Amazonas: Der Terror, der nicht enden will

Der peruanische Ethnologe Oscar Espinoza  analysiert in der Zeitschrift ideele die Vergangenheit, die nicht vorbei ist,  und den Terror, der nicht enden will – speziell bei den Asháninka im zentralen peruanischen Regenwald an den Flüssen Ene und Tambo.

Er beobachtete die spürbare Angst wenn Fremde in ihr Dorf kommen, wenn etwas Unvorhergesehenes geschieht vor dem Hintergrund der Angst vor einer möglichen Rückkehr der „Fremden“, wie es die Horden des Leuchtenden Pfads waren. Besonders stark ist diese Angst in den Gebieten, wo Drogenterroristen vom Leuchtenden Pfad noch heute tätig sind.

Der Schmerz der Erinnerung:

Der Verlust von Angehörigen ist schmerzhaft. Bei den traditionell lebenden Asháninka dürfen die Namen der Toten nicht genannt werden. Die Toten bei ihren Namen zu nennen, ist für diese schädlich, weil diese Personen dann nicht ihre Reise zur Welt, wo die Geister der Toten wohnen, beenden können. Die Nennung der Namen der Toten kann aber auch eine Gefahr für die Hinterbliebenen darstellen.

Das ist der „modernen“ Gesellschaft so nicht bekannt oder wird nicht verstanden. Deshalb ist es ein Problem für die westliche Geschichtsschreibung, denn dort werden genaue Namen, Daten, Orte etc. als wichtige Basis eingefordert. Espinoza weist auf diese Situation hin, weil die Wahrheits-und Versöhnungskommission genau dieses auch einforderte. Aus der bisherigen mündlichen Überlieferung der Geschichte indigener Völker sind genaue Daten und Zahlen nicht so wichtig. Wichtig ist, was daraus gelernt werden kann, um das der nächsten Generation weiter zu geben. In diesem Sinn, so Espinoza, werden auch die brutalen Erfahrungen in den 80-90iger Jahren der brutalen Repression (6.000 Tote, ca. 10.000 interne Flüchtlinge) gesehen. Für die indigene Bevölkerung im amazonischen Regenwald gab es verschiedene Episoden brutaler Gewalterfahrung: Über die spanische Eroberung, die Kautschukzeit (Vertreibung und Versklavung) bis zur massiven Zuwanderung von Großgrundbesitzern und Neusiedlern aus den Anden.

Die Bedrohungen sind weiter aktuell:

Nicht nur die Kitionkaris (die aktuellen Drogenterroristen vom Leuchtenden Pfad, die mit der Kokainmafia zusammen arbeiten) sind eine akute Bedrohung sondern auch die Holzfällerfirmen, Erdölfirmen und Projekte zum Bau von großen Wasserstaudämmen, zunehmend natürlich die gefährliche illegale (im großen Stil betriebene) Goldproduktion.

 Espinoza weist darauf hin, dass  die Indigenen im zentralen Regenwald Perus sich früher schon militärisch organisiert haben, um ihr Territorium zu verteidigen. Sie waren Teil des Aufstands im 17.Jahrhundert unter Juan Santos Atahualpa, oder haben bei der Vertreibung vom Leuchtenden Pfad aus ihrem Gebiet aktiv mit gekämpft. Aktuell werden die Ovayerite (indigene -Krieger) im zentralen Regenwald (der Asháninka, Ashéninka, Yaneshas, Nomatsiguenga, Matisguenga, Yine und Kakinte), besonders in der Region des Gran Pajonal und am Tambo-Fluss wieder aktiviert. Sie haben an den peruanischen Präsidenten Ollanta Humala geschrieben, auf die vorhandenen gravierenden Probleme hingewiesen, die Untätigkeit der Behörden kritisiert und betont, dass ihre Geduld am Ende ist. Sie merkten an, dass sie ca. 20.000 Männer aktivieren, um mit all ihren Kenntnissen und Formen der „Kriegsführung“ ihre Heimat und „Mutter Erde“ zu schützen.

Die Präsidentin der Asháninka-Organisation am Ene Fluss (CARE), Ruth Buendia Mestoquian, betonte in einem Interview am 26.10.13 in der spanischen Zeitung El Pais, dass zwar aktuell der Bau von zwei riesigen Wasserkraftwerken (Pakitzapango und Tambo 40) nicht vollzogen wird, dass aber die Bedrohung weiter bestehen bleibt. Allein durch den Bau des Staudamms Pakitzapango würden über 10.000 Menschen im dünn besiedelten Regenwald durch Überflutung ihrer Siedlungen vertrieben. Ihr Fazit: Früher erlitten wir den bewaffneten, heute den wirtschaftlichen Terrorismus.

Der brasilianische Baukonzern Odebrecht hat seine Pläne zum Bau des Staudamms eingestellt. Jetzt, so El Pais, gibt es Gespräche, dass Konzerne aus Europa, vorrangig aus Spanien, die Staudämme bauen wollen. Die Warnungen der Indigenen Organisationen sollen ernst genommen werden.

Der Artikel von Oscar Espinosa im spanischen Original kann hier gelesen werden: www.revistaideele.com/ideele/content/el-terror-que-no-termina 233/2013

Heinz Schulze