Die Shipibo-Konibo-Gemeinde von Lima und ihr neuer Bürgermeister

Im Herzen Limas, zwischen Cerro San Cristóbal und dem Regierungspalast, kämpfen mehr als 226 Familien des Shipibo Konibo-Volkes um ihr Recht auf Entschädigung und menschenwürdiges Wohnen. Seitdem im vergangenen Jahr eine neue Schnellstrasse des Projekts Línea Amarilla vor ihrer Haustür in der Siedlung Cantagallo gebaut wurde, lebt die Gemeinde mit zahlreichen negativen Folgen dieses Infrastrukturprojektes. Dafür sollte sie entschädigt und umgesiedelt werden, so wie zahlreiche andere Familien, die von diesem Megaprojekt betroffen sind.
Die Shipibo-Konibo Gemeinde aus Cantagallo benötigt jedoch eine Form der Entschädigung, die auch ihren indigenen Rechten entspricht – somit kommt nur ein gemeinsame Umsiedlung in Frage, damit die Familien weiterhin in Gemeinschaft leben und so ihre Traditionen bewahren können. Diese Tatsache wurde von der vorherigen Stadtregierung erkannt, so dass die Umsiedlung in einen dafür zu bauenden Wohnkomplex mit Gemeindelokal und Schullokal in einem neuen Projekt fest abgemacht wurde: Río Verde, Grüner Fluss, sollte der neuen Wohnkomplex für die Shipibo-Konibo-Gemeinde heissen. Das Projek sah die Wiedergewinnung des Rimac-Tals im historischen Stadtzentrum vor, wofür in Cantagallo ein großer Park errichtet werden sollte. Auch wurde ein Treuhandfond mit Geldern des Bauunternehmens eingerichtet, aus dem die Umsiedlung der Gemeinde sowie andere Komponenten des neuen Projekts finanziert werden sollte.

Neuer Bürgermeister Castaneda lehnt Projekt ab
Das Río Verde-Projekt kam aber nie aus den Kinderschuhenhe heraus, und der neue alte Bürgermeister Luis Castaneda hat dies zum Anlass genommen, das Projekt kurzerhand für nicht existent erklärt und die Gelder des Treuhandfonds für etwas anderes benutzt. Mit dem Geld soll nun eine Umgehungsstrasse an einer sehr belebten Kreuzung im Zentrum von Lima gebaut werden.  Während der Bürgermeister das Fehlen von technischen Studien und Genehmigungen für Rio Verde als Rechtfertigung für dessen Aussetzung anführt, übergeht er, dass die Umgehungsstrasse auch keine Studien vorlegen kann, und dennoch seit Ende März im Bau ist.
Diese Situation ist besonders beunruhigend für die Shipibo Konibo-Gemeinde, da nun die Gelder für ihren Wohnkomplex fehlen. Am 24. März forderte die Gemeinde in einem notariellen Schreiben an den Bürgermeister die versprochene Umsiedlung – ohne Erfolg.   Erst nachdem die Gemeinde am 09. April vor dem Rathaus protestierte, wurden ihre Vertreter von der stellvertretenden Bürgermeisterin Patricia Juárez empfangen. Das Ergebnis war die Eröffnung eines Dialogs, dessen erste Sitzung  am 15. April dazu dienen sollte, dass die Stadtregierung die Gemeinde über die Situation des Umsiedlungsprojekts (samt Treuhandfonds) informiert.
Am 15. April  haben die anwesenden Vertreter der Stadtverwaltung aber wieder keine Informationen und entsprechende Dokumente vorgelegt. Sie haben jedoch die Absicht der Stadtregierung kundgetan, an der Umsiedlung der Gemeinde festzuhalten und diese (nun mit anderen Mitteln) zu befördern. Es wurden zwei weitere Termine für April festgelegt, um zuerst die anstehenden Informationen zu übermitteln und anschließend Lösungsstrategien zu erörtern. Wenn jedoch an dem Termin keine konkreten Umsetzungspläne für die Umsiedlung bekannt gegeben werden, dann wird die Shipibo-Konibo-Gemeinde eine Verfassungsbeschwerde gegen die Stadt einreichen. Die rechtliche Begründung ist klar: Die Stadt Lima verletzt das Recht auf Entschädigung, wenn sie  die Umsiedlung unterlässt.
Der neue Bürgermeister Luis Castanedaist zwar bereits über 100 Tage im Amt, aber die Zukungt der Gemeinde von Cantagallo ist genauso ungewiss wie die der gesamten Stadt. Die Missachtung des Wohnprojektes Rio Verde ist eine in einer ganzen Reihe von städtischen Massnahmen , die eher wie politischer Revanchismus anstatt planmäßiger Stadtpolitik wirken.

Isabel Urrutia