COP 20: Krieg ums Wasser in Peru

Kaum ein Supermarkt in Deutschland ohne peruanischen Spargel – was die Konsumenten in Deutschland meist nicht wissen: für ihren winterlichen Spargelgenuss werden Feuchtwiesen in den Anden geopfert. In unserer Artikelserie zur Weltklimakonferenz COP 20 in Lima dieses Mal ein sachkundiger Bericht von Astrid Max aus dem Wassernotstandsgebiet um Ica und Huancavelica.

Von der trockenen Dünenwelt Icas, rund 300 km südlich von Lima, aus bietet sich dem Besucher ein wunderschöner Blick über die Stadt und ihre Umgebung aus einem wogenden Meer von grünen Spargelhalmen, Baumwollfeldern und weiteren für den Export bestimmten Agrarprodukten. Auch die Lagune Huacachina ist von hier aus zu sehen. Noch ist sie mit dem blauen Nass gefüllt. Doch woher kommt das viele Wasser in einem der trockensten Gebiete Perus mit durchschnittlichen Niederschlagsraten von 6 mm/Jahr?

Die nördlichen Ausläufer der Atacama-Wüste um Ica sind bekannt für ihre hochwertigen Agrarprodukte. Vor allem der grüne Spargel gilt als Exportschlager und machte Peru izum größten Spargelexporteur weltweit. Peruanischer  Spargel geht vor alem nach  Europa, Japan und die USA, wobei die grösste Nachfrage aus den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland verzeichnet wird. Doch die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte hat ihre Schattenseiten. Schon seit Jahren führt die Übernutzung der Wasserressourcen zu einem anhaltenden Absinken des Grundwasserspiegels. Aufgrund der geringen Niederschläge sind die Agrarbetriebe hochgradig auf das Grundwasser und die Flüsse angewiesen. Statistisch gesehen ist Peru ein wasserreiches Land, jedoch führt die unregelmäßige Verteilung der lebenswichtigen Ressource zu Wasserknappheit auf der Pazifik-Seite, auf der 70% der peruanischen Bevölkerung lebt und nur ein 1,8% des Gesamtniederschlags niedergehen. Im wasserreichen Amazonasbecken und den Höhenzügen der Anden verteilt sich die restliche Bevölkerung. Zudem bedingt die Saisonalität der Regenfälle in den Anden eine hohe Variabilität in den Abflussregimen der Flüsse, die zum Pazifik führen. So auch im Fall des Río Ica.

Die resultierende Wasserknappheit führt somit, abgesehen von den Problemen für die kleinbäuerlichen Agrarbetriebe, der Versalzung der Böden und des Wassers sowie dem Trockenfallen einiger Brunnen der örtlichen Trinkwasserversorgung, zu Auswirkungen in einer ganz anderen Region.

Immer tiefere Brunnen

Der für das Tal bedeutendste Fluss Ica entspringt in der Andenregion Huancavelica, wo er sich von den Gletscherschmelzen und Regenfällen nährt. Um das günstige Küstenklima ganzjährig nutzen zu können und Wasserengpässen vorzubeugen wurde schon in den 1950er Jahren ein Tunnel, das Proyecto Especial Tambo Ccaracocha (PETACC), erbaut, der das in Kanälen gesammelte Wasser aus der Wasserscheide des Río Pampas, die ins Amazonasbecken entwässert, dem Ica zuführt. Dies begünstigte zwar eine Steigerung der Produktion in der Landwirtschaft, dennoch führten fehlende Auflagen und das Bauen von illegalen Brunnen in Ica laut der Weltbank zur höchsten Senkungsrate des Grundwasserspiegels weltweit. In manchen Gebieten erreicht der Absinkprozess Raten von 8-10 m/Jahr (Villacuri) und 5 m/Jahr (Pachacutec). Typische Raten für den Norden und Osten des Tales sind 0,4-1,5 m/Jahr. Um dennoch eine Versorgung der Felder mit Wasser zu gewährleisten, werden die Brunnen immer tiefer gelegt. Dennoch fördern sie weniger Wasser als zuvor und die Kosten können meist nur noch die Großgrundbesitzer aufbringen.

…..austrocknende Feuchwiesen

Dem Wassermangel sollte nun durch den Bau eines weiteren Kanals, des Ingahuasi, entgegengewirkt werden. Durch schlechte Erfahrungen mit dem vorherigen Projekt kam es jedoch zu Wiederständen in der Bevölkerung im benachbarten Hochandendepartament Huancavelica. Vor allem die Comunidades, landwirtschaftliche Vereinigungen von Kleinbauern, mussten Einbußen ihrer Weideflächen in Kauf nehmen. Dies ist jedoch fatal für die ärmste Region Perus, die hauptsächlich von der Alpaca-Zucht lebt. Die Andenkamele ernähren sich vor allem von den Feuchtwiesen, den sogenannten bofedales, die in großen Höhen anzutreffen sind. Diese sind von einem stetigen Wasserzufluss abhängig, der durch hohe Niederschlagsraten und die Gletscherwasser gegeben wird. Durch PETACC wurden diese Ökosysteme teilweise durchtrennt, wodurch das interne Bewässerungssystem gestört wurde und Gebiete auszutrocknen begannen.

Wassertribunal sagt Nein

Dank der Klage der Comunidad Carhuancho beim Tribunal Latinoamericano del Agua in Mexico gegen  die Regionalregierung in Ica, die Regierung Perus und das Projekt PETACC im Jahr 2007 konnte die Errichtung des neuen Kollektorsystems Ingahuasi durch medialen Druck zunächst auf Eis gelegt werden. Verworfen wurde es jedoch nie, und der Konflikt zwischen den beiden Nutzergruppen hält auch weiterhin an, ohne einen wirklichen Konsens zu finden. Die Vorschläge der Comunidades, den Kanal zu verlegen, um die Auswirkungen auf die Weideflächen zu minimieren, wurden von der Gruppe PETACC verworfen – Es sei schon zu viel Zeit und Geld investiert worden. Dabei erscheint die Verlagerung als plausible Lösung, da das meiste Wasser durch die bofedales hindurchfließt, um gereinigt an anderer Stelle wieder hervorzutreten. Sind die bofedales angewachsen benötigen sie nur noch einen Bruchteil des Wassers und dienen so als Speicher und auch als Puffer für die Trockenzeiten. Zudem schützen sie den Boden vor Erosion durch die Niederschläge. Möglicherweise könnten sie daher im Hinblick auf den bevorstehenden Klimawandel an Bedeutung gewinnen. Da der Gerichtsbeschluss des Gerichtshofs für Wasser in Peru rechtlich keine Wirkungskraft besitzt, bleibt die Lage angespannt.

Auch die Consejos de Cuencas /Wasserräte pro Flusslauf) scheinen nicht überall gut anzukommen. Diese Gruppen befinden sich zurzeit im Formationsprozess und sollen für eine bessere Koordination der Akteure innerhalb eines Wassereinzugsgebiets sorgen. Silvano Guerrero, der Vorsteher der Comunidad Carhuancho, steht den Consejos de Cuencas  jedoch mit Skepsis gegenüber. Denn trotz der Bildung solcher Gruppen, wird Ica das alleinige Mitspracherecht bei den Projekten des PETACC beibehalten. Gewicht haben ihre Stimmen in diesem Fall daher nicht. Dank der GIZ (Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) und weiterer Organisationen sind zwar die Konfliktakteure in Dialog miteinander getreten, doch  ein Ende der Diskussion über die Verteilung des Wassers scheint in weiter Ferne. Zurzeit wird das Vorgehen der Regionalregierung Icas und der PETACC argwöhnisch von Seiten der Huancavelikaner beobachtet. Unterstützung erfahren sie dabei vor allem durch die Organisation CEPES (Centro Peruano de Estudios Sociales).

Klimawandel verschärft das Problem

Vor allem mit Blick auf den sich abzeichnenden Klimawandel wird eine Lösung der Problematik immer dringender. Da es in den abgelegenen Regionen Perus jedoch an Messinstrumenten mangelt, konnte bisher noch kein sicheres Szenario für die Entwicklung des Klimas auf Lokalebene vorhergesagt werden. Daher gehen die Meinungen stark auseinander. Einige sprechen von einer Zunahme der Niederschläge und einer Erhöhung der Temperaturen für die Andenregion. Dies hätte positive Auswirkungen auf die Flora und Fauna und damit auch auf die Bevölkerung des Gebietes. Höhere Niederschlagsraten hätten zudem einen positiven Effekt auf die Region Ica.

Doch die Beobachtungen der Bewohner vor Ort erzählen eine andere Geschichte. Zwar steigen die Niederschläge an, doch scheint sich die Dauer ihres Niedergangs von etwa fünf Monaten auf 3 zu verkürzen. Darüber hinaus wird von einer Steigerung von Frosteinbrüchen berichtet. Zumindest derzeit scheinen sich also Extremevents zu steigern. Fakt ist zumindest, dass die tropischen Gletscher nach und nach verschwinden. In den letzten 30 Jahren haben die Gletscher Perus 40% ihrer Ausdehnung eingebüßt. Der Trend steigend. Da sie die Hauptquellen der Flüsse bilden, ist mit einem Rückgang der Wassermengen zu rechnen, was aufgrund der Verteilung von Bevölkerung und Ressourcen für die Küstengebiete verheerende Auswirkungen haben kann, wenn kein Umdenken stattfindet und keine Anpassungsmaßnahmen durchgeführt werden. In einigen Gebieten wie Ayacucho werden schon Auffangbecken gebaut, die erfolgreich Niederschlagswasser aus der Regenzeit ansammeln und somit als Speicher dienen. Doch fehlt es noch immer an der Initiative der zuständigen Ministerien und an Wissen.

Wenn nicht bald etwas geschieht, wird auch die Laguna Huacachina nicht mehr mit Wasser versorgt werden und die Wüste wird sich weiter ausbreiten. Dann heißt es, die kurzfristigen Einnahmen durch den Agrarsektor und die Grundversorgung der Bevölkerung Icas mit Trinkwasser und Nahrungsmitteln gegeneinander abzuwägen. Am besten, bevor Ica verdurstet. Die Lösung liegt jedoch nicht im Ausbau neuer Kanäle ohne Mitspracherecht der Huancavelikaner, sondern in einer verbesserten Administration der vorhandenen Ressourcen unter Einbezug aller Nutzergruppen. Dafür sind höhere Auflagen für die Entnahme von Grundwasser in der Region Ica nötig. Erschwert wird die Arbeit der zuständigen Abteilungen der Wasserwirtschaftsämter darüber hinaus, da diese nicht befugt sind, Grundstücke zu betreten, sodass viele der illegal erbauten Brunnen trotz besseren Wissens nicht nachgewiesen werden können. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Bildung der Bevölkerung. Vielen ist nicht bewusst, dass auch in Huancavelica das Wasser seine Funktion hat und bewusst mit der endlichen Ressource umgegangen werden muss. Auch eine Subvention moderner Tröpfchenbewässerung für die Kleinbauern wäre wahrscheinlich sinnvoll. Doch über kurz oder lang hilft nur das Eindämmen der sich in die Wüste ausweitenden Pflanzungen und ein Ersatz wasserintensiver Agrarprodukte wie dem Spargel durch an Trockenklimate angepasste Sorten. Wofür brauchen wir auch Spargel im Winter?


Astrid Max (Universität Heidelberg)