© Leslie Moreno Custodio
Daisy Esteban sammelt Holzbretter, um Feuer zu machen. In Jicamarca/San Juan de Lurigancho/Lima. (© Leslie Moreno Custodio)
Am offenen Feuer zu kochen ist billiger. Aber der Rauch schädigt auch die Gesundheit der Frauen. (© Leslie Moreno Custodio)
Nur 25% der Lebensmittelspenden für die Volksküche sind Proteine, Obst oder Gemüse (© Leslie Moreno Custodio)
In 29 Distrikten von Lima haben sich mehr als 600 Gemeinschaftsküchen (ollas comunes) registriert. (© Leslie Moreno Custodio)
Daisy notiert in ihrem Heft, wer zur Gemeinschaftsküche kommt. (© Leslie Moreno Custodio)
65% der Gemeinschaftsküchen in Lima haben nur Lebensmittel, um eine Mahlzeit pro Tag zuzubereiten. (© Leslie Moreno Custodio)
Die Volksküche "Solidarische Hände" in Villa Maria de Triunfo/Lima versorgt jeden Tag 100 Personen. (© Leslie Moreno Custodio)
Lucia Farfan und die anderen Frauen, die die Gemeinschaftsküche in San Pablo Mirador/Pachacamac/Lima betreiben. Vor Corona haben sie alle als Hausangestellte gearbeitet. (© Leslie Moreno Custodio)

Die Solidarität der Gemeinschafts- und Volksküchen

Tausende von Frauen kämpfen in der Pandemie gegen Hunger und staatliche Vernachlässigung.

In der Gesundheitskrise sind Hunderte neuer Gemeinschaftsküchen entstanden. Sie stehen in einer langen Tradition der Frauenselbstorganisation, die in den 1980er Jahren während Wirtschaftskrise mit den Volksküchen (Comedores) begann. In der Zeit des bewaffneten Konfliktes und der diktatorischen Regierung Fujimori, in der viele traditionelle Organisationen der soziale Bewegung fast gänzlich verschwunden sind, waren die Frauenorganisationen nahezu die einzigen, die Proteste organisierten und die Hoffnung auf einen Politikwandel aufrechterhielten. Ihr Motto war: „gegen Hunger und Terror”. Jetzt, in der Gesundheitskrise, knüpfen Frauen an diese Bewegung an.

Im Folgenden ein Beitrag des Nachrichtenportals Salud con lupa über die neuen Gemeinschaftsküchen. Der Text und die Fotos sind von Leslie Moreno Custodio

Angesichts eines mit der Pandemie überforderten Staates ist eine Gruppe peruanischer Frauen angetreten, eines der größten Probleme der Krise anzugehen: den Hunger in den am stärksten gefährdeten Gebieten der Hauptstadt.

In den schlimmsten Monaten des Gesundheitsnotstands begannen in den ärmsten und entlegensten Gebieten Limas Hunderte von weißen Flaggen zu wehen. Sie waren ein stiller Hilferuf: ein Symbol für den Hunger in den Häusern, bei denen die staatlichen Hilfen nie erreicht wurden. Bald verbreitete sich an den Stadträndern die schlimme Gewissheit, dass Hunger mehr töten kann als ein unbekanntes Virus. In einem Land, in dem fast sieben Millionen Menschen durch die Pandemie ihren Arbeitsplatz verloren haben, ist die Unsicherheit, nicht genug zu essen zu haben, zu einem dringenden und massiven Problem geworden. Aus diesem Grund organisiert sich seit einigen Monaten eine Gruppe von Frauen aus verschiedenen Distrikten freiwillig, um mit Hilfe von Spendengeldern etwas gegen den schrecklichen Hunger Tausender von Peruaner*innen zu tun.

Sie versammeln sich, verwalten die Lebensmittel und kochen Mahlzeiten, im Wissen um die Skrupellosigkeit hunderter Beamter, die sich laut Kontrollbehörde die für die bedürftigsten Haushalte vorgesehenen Lebensmittelpakete unter den Nagel gerissen haben. Nach Angaben der Stadtverwaltung von Lima gab es bis Ende September 622 Gemeinschaftsküchen (Olla comunitaria = wörtlich „Gemeinschaftseintopf“) in 29 Bezirken, die zur Ernährung von mehr als 70.000 Bürger*innen beitragen, davon fast 19.000 Kinder unter fünf Jahren.

Der Ernährungsnotstand erfordert jedoch nicht nur eine flächendeckende Versorgung, sondern vor allem eine ausgewogene Ernährung. Die Küchen haben viele Privatspenden erhalten, allerdings waren 75 Prozent davon Kohlenhydrate und nur 25 Prozent Proteine, Obst und Gemüse. Ohne öffentliche Mittel wird diese Initiative auch weiterhin von der Selbstverwaltung und der Tatkraft von Frauen abhängen, die ihre Gesundheit riskieren und ihre Zeit opfern, um die vom Staat hinterlassene große Lücke zu füllen. “Es gab zwar vereinzelte Bemühungen, aber keine umfassende Strategie. So kann man keine offizielle Politik formulieren”, sagt Eduardo Zegarra, Mitglied der Forschungsgruppe Grade (Grupo de Análisis para el Desarrollo). Aufgrund der mangelnden staatlichen Unterstützung gibt es auch keinen Überblick darüber, wen die Gemeinschaftsküchen erreichen und ob sie über ausreichend Lagerkapazitäten verfügen.

Viele der Frauen in den Gemeinschaftsküchen waren vor der Pandemie Hausangestellte. Als der Gesundheitsnotstand eintrat, stellten ihre Arbeitgeber sie vor die Wahl: entweder blieben sie für die Dauer der Krise bei ihnen im Haus oder sie verloren ihren Arbeitsplatz. “Sie sagten mir, ich solle weitermachen, aber nicht nach Hause gehen, bis all dies vorüber ist. Sie haben nicht daran gedacht, dass ich einen Sohn im Teenageralter habe, dass ich einen Partner habe, gar nichts. Und obendrein wollten sie mir sehr wenig bezahlen”, sagt Isabel Ccancce. Neben der Arbeit als Hausangestellte müssen sich die Frauen auch um die Erziehung und Betreuung der eigenen Kinder kümmern. Diese Doppelbeschäftigung wird ihnen in der Regel automatisch und ohne jede Art von Rücksichtnahme abverlangt. Nach Angaben der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik bringen Frauen dreimal so viel Zeit für unbezahlte Arbeit wie Männer auf – eine Belastung, die fast immer die Armen betrifft.

Wie die meisten Initiativen berechnen die Gemeinschaftsküchen einen Sol (25 Cent) pro Teller Essen – weniger als der Normaltarif im öffentlichen Verkehr. Wer sich diesen Betrag nicht leisten kann, hilft als Gegenleistung beim Abwasch oder unterstützt auf andere Weise.

Eine der schwierigsten Aufgaben ist es, das Holz zum Feuermachen zu besorgen. An den Hängen der Hügel von San Juan de Lurigancho, Pachacamac und Villa María del Triunfo – den Stadtvierteln, in denen sich viele Gemeinschaftsküchen befinden – findet man als “Brennholz” nur Holzbretter unter den Abfällen auf den Straßen. Sie werden zu Tagesbeginn gesammelt, mehr als hundert Menschen werden damit an einem einzigen Arbeitstag ernährt. “Hier helfen wir uns alle gegenseitig, denn das ist für alle. Manchmal sind wir mutlos, wenn es keine Lebensmittel gibt, aber wir machen trotzdem weiter. Wenn es heute nichts zu essen gibt, dann gibt es morgen etwas”, sagt Lourdes Sosa, Mitglied der Gemeinschaftsküche in Villa María del Triunfo.

Im Juli dieses Jahres wurde im Kongress ein Gesetzentwurf eingebracht, mit dem ausnahmsweise die Gemeinschaftsküchen anerkannt werden sollten. Ziel war, sie bis zwölf Monate nach Ende des Gesundheitsnotstands in das Gesetz 30790, das Gesetz über die Volksküchen, aufzunehmen. Doch der Gesetzentwurf wurde angesichts einer Reihe politischer Skandale vergessen.

Während sich die Behörden in lächerliche Auseinandersetzungen verstricken, teilen sich die Frauen in den Gemeinschaftsküchen ihre Zeit zwischen der Betreuung ihrer eigenen Kinder und der freiwilligen Mitarbeit beim Kochen für Hunderte von Nachbar*innen auf. Es ist nicht nur eine Frage der Solidarität, sondern etwas viel Elementareres: die Überzeugung, dass ohne ihre Arbeit viele Menschen nicht überleben könnten. In einem der Länder mit der höchsten Sterblichkeitsrate von Covid-19 verschärft der Hunger nicht nur die Krise, sondern ist auch ein Beleg für die unüberwindbare Kluft zwischen den Regierenden und dem Volk.


Text und Fotos: Leslie Moreno Custodio

Übersetzung: Annette Brox


https://saludconlupa.com/noticias/el-auxilio-de-las-ollas-comunitarias-la-lucha-de-cientos-de-mujeres-contra-el-hambre-en-la-pandemia/