Als voluntario in Deutschland II: Alex Aquino

Alex Aquino aus Cajamarca war ein Jahr lang als peruanischer Freiwilliger in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit beim Eine Welt Forum in Freiburg i. Br. Vor seiner Rückkehr nach Peru zieht er Bilanz. Ich heisse Alex Aquino Chillón, bin 29 Jahre alt und komme aus Cajamarca. Ich habe Soziologie studiert, und vorher drei Jahre bei der Bewegung arbeitender Kinder und Jugendlicher MANTHOC und ein Jahr bei der NRO SER in Cajamarca gearbeitet.

Ich durfte während meines Freiwilligen-Jahres in Deutschland aussergewöhnliche Erfahrungen machen.  Noch vor der Reise überkamen mich Zweifel, ob es das richtige sei, zu einem Freiwilligen Sozialen Jahr nach Deutschland zu gehen.  Einige Freunde meinten, ich würde damit meine Karriere als Soziologe abbrechen, mich von meiner beruflichen Erfahrung hier abschneiden. Andererseits wollte ich gerne einen festen Job in Peru haben und ein Aufbaustudium im Bereich Politik  machen.

Aber dieses Jahr als Freiwilliger im Eine-Welt-Forum Freiburg war eine Zeit des Lernens, des Ver-Lernens, des Teilens von Erfahrungen, Wissen und Information.  Die Nähe zur Zivilgesellschaft in Freiburg, zu den Gruppen der Partnerschaft oder den Studierendengruppen haben meine Sicht auf die Welt verändert.  Ich habe viele Ähnlichkeiten entdeckt bei den Themen Bewahrung der Schöpfung, Achtung der Menschenrechte, kulturelle Vielfalt und weltweite Gerechtigkeit.

In Deutschland von Peru erzählen

Ich war mit der Situation in Peru verbunden durch meinen Kontakt mit der Informationsstelle Peru und der Bergbaupkampagne, dort durfte ich von meinen Erfahrungen und Einschätzungen zur sozialen und politischen Situation Perus erzählen. Auch darüber, welche Alternativen es gibt – das Seminar der Infostelle Peru zur Sauberen Energie war in dieser Beziehung sehr wichtig für mich.

Ich habe viel über weltweite Bildung gelernt, habe neue didaktische Methoden gelernt, um über die Umwelt zu informieren: “Woraus ist mein Handy gemacht ?”, oder mit einem Rollenspiel den Bergbaukonflikt Conga in Cajamarca zu analysieren. Die jungen Menschen auf der ganzen Welt leben in einem Zeitalter des Wissens und der Information. Die Technologie in den reicheren Gesellschaften schaffte neue Abhängigkeiten und neuen Konsum. Darüber müssen wir nachdenken, über das Konsumniveau, die Ernährung und die wirtschaftlichen Wachstumsmodelle.

Ich durfte Alternativen im “urban gardening” kennenlernen und Dokumentarfilme über intensive Lebensmittelpoduktion.  Es macht mir Sorge, wenn ich höre: “Täglich ziehen  60 000 Menschen vom Land in die Stadt. Im Jahr 2050 werden wir weltweit 9 Milliarden Menschen sein und drei Viertel von ihnen werden in Städten leben. Jedes Jahr werden wir 10 Millionen fruchtbares Ackerland verlieren” . Ich meine, wir brauchen eine Ernährung und einen Konsum, der für die Erde nachhaltig ist. Wir brauchen gleiche Umweltstandards auf der ganzen Welt, neue Lebensstile bei Konsum und Bewahrung der Umwelt für die jetzigen und kommenden Generationen.

Positive und negative Eindrücke

Ich nehme positive Eindrücke aus Deutschland mit: die Lebensqualität, die Grünflächen, die Umweltpolitik, die Vegetarier und die Veganer, die sauberen Energien (Sonnen, Wind und andere), das Fahrradfahren und die Transparenz in der öffentlichen Verwaltung.  Negativ aufgefallen ist mir der übermässige Konsum, dass einige Personen immer alles neu kaufen, und deswegen vor ihrem Haus elektrische Apparate oder Möbel wegwerfen,damit sie jemand mitnimmt.  Auch wenn sie sehr oft das Fahrrad benutzen, so habe ich den Eindruck, dass doch die meisten Familien auch ein Auto haben, obwohl es ein gutes öffentliches Verkehrssystem gibt. Sicher gibt es in einigen deutschen Städten weniger Fahrradfahrer, aber im Vergleich zu Peru ist der Unterschied sehr gross. Nur in Lima leben 10 Millionen Menschen, es herrscht ein Verkehrschaos, das viel Stress und Luftverschmutzung verursacht, Fahrradwege fehlen.

Ich hatte das Glück, in einer Schule mit Kindern arbeiten zu dürfen und einen Schulgarten anzulegen, sogar bei Gartencoop habe ich geholfen.  Ich habe bei Workshops zu folgenden Themen mitgeholfen: Kakao – Schokolade, fairer Handel, das Gute Leben, Suffizienz, nachhaltige Entwicklunge, Wasser, Kinderrechte u.a.  Die Workshops waren für Kinder und Jugendliche, manchmal konnte ich auch an Bildungsveranstaltungen mit Erwachsenen verschiedener Organisationen teilnehmen und an Debatten mit Experten. Auch an Veranstaltungen mit Studierenden, mit Gruppen der Partnerschaft durfte ich Vorträge halten über die Erfahrung der Organisation arbeitender Kinder und über Kinderrechte.

Ich durfte auch über meine Erfahrung mit der Organisation der Bürgerwehren in Cajamarca berichten, die im Bergbaukonflikt über das Projekt Conga aktiv sind. Diese “Rondas Campesinas” haben auch Vorschläge für eine neue Umweltpolitik und Klimawandelpolitik.

Kampf mit der deutschen Sprache

Jeden Tag habe ich ein wenig besser deutsch gelernt, ich konnte einen Deutsch-Kurs an der Volkshochschule machen und lernte dort Studierende aus allen Ländern kennen: Mexico, Polen, Kanda, Australien, Syrien und Ghana. Wir alle haben uns auf deutsch verständigt, auch wenn wir dabei viele Fehler machten, so halfen wir  uns doch gegenseitig beim Lernen.

Die Sprache lernt man nicht nur in Kursen und an Instituten, sondern durch die sozialen Beziehungen, durch den Kontakt mit den Menschen, indem man sich integriert.  Hier sehe ich noch Hürden, vielleicht durch die Stereotypen von den reservierten und nicht kontaktfreudigen Deutschen, die wir Latinos mitbringen. Diese Stereotypen machen uns unsicher und lassen uns Abstand halten.

Ich hätte gerne einen Intensiv-Kurs gemacht, um besser deutsch zu lernen, aber ich bin zufrieden, mit dem was ich gelernt habe. Ich möchte gerne weiterhin mit Deutschland in Kontakt bleiben, und mit den Gruppen, die ich kennenlernen durfte, mein Deutsch verbessern. In Cajamarca, wo ich wohne, gibt es nur eine Sprachschule mit wenigen Schülern. Immerhin gibt es dort deutsche “voluntarios” und ich hoffe, dass ich mit ihnen weiter deutsch lernen kann.

Ich denke bereits an meine Rückkehr nach Peru und wie ich das hier Gelernte dort an Jugendliche, Kinder und Erwachsene weitergeben kann. Ich würde auch gerne einige Untersuchungen machen und über die sozialen Probleme schreiben, über die Alternativen, um mein Land zu verbessern. Ich hoffe auch, dass ich ein Stipendium für ein Weiterstudium (hoffentlich in Deutschland) oder eine Arbeit finde, die mir erlaubt, weiterhin das zu tun, wofür mein Herz schlägt.

Vielen Dank Euch Freundinnen und Freunde der Informationsstelle Peru, dafür, das Ihr Euch für Peru einsetzt, für die Probleme dieser Welt und dafür, dass ich Eure interessante Arbeit kennenlernen durfte.


Alex Aquino