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Wenn der Wald zerstört wird

Eine peruanische Gemeinde wehrt sich gegen Palmölplantagen

Die indigene Gemeinde Santa Clara de Uchunya liegt in der Region Ucayali im peruanischen Amazonasgebiet. Ihr Land und ihre natürlichen Ressourcen gegenüber dem sich ausweitenden agroindustriellen Anbau von Ölpalmen zu verteidigen, ist derzeit die größte Herausforderung der hier lebenden 500 indigenen Shipibo-Conibo.

Die staatliche Agrarpolitik in Peru unterstützt den agroindustriellen Anbau von Ölpalmen. So beträgt die Anbaufläche in der Amazonasregion des Landes aktuell mehr als 60 Millionen Hektar. Seit dem Jahr 2000 hat sie sich vervierfacht. Zusammen mit den geplanten und begonnenen Projekten könnten es mehr als 173 Millionen Hektar werden. Die Amazonasregion wird von der Politik gerne als Lieferant für natürliche Ressourcen und nicht als Lebensraum von Menschen oder Schutzgebiet für biologische und kulturelle Vielfalt angesehen. Folglich ist die dort lebende Bevölkerung als soziale Akteurin wenig oder überhaupt nicht sichtbar. Somit sind auch die Möglichkeiten der Shipibo-Conibo, ihre Rechte auszuüben, stark eingeschränkt und die staatliche Politik ist ineffizient, wenn es um ihre Anerkennung geht.

Die Unternehmensgruppe Melka besitzt in Ucayali zwei große Plantagen mit 5.000 und 7.000 Hektar. Das zu ihr zählende Unternehmen Plantaciones de Pucallpa (heutiger Name Ocho Sur P.) wurde Ende 2012 auf dem Land der Gemeinde aktiv. Seine Strategie der Landaneignung war von Beginn an illegal und basiert auf der Komplizenschaft mit korrupten BeamtInnen der Agrarverwaltung in der Regionalregierung. Im Jahr 2013 drangen MitarbeiterInnen des Palmöl-Unternehmens ins Gemeindegebiet ein. Dabei beriefen sie sich auf illegal über die DRSAU erworbene Besitzurkunden und Landtitel. Sie besetzten 7.000 Hektar Primärwald und holzten ihn komplett ab.

Drastische soziale und ökologische Schäden sind die Folge. Drohungen und Gewalttaten der Landaufkäufer gegen Führungspersonen der Gemeinde und VerteidigerInnen von Menschenrechten blieben ebenfalls nicht aus. Wiederholt bewegten sich fremde bewaffnete Personen in der Gemeinde, verbreiteten Panik und schüchterten die Bevölkerung ein. Die Gemeinde wurde weder informiert noch für den Verlust und die Zerstörung ihres Landes entschädigt, der Staat hielt still. In dieser Situation haben die Indigenen beschlossen, sich gegen die Angriffe des Palmöl-Unternehmens und die Untätigkeit der öffentlichen Verwaltung zu wehren. Hierbei werden sie von der Föderation der indigenen Gemeinden von Ucayali (FECONAU) unterstützt.

Santa Clara de Uchunya fordert zurück, was ihr genommen wurde. Zunächst setzte die Gemeinde auf eine Klage und machte so auf die Verletzung ihrer Rechte aufmerksam. Sie fordert die Annullierung der Verträge, durch die das Unternehmen sich in Besitz des von ihr beanspruchten Landes gebracht hat, die Einstellung der Aktivitäten des Unternehmens, die Renaturierung der Wälder und Ökosysteme und die Anerkennung der Rechte der Gemeinde.

Das Agrarministerium verhängte 2015 Sanktionen gegen das Unternehmen, da die Arbeiten ohne die obligatorische Umweltzertifizierung stattfanden. Auch wurde eine Beschwerde gegen das Unternehmen beim internationalen Round Table for Sustainable Palm Oil (RSPO) eingelegt, der im April 2016 vorläufig die Einstellung der Arbeiten anordnete. Er stellte fest, dass Plantaciones de Pucallpa weder Umweltverträglichkeitsstudien durchgeführt noch geprüft hatte, ob für das betroffene Land mit der Gemeinde ein Konsultationsprozess auf Grundlage einer freien und vorinformierten Entscheidung gemäß peruanischem Gesetz durchgeführt wurde.

Die Angriffe und Drohungen gegenüber Mitgliedern der Gemeinde wurden dem UN-Sonderberichterstatter zur Lage von Menschenrechtsverteidigern sowie dem UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung (CERD) gemeldet. Der Kampf der Gemeinde endet auch sonst nicht an den Gemeindegrenzen: Gemeinsam mit FECONAU fordert sie die Revision des »Nationalen Aktionsplans für die Ölpalme«, der die Flächenausweitung fördert, jedoch keinerlei Mechanismen zum Schutz der Indigenen enthält.

Der Protest wird gehört

Der Fall Santa Clara de Uchunya wird immer bekannter und von zahlreichen Organisationen der Zivilgesellschaft in Peru und weltweit unterstützt. So wurde den Forderungen der Shipibo-Conibo in den großen Medien Gehör verschafft und damit das Thema in die peruanische Gesellschaft getragen. Die Risiken einer Ausweitung der Palmölproduktion in der Amazonasregion und die Machenschaften von Unternehmen und Aufkäufern von Land sowie die Drohungen gegenüber Gemeindemitgliedern bleiben damit kein lokales Geheimnis.

Die weitere Mobilisierung wird von Lobbykampagnen begleitet, sie wenden sich primär an öffentliche Institutionen und internationale Organe. Santa Clara de Uchunya konnte ihre Forderungen der Regional- und der Zentralregierung unterbreiten. Veranstaltungen und Proteste zeugen davon, dass die kleine Gemeinde zusammen mit FECONAU zu einer wichtigen Akteurin in der öffentlichen Diskussion über indigene Belange geworden ist und als Gesprächspartner den Staat und das Unternehmen ernsthaft herausfordern. Der politische Erfolg von heute wird zukünftige Aktivitäten beeinflussen.

Álvaro Másquez Salvador ist Rechtswissenschaftler und begleitet am Instituto de Defensa Legal in Lima den Fall der Gemeinde Santa Clara de Uchunya. Übersetzung aus dem Spanischen: Silvia Bodemer. Eine spanischsprachige Langfassung kann hier abgerufen werden: www.tinyurl.com/yceeza7x

 

 

Dieser Artikel erschien erstmals in der Zeitschrift iz3w, Nr 368 zum Thema Bioökonomie (https://www.iz3w.org/zeitschrift/ausgaben/368_biooekonomie)

 

 

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