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Mehr als die Hälfte der Abholzung im peruanischen Amazonasgebiet ist potenziell illegal

Zu diesem Ergebnis kam eine akribische Recherche der peruanischen Investigativplattform OjoPúblico. Zusammen mit einem multidisziplinären Team wurde ein Algorithmus entwickelt, mit dem gemessen werden kann, wie hoch das Risiko der Illegalität in bestimmten Sektoren und für bestimmte Holzarten ist.

„Hier beginnt die Abholzung, bevor eine Genehmigung erteilt wird“, gesteht ein Holzhändler aus der Amazonasregion Ucayali, der seit mehr als 20 Jahren in diesem Sektor tätig ist. Er ist immer wieder Zeuge davon geworden, wie verschiedene Arten alter Bäume gefällt und dann auf dem peruanischen und auf dem internationalen Markt verkauft werden.

Pucallpa, die Hauptstadt dieser Region, ist als Zentrum des Holzhandels und der Geldwäsche bekannt. Zwischen 2022 und 2023 wurde von Ucayali aus Holz im Wert von fast 66 Millionen US-Dollar exportiert – 43 Prozent der landesweiten Exporte. In zahlreichen Fällen laufen jedoch Ermittlungen, weil Holz aus illegaler Abholzung mit falschen Papieren legalisiert wurde.

Nun hat OjoPúblico – zusammen mit einem multidisziplinären Team aus Journalist*innen und Datenwissenschaftler*innen und mit technischer Unterstützung von Proética und der Environmental Investigation Agency – einen Algorithmus entwickelt, der unter Einbezug von mehr als 2,7 Millionen Datensätzen die Risiken für die Illegalität der Abholzung misst. Das Resultat: 55 Prozent des Holzes aus dem peruanischen Amazonasgebiet weist hohe und sehr hohe Risikoindikatoren auf. In den meisten der untersuchten Kategorien übersteigt das ermittelte Risiko die offiziellen Schätzungen. In einer im September 2023 veröffentlichten Studie schätzte die Aufsichtsbehörde für Forst- und Wildtierressourcen (OSINFOR) den illegalen Holzhandel auf nur 31,5 Prozent.

Zu den Holzarten mit dem höchsten Illegalitätsverdacht gehören – und zwar mit einem sprunghaften Anstieg in den letzten Jahren – der Tornillo (Gefährdung von 76,1 Prozent), der Capirona (77,4 Prozent) und der Shihuahuaco (84,4 Prozent), wobei letzterer im Jahr 2022 in die Liste der gefährdeten Arten aufgenommen wurde.

50 Cent pro Brettfuß

Fast eine Flugstunde von Pucallpa entfernt liegt die Provinz Atalaya, eines der Gebiete, in denen am meisten abgeholzt wird. OjoPúblico besuchte verschiedene Holzsammelstellen in dieser Provinz und erhielt Einblick aus erster Hand. Die Befragten, die aus Sicherheitsgründen lieber anonym bleiben wollten, waren sich einig, dass die Überwachung der Forstkonzessionen und –genehmigungen, für die OSINFOR zuständig ist, weniger streng geworden ist. „Sie kommen nicht oft hierher. Früher wurde mehr kontrolliert, aber jetzt nur noch wenig“, sagt einer der dortigen Holzarbeiter. Auf die Frage nach der Abholzung und den Umweltauswirkungen denken die Holzfäller einen Moment lang über ihre Antwort nach und rechtfertigen sich dann damit, dass sie auf diese Weise wirtschaftliche Einnahmen erzielen.

Bevor man in Pucallpa ankommt, sieht man auf einem Gelände in der Nähe des Hafens Holz in verschiedenen Größen, das in großen Mengen gelagert wird. In den dortigen Sägewerken wird das Holz erstverarbeitet und in Bretter oder Latten verwandelt. „Wir bekommen 50 Cent pro bearbeitetem Brettfuß“, sagt ein Holzunternehmer, der es ebenfalls vorzieht, anonym zu bleiben, während er den Prozess beschreibt, den das Holz durchläuft: das Verladen der Stämme, das Schneiden und Messen der Latten und das Verpacken für den Transport in andere Landesteile.

Bürgermeister von Atalaya ist seit 2023 Francisco de Asís Mendoza De Souza, der vor seiner politischen Karriere mit den von seiner Frau geleiteten Holzfällerunternehmen Forestal Maderera El Roble und Trozas S.A. sowie mit Forestal Mendoza, einem Unternehmen seines verstorbenen Bruders, verbunden war. Im Jahr 2015 leitete die Umweltstaatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen ihn und andere ehemalige Beamte ein – wegen illegalen Handels mit Holzprodukten. Laut Mendoza wurde das Verfahren jedoch „kurz danach“ eingestellt, weil keine Beweise für seine Verantwortung vorlagen.

Kontrollen erfolgen nur stichprobenartig

Carla Ugaz Goicochea, Dozentin für Agronomie und Wirtschaft und Forstingenieurin mit Erfahrung in Holzproduktionsketten, erklärte gegenüber OjoPúblico, dass die Behörden die Verwaltung der Sägewerke „überprüfen und in Ordnung bringen“ sollten, um die Produkte zu kontrollieren. Eine ordnungsgemäße Umsetzung der Logbücher würde eine Kontrolle der Daten ermöglichen, um zu analysieren, wie viel von dem, was als Rundholz angeliefert wird, in Schnittholz umgewandelt wird. Eine Studie der Forstbehörde SERFOR hat ergeben, dass dieser Anteil im Schnitt bei 51 Prozent liegt, die Sägewerke aber oft mehr als 80 Prozent melden – und genau in dieser Differenz versteckt sich das illegal geschlagene Holz.

Die Forstverwaltung von Ucayali erklärte in diesem Zusammenhang, dass sie die Sägewerke stichprobenartig überwacht und im Schnitt fünf Kontrollen pro Monat durchführt. Von Januar bis Anfang Mai 2024 waren es 21 Inspektionen.

Gütesiegel sind keine Garantie für Nachhaltigkeit

Eins der letzten Glieder in der Kette des Holzhandels sind die Endhändler. Diese Unternehmen akkreditieren den legalen Ursprung mit einem Transportbegleitschein, einem Dokument, das auch für die Ausfuhr des Produkts gültig ist. Allerdings besteht beim Export aus Peru keine Verpflichtung über die Holzart oder die genaue Herkunft des Holzes zu machen. Einige entscheiden sich für ein Gütesiegel, aber diese Zertifizierungen sind keine Garantie für die Nachhaltigkeit der Forstkette, wie eine frühere Recherche von OjoPúblico gezeigt hat. Die Verarbeitung des Holzes – zu Fußböden oder Luxusmöbeln – und seine anschließende Ausfuhr aus dem Land stellt also eine Herausforderung dar, was den Nachweis der legalen Herkunft betrifft.


Der Artikel erschien im spanischen Original auf OjoPúblico.
Bearbeitung und Übersetzung: Nicole Maron

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