ölpipeline verpflichtet. Die Richter halten die Anerkennung der Rechte des Marañón für notwendig, um ihn vor den ständigen Ölverschmutzungen zu schützen. Sie bestätigten, dass geeignete Vertreter*innen der Flüsse benannt werden können, um deren Rechte zu vertreten und durchzusetzen. Die Regionalregierung von Loreto wird aufgefordert, so genannte Fluss-Beiräte einzurichten, in denen auch indigene Vertreter*innen Sitz und Stimme haben.
Extraktivistische Aktivitäten juristisch anfechtbar
In einem ergänzenden Votum erkannte Richterin Roxana Carrión Ramírez die Bedeutung der Kosmovision der Kukama in Bezug auf den Marañón an: „Für das Volk der Kukama ist der Marañón-Fluss das Zentrum ihres Universums, sie haben eine tiefe Verbindung zu ihm, und er ist die Quelle von Nahrung, Wasser und Transport.“
Mit dem Urteil wird es von nun an möglich sein, jede extraktivistische oder andere Aktivität, die die bereits anerkannten Rechte des Marañón und seiner Nebenflüsse beeinträchtigt, gerichtlich anzufechten. „Das ist ein Erfolg für das Amazonasgebiet und für unser Land, aber auch für die ganze Welt. Die Flüsse zu schützen ist Teil unseres Lebens, damit wir sie als Erbe für zukünftige Generationen erhalten“, sagte Mari Luz Canaquiri, Präsidentin von Huaynakana Kamatahuara Kana nach der Urteilsverkündung.
Dass das Urteil mehr als eine symbolische Anerkennung ist, erklärte Juan Carlos Ruiz Molleda, Anwalt der Menschenrechtsorganisation Instituto de Defensa Legal (IDL), die die Klage vor Gericht vertreten hatte, bereits nach dem ersten Urteil: Bisher sei der Marañón-Fluss wehrlos gewesen, da er sich nicht äußern und deshalb nicht gehört werden konnte. Mit dem Urteil würden nun die indigenen Völker und insbesondere die Kukama-Frauen als Hüterinnen, Verteidigerinnen und Vertreterinnen des Marañón anerkannt. Der Fluss sei nicht mehr machtlos, weil die Menschen, die an ihm leben, jetzt für ihn sprechen. Nun werde der Marañón von den Menschen vertreten, die ihn am besten kennen, die am meisten wissen und deren Lebensunterhalt vom ihm abhängt.
Maritza Quispe, ebenfalls Anwältin bei IDL, betonte, dass das Urteil nur ein Anfang sein: „Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.“ Nun gehe es darum, die praktische Umsetzung des Urteils einzufordern, damit die Auflagen des Gerichts auch erfüllt werden. IDL erinnert auch daran, dass der Erfolg das Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen ist. Die Klage wurde von mehreren peruanischen und internationalen Organisationen unterstützt, unter ihnen das Forum Solidaridad Perú, Radio Ucamara, International Rivers, das Earth Law Center und auch das Vikariat von Iquitos.