Offener Brief an die Abgeordneten des deutschen Bundestages

Das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Peru und Kolumbien wird nun dem Bundestag zur Ratifizierung vorgelegt. Zuvor wird es im Wirtschaftsausschuss des Bundestages eine öffentliche Anhörung geben. Dadurch wird sich die 2. und 3. Lesung und die Beschlussfassung auf April oder noch später verschieben. Die Infostelle Peru bittet Sie, beiliegenden Brief mit Ihrer persönlichen Unterschrift an Ihren Abgeordneten im Bundestag zu schicken. Die Datei zum Herunterladen finden Sie hier:

Offener Brief an die Abgeordneten des deutschen Bundestags

Nachfolgend der Brief mit den Unterschriften der unterstützenden Organisationen


Alle Abgeordneten des Deutschen Bundestags
Platz der Republik 1
11011 Berlin

Berlin, 18. Februar 2013

Das Freihandelsabkommen der EU mit Peru und Kolumbien wird die menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Probleme verschärfen.
Nein zur Ratifizierung des Freihandelsabkommens

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestags,

im Februar wird das Begleitgesetz zum Freihandelsabkommen der EU mit Peru und Kolumbien dem deutschen Bundestag zur Ratifizierung vorge­legt. Die unterzeich­nenden Organisationen haben Grund zur Sorge, dass dieses Abkommen die menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Probleme in Peru und Kolumbien verschärfen wird.

Im internen bewaffneten Konflikt in Kolumbien wurden bislang etwa vier Millionen Menschen vertrieben und mehr als 16.000 Personen gelten als zwangsweise Verschwundene. Allein 2011 wurden 34 Gewerkschaf­terInnen ermordet. Das Handelsabkommen enthält keine verbindlichen Rege­lungen für die Einhaltung der Menschenrechte, es wird zudem jene Sekto­ren in Kolumbien dynamisieren, die für die massiven Vertreibungen mit­verantwortlich sind, wie etwa Bergbau, Agro­business und Infrastruktur­projekte. Dies sind auch die prioritären Sektoren des nationalen Entwick­lungsplans der Regierung von Präsident Juan Manuel Santos. Es besteht also eine akute Gefahr, dass die Umsetzung des Abkommens selbst zur Verlet­zung von Menschenrechten beitragen wird.

Ebenso fehlen verbindliche Umweltstandards im Abkommen, die sicher­stellen, dass Rohstoffförderung, Ausbreitung von Ölpalm-Plantagen und großflächige Land­akquisitionen nicht die Lebensgrundlagen der lokalen Bevölkerung zerstören. 2012 wurden allein in Peru 146 Umweltkonflikte gezählt und die Regierung geht in den betroffenen Regionen mit Polizei und Militär gegen Menschen vor, die sich gegen Landraub und die Vergiftung des Wassers wehren. Bei diesen Konflikten starben im letzten Jahr 16 Menschen.

Artikel 25 des Abkommens verbietet Kolumbien und Peru, künftig Ausfuhr­zölle oder sonstige Ausfuhrbeschränkungen beizubehalten oder einzu­führen. Damit soll das Abkommen europäischen Unternehmen einen unge­hinderten Zugang zu den Rohstoffen dieser Länder verschaffen. Dabei wird in Kauf genommen, dass die menschenrechtlichen, sozialen und ökologi­schen Probleme durch den Rohstoff­abbau weiter zunehmen und die da­durch ausgelösten Konflikte sich verschärfen. Hauptursache dieser Konflik­te sind Bergbau und Ölförderung, zum Großteil für den Export.

Internationale Bergbaukonzerne sind nachweislich als Verursacher betei­ligt an Umweltschäden und Verstößen gegen die ILO-Kernarbeitsnormen. In Anbetracht der andauernden Landkonflikte und der häufig ungeklärten Landtitel in Peru und Kolumbien besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass vermehrte Investitionen in Bergbauprojekte zu weiteren Menschen­rechtsverletzungen führen. Der rücksichts­lose Abbau der Rohstoffe in den Ländern forciert Vertreibung und Konflikte und geht mit Verletzungen der von Kolumbien und Peru ratifizierten ILO-Konvention 169 einher, die das Recht auf freie, vorherige und informierte Zustimmung der indigenen Be­völkerung verbindlich festschreibt.

Eine Gefährdung des Menschenrechts auf Nahrung ergibt sich durch die Verpflichtung des Abkommens, dass Peru und Kolumbien die Einfuhrzölle auf 90 Prozent der landwirtschaftlichen und anderen Güter ab­schaffen müssen. Der unge­schützten Konkurrenz durch zum Teil hoch sub­ventionierte Produkte aus der EU, wie etwa Milchpulver, sind viele klein­bäuerliche Betriebe in diesen Ländern nicht gewachsen. Erleichterte und vergünstigte Einfuhren können daher zu Einkom­mensverlusten bei kolum­bianischen und peruanischen Landwirten führen, die ohnehin bereits von Hunger und Armut getroffen oder bedroht sind.

Die erheblichen ökonomischen Asymmetrien zwischen den Handelspart­nern verhindern eine Entwicklung der beiden lateinamerikanischen Staa­ten über die Rolle als rein rohstoffexportierende Länder hinaus. Um dem entgegenzuwirken, brauchen Peru und Kolumbien politische Handlungs­spielräume zur Regulierung ihrer Wirtschaft – eben diese Spielräume schränkt das geplante Abkommen ein.

Die im Handelsabkommen vereinbarten Liberalisierungen der Finanz­märkte erschweren die Bemühungen zur Regulierung des internationalen Fi­nanzsektors und erleichtern Geldwäsche und Steuerhinterziehung. So könnten Finanzakteure riskante Geschäfte machen, ohne ausreichend von einer der Vertragsparteien kontrolliert zu sein. Das Abkommen schützt auch nur unzureichend das Recht der Vertragsparteien, Kapitalflüsse zu kontrollieren.

Im Bereich der geistigen Eigentumsrechte werden Kolumbien und Peru in Artikel 232 verpflichtet, die Standards des Sortenschutzabkommens UPOV in der Version von 1991 umzusetzen. Damit müssten diese Länder Gesetze erlassen, welche den Austausch und Weiterverkauf kommerziellen Saat­guts während der 20-jährigen Geltungsdauer des Sortenschutzes verbie­ten und auch die Wiederaussaat nur gegen Entrichtung von Nachbauge­bühren erlauben. Dadurch werden der Zugang von Bauerngemeinschaften zu Saatgut erschwert, ihre landwirtschaftlichen Produktionskosten erhöht und damit ihr Menschenrecht auf Nahrung gefährdet.

Zusätzlich wird durch sogenannte Datenexklusivität die Marktzulassung von Gene­rika verhindert oder zumindest deutlich verzögert. Es kann dazu führen, dass die noch verbliebenen und in den WTO-Abkommen garan­tierten Schutzklauseln ausge­hebelt werden, die es ermöglichen, Patente au­ßer Kraft zu setzen und qualitativ gleichwertige aber wesentlich kosten­günstigere Kopien von Originalprodukten zu beziehen. Die kostensen­kende Wirkung der Konkurrenz durch Generika ist gerade im Hinblick auf HIV/Aids-Präparate häufig lebensnotwendig. Vor allem dank Gene­rika ist es möglich, dass heute rund acht Millionen Menschen lebensrettende HIV-Me­dikamente erhalten.

Eine vom EU Parlament im Juni 2012 verabschiedete Resolution soll eine Überprü­fung sozialer, arbeitsrechtlicher und Umwelt-Standards sowie der Menschenrechts­situation in Kolumbien und Peru gewährleisten. Beide Län­der hatten dem Euro­päischen Parlament dazu einen Aktionsplan vorgelegt. Sowohl die kolumbianische Gewerkschaftsakademie (ENS) als auch zivilge­sellschaftliche Organisationen kriti­sieren die mangelnde Verbindlichkeit dieser Aktionspläne. Das wesentliche Defizit dieser Resolution besteht dar­in, dass sie am Fehlen von Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen Menschenrechts-, Sozial- und Umweltklauseln im Abkommen selbst nichts ändert.

Wir bitten Sie daher:

  • Ratifizieren Sie nicht das Freihandelsabkommen in seiner derzeitigen Fassung und unter diesen Umständen, um die dramatische Situation in Kolumbien und Peru nicht zu verschärfen.
  • Setzen Sie sich dafür ein, dass Menschenrechte, ILO-Kernarbeitsnormen, Umweltstandards und die Mitwirkungsrechte der Bevölkerung oberste Priorität haben und umgesetzt werden, auch beim Investitions­schutz.
  • Setzen Sie sich dafür ein, dass künftig vor Beginn von Verhandlungen und vor einer Ratifizierung von Handelsabkommen der EU umfassende menschenrechtliche Folgenabschätzungen vorgenommen werden.
  • Setzen Sie sich für eine faire und gerechte Handelspolitik mit Peru und Kolumbien ein, die der besonderen Situation dieser Länder Rechnung trägt und ihnen die notwendigen politischen Handlungsspielräume si­chert.
  • Helfen Sie den Opfern des internen Konflikts in Kolumbien, damit für sie der nötige Schutz gewährleistet wird, und unterstützen Sie die Menschenrechts­organisationen in Kolumbien und Peru in ihren Anstren­gungen zur Stärkung des Rechtsstaates und der Zivilgesellschaft.

Mit freundlichen Grüßen,
im Namen der mitunterzeichnenden Organisationen

Christiane Schwarz, kolko e.V.

Unterzeichnende Organisationen:
action pro colombia e.V., Aachen
ADVENIAT
AG Bergbau in Kolumbien, Berlin
AG Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung der Deutschen Fran­ziskanerprovinz
AG ökologischer Landbau zum angewandten Regenwaldschutz e.V. – Ludwigshafen
AKTION FRIEDENSDORF – Kinder in Not e.V. Mönchengladbach
Aktionsbündnis gegen AIDS
Arbeitskreis München-Asháninka (Regen­wald-Partnerschaft) im Nord Süd Forum München
Archiv + Bücherei im AllerWeltHaus Hagen
Attac Deutschland
Color Esperanza e.V.
Diözesanrat der Katholiken im Bistum Aachen
Erlassjahr.de
FDCL, Forschungs- und Dokumentationszen­trum Chile-Lateinamerika e.V.
FIAN Deutschland
FOKUS e.V. – Perusolidarität im Welthaus Bielefeld
Freundeskreis Peru-Amazonico e.V.
ila – Informationsstelle Lateinamerika e.V., Bonn
Informationsbüro Nicaragua e. V. , Wupper­tal
Informationsstelle Peru e.V., Freiburg
informationszentrum 3. welt – iz3w
Kairos Europa e.V.
Kampagne “Bergbau Peru – Reichtum geht, Armut bleibt”
Katholische Arbeitnehmerbewegung – Diözesanverband Freiburg
kolko – Menschenrechte für Ko­lumbien e.V.
Kolumbiengruppe e.V. Nürtingen
Kommission Solidarität Eine Welt von Pax Christi
LN – Lateinamerika Nachrichten e.V.
MISEREOR
Nord Süd Forum München e.V.
Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit e.V.
Perugruppe München
PowerShift – Verein für eine ökologisch-solida­rische Energie- & Weltwirtschaft e.V.
Rettet den Regenwald e.V.
Robin Wood
Terre de Hommes
WEED – Weltwirtschaft, Ökologie & En­twicklung e.V.
Zusammenschluss Bayerischer Bildungsini­tiativen e.V.