Wenn Peruaner Deutsche werden

Peruaner, die Deutsche werden wollen, müssen ihre peruanische Staatsbürgerschaft ablegen. Ein europäisch-peruanisches Anwaltskollektiv sucht neue Wege, um auch Doppelbürgerschaften zu ermöglichen.

Eines der relevantesten Themen für die in Deutschland lebenden Peruaner ist, dass sie als Voraussetzung für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung zur Aufgabe der peruanischen Staatsangehörigkeit verpflichtet werden.

Die Gründe, die Peruaner zur Einbürgerung motivieren, sind vielfältig: die Verwurzelung nach langjährigem Aufenthalt in Deutschland, die Identifikation mit der Gesellschaft oder die Familiengründung. Darüber hinaus kann auch die reibungslose Ausübung eines international ausgerichteten Berufes die Einbürgerung vieler Peruaner motivieren: Peruanische Fachkräfte müssen schwerfälligste Visa-Verfahren für Länder wie England, die USA oder für asiatische Länder durchlaufen, die ihre deutschen Kollegen für den Antritt von Geschäftsreisen nicht benötigen. Ein weiterer Grund für die Einbürgerung von Peruanern ist die Sicherheit, die man als deutscher Staatsangehöriger und damit als europäischer Staatsbürger hat, in allen Ländern der Europäischen Gemeinschaft leben und arbeiten zu können.

Strenges Verbot von Doppelstaatigkeit

Jedoch folgt das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht einem strengen Verbot der Doppel- oder Mehrstaatigkeit, weshalb die einbürgerungswilligen Ausländer bei Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit die ursprüngliche aufgeben müssen. Dieses Prinzip wird dennoch durch unterschiedliche Umstände gebrochen: Deutschland erlaubt beispielsweise die doppelte oder mehrfache Staatsbürgerschaft, wenn Antragsteller Staatsangehöriger von Ländern der Europäischen Gemeinschaft oder der Schweiz sind oder wenn sie den Status von Asylsuchenden, Flüchtlingen, Aussiedlern oder Spätaussiedlern haben. Weiterhin erlaubt Deutschland die Beibehaltung der Herkunftsstaatlichkeit, wenn das Herkunftsland die Aufgabe dessen Staatsangehörigkeit nicht vorsieht, die Entlassung in der Regel ablehnt oder wenn dem Verfahren für die Entlassung trotz Bemühungen des Antragstellers unzumutbare Bedingungen entgegenstehen. Auch wird die Beibehaltung erlaubt, wenn die Entlassung nicht in angemessener Zeit entschieden wird oder wenn die Kosten für dieses Verfahren das durchschnittliche monatliche Nettogehalt des Bewerbers übersteigen. Aus diesen Gründen können Bürger mehrerer ausländischer Staaten bei der Einbürgerung ihre Herkunftsstaatlichkeit behalten. Laut Statistiken können fast 50 Prozent der Eingebürgerten ihre Herkunftsnationalität auf diese Weisen behalten. Nicht jedoch die Peruaner, da die Verfassung Perus ausdrücklich das Recht vorsieht, auf die peruanische Staatsangehörigkeit zu verzichten und zwar durch ein einfaches Verwaltungsverfahren.

Peruaner, die auf die peruanische Staatsangehörigkeit verzichten, wenden sich jedoch von ihren finanziellen oder sozialen Interessen in Peru nicht ab, der Verzicht bedeutet nicht einmal, dass diese (nicht mehr) Peruaner aufhören, Botschafter ihrer Kultur in ihrem Gastland zu sein. Vielmehr könnte man sagen, dass diese Bürger durch die Einbürgerung Brücken zwischen den beiden Kulturen und Gesellschaften bilden.

Schwierigkeiten in Peru

Jedoch verursacht der Verzicht auf die Herkunftsstaatsangehörigkeit bei den Peruanern vielerlei Schwierigkeiten: Bei der peruanischen Verwaltung erscheinen sie nicht mehr in den Meldesystemen, weshalb sie bei Verfahren wie beispielsweise einer Erbschaftsnachfolge die Identitätsgleichheit mit den „früheren Peruanern“ beweisen müssen. Ebenso ist die Eröffnung von Bankkonten für einen Ausländer in Peru sehr umständlich und in angesichts dessen, dass die Auslandsperuaner -aus der ganzen Welt- jährlich ca. 2.800 Millionen Euro nach Peru versenden, um ihre Familien wirtschaftlich zu unterstützen, ist die Eröffnung eines Kontos in Peru für sie von großer Bedeutung. Auch wird die Ausübung der Vertragsfreiheit eingeschränkt, indem der Abschluss von manchen Verträgen durch Ausländer von der Erteilung einer Genehmigung der Ausländerbehörde Perus abhängig gemacht wird.

Auch wenn Deutschland an seinem Grundsatz des Verbots der Mehrstaatigkeit festhält, so kann man im Laufe der Zeit eine Änderung der Perspektiven bei der Gesetzgebung in immer mehr Ländern beobachten, in denen für die Einbürgerung die Aufgabe der Herkunftsstaatsangehörigkeit zuvor erforderlich war, die doppelte Staatsbürgerschaft jedoch nunmehr erlaubt ist. Dies ist der  Fall von Norwegen, das seit 2020 die Mehrstaatlichkeit in seinen Gesetzen vorsieht. Dies öffnet den Peruanern, die dort im Rahmen deren Einbürgerung auf die peruanische Staatsangehörigkeit davor verzichten mussten, die Möglichkeit, die peruanische Bürgerschaft zurückzuerhalten, ohne die Gesetzgebung ihres Wohnsitzlandes zu verletzen.

Eine vom Kollektiv “Peruanische Nationalität“ -ein Zusammenschluss peruanischer Juristen und Akademiker in Europa-  geförderte Änderung von Artikel 8 des peruanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes (Gesetz Nr. 26574), die die Wiedererlangung der peruanischen Nationalität regelt, kam beispielsweise diesen Peruanern in Norwegen zugute. Denn die Änderung strebte an, dieses Verfahren für gebürtige Peruaner zu erleichtern. Diese Gesetzesänderung trat am 21. Juli 2021 in Kraft und dadurch haben gebürtige Peruaner nunmehr die Möglichkeit, die Staatsangehörigkeit durch einfachen Antrag und Willenserklärung auch in den peruanischen Auslandsvertretungen wiederzuerlangen.

Für den deutschen Staat würde die Wiedererlangung der peruanischen Nationalität  durch einen gebürtigen Peruaner grundsätzlich ein Verstoß gegen den deutschen Grundsatz des Verbots der Mehrstaatigkeit darstellen, der zum automatischen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit führen würde. Deshalb ist es im  Interesse der Gemeinschaft der Peruaner in Deutschland, eine Lösung für diese Problematik zu finden.

Ein bilateraler Vertrag

Eine mögliche Lösung wäre ein bilateraler Vertrag zwischen Deutschland und Peru, der sowohl die Wiedererlangung der peruanischen Staatsangehörigkeit erlauben würde sowie für neue Einbürgerungen die Möglichkeit vorsehen würde, nicht auf die Herkunftsnationalität verzichten zu müssen. Das peruanische Gesetz erlaubt grundsätzlich die Mehrstaatlichkeit, auch für deutsche Bürger.

Zudem besteht ebenfalls die Möglichkeit, eine Änderung des deutschen Staatsangehörigkeitsgesetzes zur Ermöglichung der doppelten oder mehrfachen Staatsangehörigkeit durchzuführen. Das Thema wird seit vielen Jahren in der deutschen Politik mit mehr oder weniger Intensität diskutiert. Es gibt selbstredend Aspekte des Völkerrechts, die für eine solche Änderung bewertet werden müssen, wie beispielsweise das anwendbare Steuersystem oder die Zuständigkeit eines Gerichts für Personen mit mehreren Staatsangehörigkeiten. Darüber hinaus richtet sich die Diskussion jedoch intensiver dahin, ob eine solche Reform überhaupt zu fördern ist. Die Gegner dieser Änderung argumentieren, dass die Loyalität zur BRD beschädigt wird oder dass sich Bewerber nicht ausreichend zur deutschen Staatsangehörigkeit bekennen würden, weil sie an eine andere Staatsangehörigkeit “gebunden” sind, dies ist jedoch nicht belegt. Im Gegenteil betonen diejenigen, die eine solche Änderung befürworten, die integrative Kraft, die eine solche Reform erzeugen könnte:

Studien (1) und Statistiken (2) zeigen, dass der Verzicht auf die Herkunftsstaatsangehörigkeit das wichtigste subjektive Hindernis für die Einbürgerung in Deutschland ist, also würde eine Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes im Sinne der Zulassung der Doppel- oder Mehrstaatigkeit die Zahl der Einbürgerungen wesentlich erhöhen und damit auch das Engagement für Deutschland, das sich in einer stärkeren politischen und bürgerschaftlichen Beteiligung der nunmehr eingebürgerten Deutschen niederschlagen würde. Gibt es sonst ein Zeichen der Integration, das größer ist als die Einbürgerung eines Menschen und die Anerkennung der deutschen Ordnung als die eigene?


Milagros Portocarrero-Psaltiras, Rechtsanwältin


Anmerkungen:
(1) Erkenntnisse der Forschung zu Einbürgerungshemmnissen in Deutschland, erstellt für die Fachkommission zu den Rahmenbedingungen der Integrationsfähigkeit bei der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Dr. Martina Sauer Essen, 15.10.2019, S. 30 ff.
(2) Einbürgerungsverhalten von Ausländerinnen und Ausländern in Deutschland sowie Erkenntnisse zu Optionspflichti-gen Ergebnisse der BAMF-Einbürgerungsstudie 2011, Martin Weinmann, Inna Becher, Christian Babka von Gostomski S. 8


Artículo en español: https://www.infostelle-peru.de/es/articulos-en-espanol/ciudadanos-peruanos-frente-a-la-naturalizacion-en-alemania/

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