Die Glencore-Mine im peruanischen Cerro de Pasco war eines der Hauptbeispiele der Initianten der Kampagne (© Hildegard Willer)

Die Schweiz darf weiter Menschenrechte verletzen

Am 29. November hat das Schweizer Stimmvolk die Konzern-Initiative knapp abgelehnt, welche Schweizer Konzerne dazu verpflichten wollte, Umweltstandards und Menschenrechte auch im Ausland einzuhalten – zum Beispiel in Peru.

 

Am 29. November wurde in der Schweiz über die Konzern-Initiative abgestimmt. Die Initiative, die durch ein Volksbegehren zu Stande kam, forderte – wie die Initiative Lieferkettengesetz in Deutschland –  dass sich transnationale Konzerne mit Sitz in der Schweiz bei ihrer Tätigkeit im Ausland an internationale Umweltstandards und Menschenrechte halten müssen. Für Verstöße sollten sie haftbar gemacht werden können – und zwar vor einem Schweizer Gericht. Dies hätte die Rechtslage von Betroffenen in Peru und vielen anderen Ländern des Globalen Südens drastisch verbessert, da gesetzliche Bestimmungen vor Ort oft umgangen werden. «Die peruanische Regierung macht sich zur Verbündeten der Konzerne, gerade im Bergbausektor, und viele Richterinnen und Staatsanwälte kooperieren. Kein Anwalt wagt es, eine Anzeige gegen einen Bergbaukonzern zu machen, denn er hat Repressalien zu befürchten und wird wahrscheinlich keine Klientinnen und Klienten mehr finden», sagte Oscar Mollohuanca, der ehemalige Bürger von Espinar (Cusco), im Vorfeld der Abstimmung.

 

Die Einwohner*innen von Espinar und Cerro de Pasco leiden seit Jahrzehnten unter den Bergbauaktivitäten des Schweizer Multis Glencore. Durch die Förderung von Metallen wie Kupfer werden in den umliegenden Orten landwirtschaftlich genutzte Böden, Flüsse und die Luft verschmutzt, und die Menschen sind einer so starken Belastung durch Schwermetalle ausgesetzt, dass viele von ihnen an chronischen Krankheiten leiden. Dies ist durch Studien des peruanischen Gesundheitsministeriums belegt, doch rechtliche Handhabe haben die Betroffenen in der Praxis dennoch nicht. «Wenn die Konzern-Initiative dazu führt, dass unsere Situation von Gerichten beurteilt wird, die unabhängig und auf Grund von Beweisen urteilen, wäre das eine große Erleichterung für uns, denn Beweise gibt es zur Genüge», betonte Oscar Mollohuanca im September.

 

Auch Jaime Borda, Generalsekretär der peruanischen NGO Red Muqui, welche indigene Gemeinden bei ihrem Kampf gegen den Bergbau begleitet, bestätigt dies: «Die Konzern-Initiative war sehr wichtig und wertvoll, denn die Gesetzgebung in Peru bevorzugt den Bergbausektor. Außerdem funktionieren die Kontroll- und Sanktionsmechanismen nicht immer, und Fälle werden verschleppt.» Durch eine Annahme der Initiative hätte man sich auf rechtliche Instanzen in der Schweiz berufen können und wäre nicht der flexiblen Rechtsprechung in Peru ausgeliefert gewesen.

 

Schweizer Arbeitsplätze sind wichtiger als Menschenrechte

Der 29. November wird deshalb nicht nur für die Unterstützer*innen der Konzern-Initiative in der Schweiz als schwarzen Tag in die Geschichte eingehen, sondern vor allem auch für die zigtausenden von Menschen, die weltweit unter den gravierenden Schäden leiden, welche Schweizer Firmen vor Ort anrichten. Mehr als 130 Schweizer NGOS sowie verschiedene kirchliche, genossenschaftliche und gewerkschaftliche Vereinigungen hatten die Initiative unterstützt, die 2016 mit über 120.000 Unterschriften eingereicht wurde. Die Wirtschaftslobby lancierte jedoch eine starke Gegenkampagne, an welcher sich auch die Schweizer Regierung beteiligte. Justizministerin Karin Keller-Sutter zum Beispiel warnte, dass durch die Annahme der Initiative Schweizer Arbeitsplätze und der Schweizer Wohlstand gefährdet wären. Dies war bereits in vielen Abstimmungskämpfen ein Totschlag-Argument gewesen, dem gegenüber der Aufruf zu Humanität und Verantwortungsübernahme nur noch zweite Priorität einnahm. Schlussendlich fehlten für die Annahme der Initiative nur 6000 Stimmen aus vier Kantonen. Mit 50,7 Prozent Ja-Stimmen wurde zwar eine knappe Mehrheit erreicht, doch die Annahme der Initiative scheiterte am so genannten Ständemehr, welches besagt, dass in mehr als der Hälfte der 26 Schweizer Kantonen eine Mehrheit zu Stande kommen muss.

 

Trotz der Niederlage hat die jahrelange Kampagnenarbeit das Thema Konzernverantwortung in die Medien gebracht und offenbar mindestens die Hälfte der Schweizer Bevölkerung dafür sensibilisiert, dass der ausbeuterischen Logik der globalen Beziehungen ein Ende gesetzt werden muss.

 

Nicole Maron

 

Nicole Maron ist Journalistin und Fachperson von Comundo in Puno. Mehr Texte zur Konzern-Initiative und anderen Themen findet man auf ihrem Blog www.maron.ch