Wie immer zum Jahresende rufen wir auch diesmal wieder einige Höhe- und Tiefpunkte der vergangenen 12 Monate in Erinnerung.
Umstrittene Modifikationen des Forst- und Wildtiergesetzes
Am 11. Januar hat der peruanische Kongress zwei Modifikationen des geltenden Forstgesetzes genehmigt. Damit wurde festgelegt, dass für eine Landnutzungsänderung, also für die Umwandlung von Wald in landwirtschaftliche Fläche, zukünftig weder Bodenanalysen noch Umweltverträglichkeitsprüfungen und auch keine Vorabkonsultation der betroffenen indigenen Bevölkerung verpflichtend sind. Diverse Institutionen warnten, dass die ersten, die davon profitieren, diejenigen seien, die wegen illegaler Abholzung strafrechtlich verfolgt werden. Die Rede ist von mindestens 3000 Verfahren mit laufenden Ermittlungen, die ad acta gelegt, sprich archiviert werden könnten.
Die Reaktionen von Zivilgesellschaft, NGOs und diverser Expert*innen waren sehr kritisch, und im September übergab die Bewegung „No a la Ley Antiforestal“ (Nein zum Anti-Waldgesetz) der Regierung 33.000 Unterschriften mit der Forderung, die Modifikationen wieder rückgängig zu machen.
Fall La Oroya: Interamerikanischer Gerichtshof verurteilt Peru
Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (CIDH) hat den peruanischen Staat verurteilt, weil er zugelassen hat, dass die Metallschmelze in La Oroya die Gesundheit und die Umwelt der Bevölkerung beeinträchtigt. In La Oroya, einem Bezirk in den Zentralanden, werden seit 1922 Metalle geschmolzen und raffiniert. Dabei werden Luft, Wasser und Boden verseucht. 2006 wurde La Oroya als eine der zehn am stärksten verschmutzten Städte der Welt eingestuft. 80 Betroffene haben eine Klage eingereicht, um den Staat zur Verantwortung zu ziehen und Wiedergutmachungsmaßnahmen zu fordern.
In seinem Urteil stellt das Gericht jetzt die Verantwortung und die Versäumnisse des Staates fest. Gleichzeitig ordnete es Maßnahmen zur Wiedergutmachung an, unter anderem die kostenlose medizinische Versorgung der Opfer, grundlegende Umweltanalysen und einen Plan zur Beseitigung der Umweltschäden sowie ein Überwachungssystem für Luft-, Boden- und Wasserqualität.
Gesetzesänderung ermöglicht die Verjährung von Kriegsverbrechen
Eine Gesetzesänderung, die im August vom Parlament verabschiedet wurde, macht die Verjährung von Kriegsverbrechen möglich. Insbesondere wurde festgelegt, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die vor dem Jahr 2002 begangen wurden, nicht mehr als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gelten und daher auch nicht vor den Internationalen Strafgerichtshof kommen. Eine Folge davon ist die Straffreiheit für Verbrechen, die während des internen bewaffneten Konflikts (1980–2000) begangen wurden.
Normalerweise gilt in Peru eine Verjährungsfrist von 20 bis 30 Jahren, doch Verbrechen gegen die Menschlichkeit waren bisher davon ausgenommen. So konnten Verbrechen, die während des internen bewaffneten Konflikts stattgefunden hatten, weiterhin strafrechtlich verfolgt werden. Mit der Gesetzesänderung ist dies nicht mehr möglich. So sollen nun Gerichtsverfahren in Fällen von Mord, Vergewaltigung, Sterilisation und anderen schrecklichen Verbrechen, die in den 1980er und 90er Jahren begangen wurden, eingestellt werden. Das Gesetz verstößt jedoch gegen die Grundsätze des Völkerrechts. Bereits vor der Verabschiedung forderte der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte Peru auf, das Gesetz zu verwerfen, da es das Recht der Opfer auf Zugang zur Justiz verletze.
Großflächige Waldbrände
Im September brannte nicht nur Peru, sondern die ganze Region. Ein Problem, das sich jedes Jahr wiederholt und immer prekärer wird: Die Fläche der durch Waldbrände zerstörten Wälder und Böden hat in Peru in vier Jahren um mehr als 60 Prozent zugenommen.
Die Brände haben im ganzen Land große Betroffenheit ausgelöst. Indigene Organisationen, Berufsverbände und akademische Einrichtungen kritisierten die Untätigkeit und Ineffizienz der Regierung scharf und forderten die Mobilisierung sämtlicher Ressourcen zur Bekämpfung der Feuer. Die Regierung spielte den Ernst der Lage jedoch herunter und sprach lange von einem saisonalen Phänomen, an dem die Bevölkerung selbst Schuld sei. Auf der anderen Seite wurde mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass das neue Forstgesetz ein Katalysator für die Ursachen der Waldbrände ist.
Dina Boluarte vor dem Internationalen Strafgerichtshof angeklagt
Mehrere ehemalige Regierungsmitglieder haben Präsidentin Dina Boluarte und frühere Mitglieder ihrer Regierung vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angezeigt. Sie beschuldigen sie, für die 49 Toten und 344 Verletzten bei den Demonstrationen gegen die Regierung Anfang 2023 verantwortlich zu sein. Die meisten von ihnen waren durch Schusswaffen von Militär und Polizei getötet bzw. verwundet worden. Die Klage stützt sich auf „umfassende Berichte von Ländern und internationalen Organisationen, darunter die Vereinigten Staaten, Kanada, die Europäische Union, Australien, Neuseeland und die UNO”. Es ist bereits die zweite Klage gegen die Präsidentin vor dem Internationalen Gerichtshof. Bereits im Juni hatten die Menschenrechtsorganisationen FIDH und Aprodeh eine ähnliche Klage eingereicht.
Historisches Urteil gegen ehemalige Soldaten
Im Juni 2024 hat ein Gericht in Lima ehemalige Soldaten wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Sie hatten sich während des bewaffneten Konflikts der Vergewaltigung von Frauen schuldig gemacht. Konkret ging es um schwere Menschenrechtsverletzungen an Zivilistinnen, die zwischen 1984 und 1995 sexuell missbraucht wurden. Allerdings ist unklar, ob das Urteil zurückgenommen werden könnte – dies im Zusammenhang mit der Verabschiedung des neuen Gesetzes zur Verjährung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Tod von Alberto Fujimori
Am 11. September verstarb Alberto Fujimori, der ehemalige peruanische Staatspräsident (Amtszeit 1990–2000) – das sichtbare Gesicht der letzten autoritären Regierung Perus im 20. Jahrhundert. Der Verkauf öffentlicher Unternehmen, die Schließung staatlicher Ämter, Massenentlassungen, Korruption und die Auflösung des Kongresses 1992 waren nur einige Eckpunkte der Diktatur. Eine der schlimmste Aktionen Fujimoris war jedoch die systematische Zwangssterilisation: Schätzungsweise 300.000 Menschen, vor allem Frauen, wurden Opfer davon, insbesondere aus der indigenen und ländlichen Bevölkerung. Dennoch gibt es in der peruanischen Gesellschaft bis heute Sektoren, die die «fujimoristische Ausrichtung» der Politik guthießen und auch Fujimoris Tochter Keiko als Präsidentschaftskandidatin unterstützten. So trauerte anlässlich von Fujimoris Tod ein Teil der Bevölkerung, ein anderer feierte.
Späte Gerechtigkeit für Ashéninka aus Saweto
Vor über zehn Jahren wurden vier Ashéninka-Umweltschützer aus dem Dorf Saweto (Ucayali) von illegalen Holzfällern ermordet. Seitdem kämpfen die Hinterbliebenen und die Mitglieder von Saweto dafür, dass die Täter bestraft werden. Im April 2024 verurteilte der Oberste Gerichtshof von Ucayali die vier Schuldigen zu einer Gefängnisstrafe von 28 Jahren und einer finanziellen Wiedergutmachung in Höhe von 200.000 Soles (rund 46.000 Euro). Die Vollstreckung des Urteils wurde jedoch ausgesetzt, bis das Urteil in zweiter Instanz bestätigt wird.
Geplante Gesetzesänderungen gefährden die Arbeit von NROs
Im peruanischen Kongress wurden mehrere Vorschläge zur Änderung des peruanischen Gesetzes über die Agentur für internationale Zusammenarbeit (APCI)verhandelt. Damit soll vor allem eine stärkere staatliche Kontrolle über die finanzielle Unterstützung erreicht werden, welche Nichtregierungsorganisationen aus dem Ausland erhalten. Die neuen Beschränkungen würden es erheblich erschweren, Mittel von internationalen Organisationen zu erhalten und damit den Fortbestand vieler Projekte und Programme gefährden.
Vorgesehen ist außerdem die direkte Kontrolle durch Kongressabgeordnete. Das gefährdet die Unabhängigkeit und Neutralität von NROs und ermöglicht die willkürliche Auflösung von Organisationen ohne triftigen Grund oder ein ordentliches Verfahren. Nach massivem Druck von zivilgesellschaftlichen Organisationen und mehreren Botschaften wurde das Gesetz von der Tagesordnung des Kongresses genommen. Es ist aber unklar, ob das Projekt definitiv archiviert wurde.
Präzedenzfall: Marañón-Fluss wird zum Rechtssubjekt erklärt
Anfang November gewannen die indigenen Kukama bereits in zweiter Instanz einen Rechtsstreit mit dem Umweltministerium, der Nationalen Wasserbehörde und dem staatliche Ölkonzern Petroperu. Sie hatten sich dafür eingesetzt, dass dem Marañón-Fluss eigene Rechte zugesprochen werden. Das erstinstanzliche Urteil wurde in vollem Umfang bestätigt und Petroperu zur „effektiven, sofortigen und umfassenden“ Wartung der Ölpipeline verpflichtet. Die Richter halten die Anerkennung der Rechte des Marañón für notwendig, um ihn vor den ständigen Ölverschmutzungen zu schützen.
Ex-Präsident Toledo zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt
Am 21. Oktober verurteilten die Richter des Obersten Gerichtshofs von Lima den ehemaligen peruanischen Präsidenten Alejandro Toledo zu 20 Jahren und sechs Monaten Gefängnis. Toledo folgte damals auf den inzwischen verstorbenen Diktator Fujimori und stellte für einen Teil der Bevölkerung eine gewisse Hoffnung dar, als jemand, der aus der „Provinz“ stammte, auch wenn er in den USA gelebt hatte. Dennoch erwies auch er sich als korrupt, wie so viele Präsidenten vor und nach ihm. So nahm er Gelder der großen brasilianischen Baufirma Odebrecht an, die er dazu verwendete, Raten für sein Haus in Lima abzubezahlen.
Neue Geoglyphen in der Nazca-Wüste entdeckt
Ein Forscherteam entdeckte in der peruanischen Nazca-Wüste 303 neue Geoglyphen, womit sich die Zahl der bekannten, mehr als 2.000 Jahre alten geheimnisvollen Gebilde fast verdoppelt hat. Um diese Formationen zu entdecken, wurde eine große Menge von Geodaten aus Flugzeugen analysiert. Danach kam künstliche Intelligenz zum Einsatz, die es ermöglicht hat, die figürliche Relief-Geoglyphen zu erkennen und zu kartieren, die im Gegensatz zu riesigen, auf Linien basierenden Geoglyphen sehr schwer zu entdecken sind. Tatsächlich erfolgte die Entdeckung der neuen Zeichnungen in nur sechs Monaten, während frühere Funde mehrere Jahrzehnte benötigten. Zu den entdeckten Figuren gehören Humanoide, enthauptete Köpfe und domestizierte Tiere, im Gegensatz zu den traditionellen Geoglyphen, die in der Regel wilde Tiere zeigen und die nur vom Himmel aus zu sehen sind.