Editorial InfoPeru Nr. 38

Liebe Leserin, lieber Leser,

Aus Anlass des Treffens der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds Anfang Oktober in Lima gingen Hunderte von Peruanern  bei einem Protestmarsch auf die Straßen der Innenstadt; ihr Motto „Desmintiendo el Milagro Peruano“ (das peruanische Wirtschaftswunder –eine Lüge!) war unter anderem von dem Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stieglitz gegeben.

Diese als „Verlogenheit“ deklarierte und von der Regierung und Wirtschaft gefeierte boomende Wirtschaft beruht u.a. auf Großprojekten in der Infrastruktur und dem Bergbau. Dass dabei häufig Korruption im Spiel ist, war seit den Regierungen Fujimori und Alan Garcia bekannt. Aber auch in der jetzigen Regierung sind etwa für Staudämme und Straßenbau, welche z.B. durch das brasilianische Großunternehmen Odebrecht durchgeführt wurden, reichlich „Taschengelder“ an Staatsbeamte und Politiker geflossen. In einem Interview mit der Zeitschrift der NGO IDEELE gibt der ehemalige Bundesstaatsanwalt Avelino Guillén Einblick in diesen Sumpf – es wird interessant sein, ob die peruanische Justiz den weiter aussitzt oder endlich tätig wird. –

Das „Wirtschaftswunder“ ist aber auch durch das massive Eingreifen von Polizeikräften etwa bei der Durchsetzung von Bergbauprojekten erkauft: In Las Bambas in der Region Apurimac wurden bei Protestmassnahmen gegen die Umweltverschmutzung durch die Kupfermine vier Menschen getötet und 23 verletzt. Eine Ursache war auch die EIA (Umweltverträglichkeitsstudie), welche von den Menschen vor Ort als falsch angesehen wird und deshalb eine neue Untersuchung der Umweltschäden unter Einbeziehung der Bevölkerung gefordert wird.
Aber dazu müsste u.a. endlich der von der Regierung Humala ins Leben gerufene SENACE (Servicio Nacional de Certificación Ambiental) , der nationale Dienst für Umweltzertifizierung, seine Funktion übernehmen. Bereits im Jahr 2012 wurde der SENACE gegründet, hat aber weder die nötigen finanziellen Mittel noch das geeignete Personal für seine für das Land doch so wichtige Aufgabe. Die bergbaukritische NGO CooperAccion schreibt dazu, dass diese unverständliche Verzögerung zurückzuführen sei auf den Widerstand der zuständigen Behörden, auf den Druck der involvierten Unternehmen und die Zögerlichkeit des Staates, was eine durchsetzungsfähige und starke SENACE verhindert. – Sozio-ambientale Konflikte werden in Peru weiterhin nicht durch Dialog, durch Anhörung und Einbeziehung der betroffenen Bevölkerung gelöst. Der nationale zivilgesellschaftliche Menschenrechtsrat CNDDHH beklagt deshalb auch die überzogene Gewalt von Polizei und Armee gegen Proteste, Streiks und Blockaden gegen Bergbauaktivitäten; seit Beginn der Amtszeit Humalas im Jahr 2011 bis heute sind bei solchen Konflikten in verschiedenen Landsteilen 50 Menschen getötet worden!
Die Mobilisierung gegen das „Wirtschaftswunder“, welches eben auch auf Korruption, Umweltschädigung und Gewalt beruht und auch der breiten Bevölkerung sehr wenig an echter Verbesserung ihres Lebens bringt , ist ein sichtbares Anzeichen, dass es auch in Peru nicht mehr ganz so selbstverständlich ist, an ein Wunder zu glauben! Es hat sich eine alternative Plattform gebildet, welche sich nun das „Desmintiendo el Milagro Peruano“ zum Ziel gesetzt hat. Wir sind gespannt, was wir von der Arbeit dieser Plattform hören werden und sind bereit, ihre Mitteilungen zu verbreiten!
Viel Spaß beim Lesen unsere neuen InfoPeru!
Mechthild Ebeling