Blühender Tourismus auf dem Rücken indigener Träger

Auch in Deutschland werden Trecking-Reisen auf dem  Inka-Trail angeboten, der in vier Tagen nach Macchu Picchu führt. Die Touristen erleben dort nicht nur eine aufregende Kulturlandschaft, sondern erfahren das Erbe des Kolonialismus in einer für sie sehr angenehmen Art: sie brauchen weder ihren Rucksack noch Zelt oder Proviant für die vier Tage selber tragen. Das erledigen einheimische Träger. Die Luxus-Varianten dieser Trekking-Touren erinnern an die Beschreibungen aus absoluten Monarchien vergangener Jahrhunderte: vier Bedienstete auf einen Touristen, dem warmes, abgekochtes  Wasser ans Zelt getragen wird, damit er sich waschen kann auf 4000 Meter Höhe. Fehlt nur noch die Sänfte!

Für eine 14- tägige Trekking-Reise nach Macchu Picchu, von Deutschland aus organisiert, darf der Tourist gut und gerne 5000 Euro blechen (inkl. Flüge). Die Träger, die vier Tage lang das Gepäck Hunderte von Höhenmetern rauf und runtertragen , bekommen dafür gerade mal 50 Euro. Obwohl die Tourismusindustrie mit dem Erbe der Inkas sehr erfolgreiche Werbung macht, stehen die realen Nachfahren der Inka am hintersten Ende der Wertschöpfungskette im Tourismus.

Nachfolgend hat InfoPeru einen Beitrag von  Ollantay Itzanmá aus dem Nachrichtendienst Servindi übersetzt, der die Situation der indigenen Träger auf dem Inka Trail schonungslos darstellt. (HW)

“Narciso Huamán ist 49 Jahre alt, quechuasprechend aus einem Weiler oberhalb von Olantaytambo (Urubamba) und kann nur wenig lesen und schreiben. Seit 20 Jahren arbeitet er als Lastenträger auf dem 42 km langen Inca Trail.

Er, wie auch seine Kollegen, kennen keine Arbeitsrechte. Er kennt weder den Beistzer des Reisebüros, für das er arbeitet, noch eine staatliche Stelle, bei der er sich wegen der ständigen Ausbeutung beschweren kann. Er leidet still und ohnmächtig. Denn er braucht für sich und seine Familie die 40 Soles (14 US-Dollar), die er täglich bekommt, im Austausch dafür, dass er auf seinem Rücken das Gepäck, das Essen, die Getränke und die Zelte (zwischen 25 und 28 Kilogramm) für die Touristen trägt, die sich am üppigen und magischen Inka Trail ergötzen.

Die Reisebüros verlangen bis zu 900 US-Dollar pro Person für die Teilnahme am Inca Trail. Nach Machupicchu und Ollantaytambo kommen in der Hochsaison täglich zwischen 4000 und 6000 Toruisten. Der Eintritt zu den Höhen des Heiligtums von Machupicchu kostet ca. 40 US-Dollar pro Person (unabhängig ob Peruaner oder Ausländer), und die Eintrittskarte kann man nur via Internet kaufen.

Während Don Narciso uns die entwürdigenden Umstände erzählt, unter denen sie das  Gepäck tragen, sagt er in quechua:“Disculpaywanki. Huasinchispi alqhonchisraqmi noqhaykumantaqha aswan allinta mijunpas…” (“Entschuldigen Sie bitte. Unsere Hunde zu Hause essen besser als wir”). Don Narcisos Augen füllen sich mit Tränen des Schmerzes, wenn er die unwürdigen Bedingungen schildert, unter denen sie das Gepäck der Touristen auf dem Inca Trail tragen.

“Wir tragen zwischen 25 und 28 Kilo , 4 Tage lang. Wir tragen das beste Essen und Trinken auf unseren Rücken. Aber wir bekommen nur Reis und schlecht gekochte Nudeln zum Essen. Wir essen und schlafen auf dem feuchten Erdboden, ungeschützt vor Regen. Wir leiden Hunger. Wenn wir krank werden, kommt kein Arzt. Wenn die Touristen etwas Essen übrig Lassen, streiten wir Träger uns um die Reste (…)”.

“Im ganzen sind wir fast eine ganze Woche von zu Hause weg, wenn wir die An- und die Heimreise in unsere Dörfer mitrechnen. Aber das Reisebüro zahlt uns nur zwischen 160 – 180 Soles (knapp 50 Euro) für die vier Tage, in denen wir tragen. Sie zahlen uns keine Heimfahrt. Unter diesen Bedingungen arbeiten wird. So werden wir alt und sterben wir. Oft werden wir schlecht behandelt und verachtet, weil wir Indigene sind, nicht nur in Städten wie hier in Ollantaytambo sondern sogar auf dem Inca Trail und in Macchu Picchu (….)“

Diese gekürzten Zitate stammen nicht aus einer Chronik der Kolonialzeit. Es ist ein in Quechua erzähltes Zeugnis von einem der über 100 indigenen Sklaven der modernen Tourismusindustrie des 21. Jahrhunderts. Die zum Himmel schreiende Versklaverei der Träger des 16. Jahrhunderts ist mit der Republik nicht besser geworden, und noch weniger in der neoliberalen Modern

Nur wer Spanisch kann, darf Macchu Picchu betreten

In Macchu Picchu selber einem Ort der für Ausländer und Spanischsprechende angelegt ist, ist die Situation für quechausprechende Indigenas noch schlimmer.

Daniel Paucar, ein junger mutiger Quechua aus Ollantaytambo, begleitete eine Gruppe junger und älterer Indigena-Frauen aus Ollantaytambo zum ersten Mal nach Macchu Picchu.

Alle Frauen trugen ihre traditionellen bunten Röcke und Tücher. Am Einlasstor zu Macchu Picchu wurden diese 16 Frauen und ihr Gepäck aufs genaueste durchsucht. Ihr mitgebrachtes Essen und Trinken mussten sie an der Pforte lassen. Gleichzeitig kamen und gingen peruanische und ausländische Touristen mit Rucksäcken und Taschen, ohne dass irgendjemand sie durchsucht hätte.  Als Daniel  eine der Kontrolleurinnen am Einlass fragte, warum sie nicht auch die Gringos, die Ausländer, durchsuchen würde, antwortete die Angestellte des Macchu Picchu Komplexes: „Die Ausländer verstehen, was man ihnen sagt. Deswegen müssen wir sie nicht durchsuchen“. Zur gleichen Zeit standen  Touristen und ihre Führer Schlange, um Fotos zu machen von den farbig gekleideten Indigena-Frauen, die wiederum den Fotografen zu entkommen suchten.

In den Augen der neoliberalen peruanischen Mestizen sind wir Indigenas immer noch dumm und unfähig, etwas zu verstehen. Während in ihren Augen die idealisierten Ausländer alles verstehen.

Die blühende Tourismusindustrie schreibt sich die „jahrtausende alte Inka-Erbe Perus“ auf ihre Fahnen,  während sie die tatsächlichen Indigenas – die legitimen Erben des Inka-Reiches – bespuckt und verachtet und sie in der Exklusion und im institutionalisierten Rassismus belässt. Kann es eine grössere Scheinheiligkeit und Irrationalität geben ?“

Von Ollantay Itzanmá. Er begleitet die Indigena-Organisationen in der Maya-Zone. Mit 10 Jahren hat er Spanisch gelernt, als er die Schule, die Strasse, das Rad kennenlernte. Er schreibt seit 10 Jahren, nicht gegen Geld, sondern dafür, dass er Gedanken in Worte fasst, die aus den Beiträgen vieler entstanden sind, die kein Recht auf Schrift haben.

bersetzt aus Servindi vom 15. Dezember 2013   http://servindi.org/actualidad/97748)