© David Diaz/Ojo Público

Alles für das Palmöl

In Ucayali hat die Unternehmensgruppe Ocho Sur eine der grössten Palmölanlagen Perus in Betrieb genommen. Die benachbarte Shipibo-Konibo-Gemeinschaft wurde nie dazu befragt.

In der Nähe indigener Territorien im Amazonasgebiet der Region Ucayali wurde eine Palmölverarbeitungsanlage errichtet, ohne die Auswirkungen auf die Shipibo-Konibo-Gemeinschaft Santa Clara de Uchunya zu berücksichtigen und die Gemeinde einzubeziehen.

In den vergangenen Jahren löste der vermehrte Palmöl-Anbau in Amazonien zahlreiche Landkonflikte mit verschiedenen indigenen Gemeinschaften aus. Die Geschichte von Santa Clara de Uchunya ist eine davon. Einen Höhepunkt erreichte der Konflikt mit der Errichtung einer Palmölgewinnungsanlage im März 2020. Die Gemeinschaft wurde im Vorfeld weder informiert noch konsultiert, obwohl sich die  Anlage in einem an die Gemeinde angrenzenden Gebiet befindet. Die lokalen Anführer*innen, die diese Situation anprangern, werden mit dem Tod bedroht und fordern Sicherheitsgarantien.

Die Anlage und die Vorabkonsultation

Letztes Jahr wurden die Anführer*innen von Santa Clara de Uchunya vom Lärm der Palmölanlage der Unternehmensgruppe Ocho Sur, zu der die Unternehmen Ocho Sur P, Ochu Sur U und Servicios Agrarios de Pucallpa gehören, überrascht.

Die Anlage wurde im März 2020 in Betrieb genommen und ist eine der größten des Landes. Sie ermöglicht die industrielle Verarbeitung der Frucht zu Öl, das unter anderem bei der Herstellung industrieller Lebensmittel, Seifen, Shampoos, Kosmetikartikeln und Desinfektionsmitteln verwendet wird. Die Firma Servicios Agrarios de Pucallpa bezeichnet die Anlage, die 1,6 Kilometer vom Zentrum der indigenen Gemeinde entfernt liegt, als „modernste Südamerikas und Stolz der Region Ucayalis“.

Santa Clara de Uchunya ist eine vom Kulturministerium anerkannte indigene Gemeinschaft. Dies verpflichtet zu einer vorherigen Konsultation der Gemeinschaft über jegliche Aktivität oder Bauvorhaben, die Auswirkungen auf ihr Territorium haben. Dennoch erachtete das zuständige Produktionsministerium es nicht für notwendig, dieses Shipibo-Konibo-Dorf miteinzubeziehen.

Im Distrikt Nueva Requena, in dem sich Santa Clara de Uchunya befindet, erhöhte sich der Waldverlust zwischen 2010 und 2020 um ein Sechsfaches. Es gab auch gewaltsame Auseinandersetzungen. 2018 wurden sechs Landwirt*innen während eines Konflikts um Land ermordet.

Satellitenbilder zeigen die Zerstörung des Regenwaldes, innerhalb der letzten 11 Jahre, auf dem Gebiet der heutigen Palmölanlage. (© Proyecto MAP)

Bau ohne Vorabkonsultation

1975 wurde Santa Clara de Uchunya als Volk der Shipibo-Konibo anerkannt. Elf Jahre später verlieh das Landwirtschaftsministerium der Gemeinde Landtitel für eine Fläche von 218 Hektar zur Bodenbewirtschaftung und zur Viehzucht. Da die Gemeinde wuchs, bemühten sich ihre Anführer*innen,  ihre Territorien zu erweitern. Lange blieben sie erfolglos, bis ihnen 2019 1500 weitere Hektar zugesprochen wurden. Inzwischen hofft die Gemeinde, dass ihr Territorium auf 20.000 Hektar ausgeweitet wird, die sie für sich beansprucht. Dabei beruft sie sich auf die von Peru unterschriebene ILO-Konvention 169.

Im Juli 2018 stellte Servicios Agrarios de Pucallpa beim Produktionsministerium den Antrag auf Annahme der Umweltverträglichkeitsstudie der Palmöl-Anlage. Das mehr als 700 Seiten umfassende Dokument berücksichtigte die drei Orte Naranjal, Unión Progreso und Miraflores als Teil des Einflussgebietes. Dagegen wurde die Gemeinde Santa Clara de Uchunya trotz ihrer geographischen Nähe von 1,6 Kilometern nicht berücksichtigt.

Bevor das Produktionsministerium die Umweltverträglichkeitsstudie des Unternehmens genehmigte, lieferte das Kulturministerium ein Gutachten, in dem es hieß, es gebe keine indigenen Gemeinschaften im Einflussbereich der Anlage, obwohl es gleichzeitig hieß, dass Santa Clara de Uchunya sich nahe des Wirkungsbereichs befinde.

Gustavo Zambrano Chávez, ehemaliger Generaldirektor für Rechte indigener Völker im Kulturministerium, ist der Meinung, Santa Clara de Uchunya hätte aufgrund der Entfernung von nur 1,6 Kilometern in das direkte Einflussgebiet des Projekts miteinbezogen werden müssen. Daher wäre seiner Einschätzung nach zumindest ein Partizipationsprozess notwendig gewesen. Ähnlicher Meinung ist Barnaby Rubio, Forscher am Institut für Demokratie und Menschenrechte der Katholischen Universität von Peru. Er wies darauf hin, dass die Nichteinbeziehung der Gemeinde eher einer „illegalen Praxis gleichkomme als einem Interesse an der Verteidigung ihrer Rechte”. Der Experte fordert, dass auch der Agrarsektor den Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte einhalten müsse. Dieser wurde im vergangenen Juni verabschiedet und entspricht nach Ansicht des Wissenschaftlers den internationalen Standards für die Sorgfaltspflichten von Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten.

Die Menschenrechtsorganisation Instituto de Defensa Legal, die die Verteidigung der Gemeinde Santa Clara de Uchunya übernommen hat, erklärte, dass es gute Argumente gäbe, um vor Gericht einen Stopp des Betriebs der Verarbeitungsanlage zu fordern, und dass man diese Möglichkeit prüfen werde.

Aktivitäten in der Anlage

Im November 2019, sieben Monate nachdem das Produktionsministerium die Umweltverträglichkeitsprüfung für die Anlage genehmigt hatte, überprüfte die Umweltaufsichtsbehörde OEFA Ocho Sur P. Dabei stellte sie  fest, dass 500 Meter vom Eingang der Siedlung Tibecocha entfernt eine Industrieanlage errichtet worden war. Auf Nachfrage der OEFA wies der Vertreter von Ocho Sur P darauf hin, dass die Anlage nicht in der Siedlung liege und zu Servicios Agrarios de Pucallpa gehörten.

Die Grupo Ocho Sur erklärte, dass die Umweltzertifizierungen, die noch geprüft wurden, “in strenger Übereinstimmung mit der geltenden Gesetzgebung” stünden. Die Anlage lief weiter, und es wurde sogar eine weitere in Betrieb genommen, bei der die Beteiligung von Santa Clara de Uchunya an einem möglichen Vorabkonsultationsverfahren ebenfalls nicht berücksichtigt wurde.

Gespaltene Gemeinschaft

Bevor sich der Ölpalmenanbau im Bezirk Nueva Requena ausbreitete, gab es nach Angaben der Mitglieder von Santa Clara de Uchunya keine Landstreitigkeiten, und sie konnten ohne Probleme Tiere jagen oder ihre eigenen Nahrungsmittel anbauen. Mit dem Anstieg der Investitionen in Ölpalmen in diesem Gebiet seit 2014 begann auch der Rechtsstreit mit Plantaciones de Pucallpa SAC, jetzt Ocho Sur.

Efer Silvano Soria, ein Anführer der Gemeinschaft, sagt, dass das Heranrücken des Unternehmens zu einer Spaltung innerhalb der Gemeinde geführt habe. Auf der einen Seite gebe es eine Gruppe, die die Klagen 2015 gegen Plantaciones de Pucallpa (jetzt Ocho Sur) unterstützt habe, und eine andere Gruppe, die ein besseres Verhältnis zu dem Unternehmen habe.

Die indigene Gemeinschasft Santa clara de Uchunya liegt nur 1,6 km entfernt von der Palmölanlage, wurde aber nie befragt. (Karte: Ministerio de Cultura/Ojo Público)

Ein Konflikt mit Geschichte

Die Unternehmensgruppe Ocho Sur befindet sich mit der Gemeinde in einem Konflikt, der seinen Ursprung im Jahr 2015 hat, als das Unternehmen zu Plantaciones de Pucallpa gehörten. Im Mai 2015 leitete die Umweltstaatsanwaltschaft von Ucayali eine Voruntersuchung ein, nachdem Gemeindevertreter*innen die Zerstörung von Primärwäldern in der Siedlung Tibecocha in Nueva Requena angezeigt hatten.

Der Bau der Anlage war nicht die einzige Maßnahme in der Umgebung von Santa Clara de Uchunya  ohne Information oder Vorabkonsultation der Gemeinschaft. Noch vor dem Bau der Servicios Agrarios de Pucallpa kamen Palmenplantagen hinzu und breiteten sich allmählich aus. Schon bald konnten die Menschen nicht mehr in die Gebiete fahren, in denen sie früher Landwirtschaft und Fischerei betrieben haben, so die lokalen Verantwortlichen.

Schutzgarantien

Die Verantwortlichen von Santa Clara de Uchunya haben auch Drohungen durch Personen, die sich an den Grenzen ihrer Gemeinde aufhalten, angezeigt und im August 2020 Maßnahmen zu ihrem Schutz nach dem Protokoll für Umweltschützer beantragt. Der Antrag wurde im Februar dieses Jahres angenommen, nachdem die Interamerikanische Menschenrechtskommission (IACHR) im November 2020 die peruanische Regierung aufgefordert hatte, “die notwendigen Maßnahmen […] zu ergreifen, um die Rechte auf Leben und persönliche Integrität” der Gemeindemitglieder zu schützen.

In den letzten Monaten wurden keine neuen Drohungen gegen die Gemeindevorsteher*innen oder die Bevölkerung gemeldet, aber sie fordern, dass ihnen weiterhin  Schutz gewährt wird.


Aramís Castro

übersetzt und zusammengefasst von Jonas Emrich


Quelle:
https://ojo-publico.com/3052/la-solitaria-lucha-de-un-pueblo-ante-el-avance-de-la-palma