Editorial InfoPeru Nr. 78

Liebe Leserin, lieber Leser des Infoperu,

die Flitterwochen des neuen Präsidenten Pedro Castillo dauerten genau einen Tag.

Nachdem er in seiner Antrittsrede versöhnliche Töne angeschlagen hatte, brachte die Ernennung eines Mitglieds aus dem inneren Zirkel der Partei Peru Libre die Realpolitik wieder zurück. Und um die ist es schlecht bestellt: auf der einen Seite eine Minderheitsregierung, bei der nicht klar ist, wie sehr der amtierende (und bisher sehr schweigsame) Präsident Castillo vom Parteivorsitzenden Vladimir Cerron – einem marxistisch-leninistischen Provinzcaudillo – abhängig ist. Auf der anderen Seite im Kongress eine Opposition von mindestens drei rechten Parteien (Fuerza Popular, Renovacion Popular, Avanza Peru), die bereits Säbel wetzen, um Minister, den Premier und danach den Präsidenten abzusetzen. Am 26. August muss der Premier Guido Bellido sein Kabinett vom Parlament absegnen lassen – dies wird eine erste Feuertaufe sein. Eine ausführliche Analyse von Andreas Baumgart zu den ersten Wochen der neuen Regierung können Sie in diesem InfoPeru nachlesen.

Währenddessen steigt in Peru der Dollarkurs und damit auch die Preise für Lebensmittel – beides eine starke Belastung für die von der Corona-Pandemie stark gebeutelte Bevölkerung. Zwar dürfte ein Teil des Preisanstiegs auf die weltweite Konjunktur zurückzuführen sein; ein anderer Teil geht aber wohl auch auf die Kappe einer Regierung, die sehr widersprüchliche Zeichen von sich gibt.

Zugleich baut sich auch in Peru die dritte Corona-Welle auf. In Lima, Callao und Tacna sind inzwischen über 30% der Bevölkerung zweimal geimpft, in anderen Landesteilen noch sehr viel weniger Menschen. Zuletzt zeichneten sich beim Nachschub des Impfstoffs erste Engpässe ab.

Besonders die Schulkinder leiden in Peru: die Regierung hat den Präsenzunterricht für den Rest des Jahres 2021 ausgesetzt. Damit haben Perus Schüler*innen nun bald zwei Jahre keinen Klassenraum, keine Klassenkamerad*innen und keine Lehrer*in getroffen – ausser auf dem Handy oder dem Tablet.

Es ist eine Zeit der Ungewissheit in Peru, sowohl in politischer Hinsicht wie auch im Blick auf die Corona-Pandemie. Mit der Infostelle werden wir die weiteren Entwicklungen sehr genau im Auge behalten und davon berichten.


Hildegard Willer
(Redakteurin InfoPeru)