Einweihung der Maloca. Foto: Ivone del Aguila

Wir tanzen, damit die Schlange im Wasser bleibt

An der peruanisch-kolumbianischen Grenze haben Huitoto-Indigene ein neues spirituelles Gemeinschaftshaus, eine Maloka, gebaut. Elke Falley-Rothkopf war bei der Einweihung dabei.

Dies ist die Geschichte einer Reise nach Amazonien in Peru im Oktober diesen Jahres, meine erste seit fast genau zwei Jahren und unter den besonderen Bedingungen der Pandemie. Es ist deshalb auch eine Reise, von der bis zuletzt zu befürchten war, dass sie nicht stattfinden könnte oder ich zumindest nicht bis zum meinem Ziel Mairidicai käme, weil etwa Coronaschutzmaßnahmen die Weiterreise unmöglich machen würden oder ähnliches. Hintergrund der Reise ist die Einladung, persönlich bei den Einweihungsfeierlichkeiten für die Maloka dabei zu sein.

Im Sommer 2020, inmitten der Coronapandemie, hat die indigene Gemeinschaft Mairidicai (die Comunidad Nativa de Mairidicai) bei El Estrecho auf der peruanischen Seite des Putumayo-Flusses gelegen, den Beschluss gefasst, die erste Maloka, das Haus der Gemeinschaft, seit über 50 Jahren zu bauen.

In der Maloka vereinen sich verschiedene Völker, um das Wort für die Heilung zu finden. In diesem Fall für die Heilung von den derzeitigen Katastrophen und Missständen, in denen sich die Welt aktuell befindet. Krankheiten, Klimakatastrophen, Hunger, Gewalt und Kriege usw. Arlen Ribeira von den Uitoto aus Mairidicai hat es so formuliert: „Die Maloka ist unsere eigene COP (Weltklimagipfel).“ Die Maloka steht allen offen.

Im Winter 2020 haben Vertreter aus Mairidicai im Rahmen eines Online-Events, das Informationsstelle Peru, INFOE und Klima-Bündnis angeboten haben, das Konzept und die Pläne der Maloka vorgestellt und dabei so viel Interesse geweckt, dass sogar spontane Spenden eingingen.

Am 16. Oktober 2021 hat Mairidicai nun die Maloka eingeweiht. Ab dem frühen Nachmittag des 16.10. bis um fast 6 Uhr morgens wurde in der Maloka zusammen getanzt und gesungen, damit die weisen Männer, die in einer eigenen Ecke der Maloka sitzen und Mambé (gemahlene Kokablätter) zu sich nehmen, das heilende Wort finden können. Während der Feier kommen immer wieder durch den Haupteingang der Maloka Gruppen von Männern, junge und alte, offenbar angeführt von dem ältesten unter ihnen, der zu singen und tanzen beginnt, woraufhin die übrigen darin einfallen. Mit ihren Stöcken geben sie den Rhythmus vor. Daraufhin kommen die Frauen hinzu und beginnen ebenfalls, in den Gesang einzustimmen. Sie stellen sich zunächst den tanzenden Männern gegenüber, reagieren auf ihre Bewegungen. Immer mehr Menschen tanzen schließlich mit: Männer*, Frauen*, Kinder – alle Generationen sind dabei. Sie können auch mittanzen, indem sie die Hände auf die Schultern der vor ihnen Tanzenden legen.

Zur Unterstützung können die Teilnehmenden Caguana, Honig und Ampiri (flüssigen Tabak) zu sich nehmen. Caguana ist ein stärkehaltiges Getränk aus Yuka-(Maniok)Mehl, für das es spezielle Rezepte gibt, damit es nicht schnell zur Neige geht. Die Frauen verteilen die Caguana. Von den weisen Männern erhalten alle Honig und Ampiri, wobei man* zunächst den Honig und dann Ampiri zu sich nimmt.

Der Maloka stehen der Dueño und die Dueña de la Maloka vor, in diesem Fall Pedro Junior und seine Frau Astrid. Der Honig, so hat es Junior erläutert, steht symbolisch für die Frauen. Danach erst wird das Ampiri aus Tabak genommen. So wird das Wort sanfter gemacht, das die Männer für die Heilung suchen. Wesentlich ist somit immer auch der Beitrag der Frauen symbolisiert durch den Honig. Die Frauen flechten außerdem die Körbe, deren Muster die Schritte der gemeinsamen Tänze aufzeigen. In den Körben befanden sich die Erdnüsse, welche alle Besucherinnen und Besucher der Maloka erhalten. Erdnüsse werden bei Eintritt in die Maloka auf dem Boden verstreut, auf dem getanzt wird.

Am Nachmittag des 17. Oktober wurde ich zu Junior gebracht, der die Botschaft, das Wort der Maloka mitteilte, mit der Bitte, dieses weiterzugeben:

„Dies ist der Anfang. Schritt für Schritt werden mehr Menschen, mehr Völker dazukommen. So lange Zeit haben wir gewartet. Es wurde immer gesagt, dass sie kommen würde – fast konnten wir es nicht mehr glauben. Aber nun ist sie gekommen. “ „Éste, es el inicio. Se van, paso a paso, unir más gente, más pueblos. Hemos esperado tanto tiempo. Se decía que vendrá, casí ya no podíamos creerlo. Pero ahora ella sí ha llegado.“

Die Einweihung der Maloka fand auch in einem ausführlichen Beitrag im lokalen Radiosender Erwähnung, der die Feier als einen historischen Moment und von großer Bedeutung für den Respekt vor und den Erhalt des kulturellen Erbes der in der Maloka versammelten Völker hervorhob, die während des Kautschukbooms und danach Furchtbares erlebt haben. Erwähnt wurde außerdem, dass auch internationale Gäste z.B. aus Deutschland, Polen und Kolumbien bei der Einweihung dabei waren.

Die Botschaft der Maloka ist auf dem Weg. In einem sogenannten Side Event am 9.11.2021 in der Blauen Zone auf dem Weltklimagipfel („COP 26“) in Glasgow und im Rahmen einer Ringvorlesung (Caminos indígenas: Resistir, superar y crear en el transcurso del tiempo de un mundo globalizado) in der Abteilung für Altamerikanistik der Universität Bonn hat Arlen Ribeira erläutert, was den Espíritu de la Maloka, das Wesen und den Geist der Maloka, ausmacht, damit sich ihre Botschaft erfüllen kann und mehr und mehr Völker hinzukommen, um die Lösung für die globalen Krisen zu finden.

Wer mit Sorgen und Hoffnung nach Glasgow geblickt hat, dass sich die Staaten auf ein gemeinsames Handeln einigen können, weiß, dass dies in der Tat erst ein Anfang ist. Die Staaten zanken, zögern und zaudern vielleicht noch und das überrascht nicht. Wichtig ist es da, zu erinnern und entsprechend umzusetzen:

„Dentro de la Maloka no se habla espíritu de la guerra. La Maloka está abierta para todas y todos. – Im Haus der Gemeinschaft wird nicht im  Geiste  des Krieges gesprochen.  Das Haus der Gemeinschaft ist offen für jede und jeden.“

 

Elke Falley-Rothkopf, im November 2021

Der Text basiert auf den Worten, Hinweisen und Anmerkungen der indigenen Kollegen Junior, Arlen und Edwin sowie den Erfahrungen der Reise zur Maloka in Mairidicai und zum Klimagipfel in Glasgow.