Im peruanischen Regenwald ist das fromme polnische Mädchen Dominika Szkatula zur feministischen Rebellin innerhalb ihrer Kirche geworden.
Wenn jemand das apostolische Vikariat “San José de Amazonas”, 150 000 km2 gross, bewohnt von 150 000 Menschen, davon 25% Angehörige neun verschiedener indigener Völker, wie ihre Westentasche kennt, dann ist das ohne Zweifel Dominika Szkatula. Seit nunmehr 37 Jahren ist die gebürtige Polin mit Boot und zu Fuß in ihrem Vikariat unterwegs.
Aber die heute 61-jährige Dominika Szkatula ist viel mehr als eine langjährige engagierte Laienmissionarin. Dominika ist innerhalb der katholischen Kirche eine mehrfache Pionierin : mit 24 Jahren wurde sie Laienmissionarin, zu einer Zeit, in der man in ihrem heimatlichen Polen noch Nonne werden musste, um in die Mission zu gehen. Später hatte sie 11 Jahre lang die Stelle einer Pastoralvikarin inne, ein Amt, das normalerweise Priestern vorbehalten ist, aber sicher keiner Laienfrau. Seit vier Jahren lebt sie eine neue interkulturelle Herausforderung, als Gemeindeanimatorin in einem nur von Indigenen bewohnten sehr abgelegenen Dorf.
“Die ersten Jahre im Dorf Tamshiyacu, bin ich einfach mitgelaufen, habe mit den Menschen geredet, sie bei ihrer Arbeit begleitet. Das war die beste Inkulturation”, erinnert sich die große schlanke Frau mit den blonden Locken und dem spitzbübischen Lächeln. Die nächsten Jahre verbrachte sie im Ort San Pablo – ein in ganz Peru bekannter Ort als Dorf mit dem Leprakrankenhaus. Ja, auch der Ort, an dem ein junger Arzt namens Che Guevara auf seiner Motorradtour Halt machte; der Ort, an dem der Vater des ehemaligen Präsidenten, der polnisch-deutsche Arzt Maxim Kuczynski, arbeitete und forschte. Dominika Szkatula war viele Jahre später dort, aber es war immer noch ein sehr randständiger Ort. “Es hat mich damals sehr erschüttert, zu erleben, wie isoliert viele Leprakranke immer noch sind, und vor allem, wieviele von ihnen glauben, dass ihre Krankheit eine Strafe Gottes sei”, erzählt Dominika.
Später bat der Bischof von San José de Amazonas Dominika, die Koordination der Pastoral zu übernehmen. “Zuerst gab es Widerstand von einigen Priestern, aber das legte sich schnell, als ich sie besuchte”. Dominikas Hauptaufgabe war es, die auf 150 000 km2 verstreuten 60 Mitarbeitenden – Priester, Ordensfrauen und Laien – des Vikariates zumindest einmal im Jahr zu besuchen und so die Verbindung zum Vikariat sicherzustellen. Die Wege im Regenwald sind so weit, dass sich sonst alle Mitarbeitenden nur einmal pro Jahr zur Versammlung treffen. 11 Jahre lang besuchte Dominika die Gemeinden ihres Vikariates flussauf, flussab. Bis ein neuer Bischof meinte, diese Arbeit müsse ein Priester machen, und Dominika nach Angoteros versetzte.
Andere würden Angoteros vielleicht als Strafe empfinden – vier bis fünf Tage ist man bis dahin von der Hauptstadt Iquitos aus mit dem Boot unterwegs. “Ich lebe hier sehr einfach, machmal zusammen mit Ratten”, lacht sie. Als Opfer empfindet sie es nicht. “Ich lebe hier, weil ich es kann, weil ich die Kraft dazu habe.” Für Dominika ist Angoteros eine neue Lehrzeit in Sachen Inkulturation. Denn in Angoteros gehören alle Bewohner entweder dem indigenen Volk der Kichwa oder der Secoya an, die ihre eigene Kosmovision und Religion, neben der christlichen, leben. “Die Menschen hier haben eigene Riten für den Lebensbeginn oder für die Heirat – da ist es eigentlich Unsinn, dass wir noch die katholische Taufe oder die katholische Hochzeit draufsetzen.” Wir brauchen Eure Sakramente nicht – das haben die Vertreter indigener Völker auch in Vorbereitung der Amazonas-Synode erklärt. Was sie dagegen bei der Kirche suchen, sind Beistand und Verbündete bei der Verteidigung ihres Lebensraumes Wald.
“Gott stört sich nicht daran, dass es im Regenwald zwei Religionen gibt, die indigene und die christliche. Das ist unser Problem”, sagt Dominika Szkatula bestimmt. Ebenso schwierig ist für die Indigenen der Zugang zum zölibatären Priesteramt. “Die Indigenen-Vertreter sagten uns, dass sich ihre Priester nicht der Kirche unterordnen sollen”. Und warum sollen bei der Eucharistie nicht Tabak, Kokablätter und Ayahuasca statt Wein und Brot geweiht werden?
Im Oktober wird im Vatikan die Amazonas-Synode stattfinden. Dort wird es auch um die Rolle der Frauen in der Kirche Amazoniens gehen. “Hier muss sich unbedingt etwas ändern”, sagt Dominika Szkatula. “Wir Frauen leiten doch bereits Gemeinden, wir haben direkten Kontakt mit den Menschen.” Ein wenig sei sie auch müde geworden am Machismus der katholischen Kirche, davon, wie die Kirche die Arbeit der Frauen für sich ausnütze. Es fehle noch so viel auf dem Weg zur Gleichberechtigung. Und dennoch ist ihr klar: “Mein Lebensgrund ist hier in der Kirche und im Regenwald.”
Hildegard Willer