Trotz Freihandelsabkommen – Rohstoffabhängigkeit Perus gestiegen

Die Anhänger des Freihandelsdogmas versprechen boomenden Handel. Beim Freihandelsvertrages zwischen der EU sowie Peru und Kolumbien hat sich dieses Versprechen nicht erfüllt.

Am 5. November 2018 ging es in Berlin auf einer Fachkonferenz mit dem Thema „Tausche Auto gegen Steak“ um die Handelsbeziehungen zwischen Lateinamerika und Europa. Die Referent*innen kamen aus verschiedenen Ländern Europas, den USA und aus Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Ecuador, Uruguay, El Salvador und Chile. Dabei war ein Schwerpunkt der Austausch über die Erfahrungen mit den verschiedenen Freihandelsabkommen: Es stellte sich heraus, dass die Abkommen sehr viele ähnliche Probleme aufwerfen und vergleichbare Erfahrungen gemacht werden.

Ich habe mir zwei „Schlüsselfragen“ vorgenommen, zu denen ich aus der Konferenz berichten will.

Bringen die Freihandelsabkommen wirtschaftlichen Erfolg?

Durch die Liberalisierung der Handelsbeziehungen und den Wegfall von Zöllen werde die Wirtschaft und damit der Wohlstand wachsen – das ist die Theorie, mit der für den Freihandel geworben wird. Die Erfahrung mit verschiedenen Freihandelsabkommen aber zeigt, dass sie für die Länder Lateinamerikas nicht den erwünschten und versprochenen wirtschaftlichen Erfolg gebracht haben. Der Handel mit Europa hat an Bedeutung abgenommen, die wirtschaftlichen Beziehungen mit China sind inzwischen für Lateinamerika wichtiger. Immer noch bestehen die wirtschaftliche Ungleichheit und die asymmetrischen Handelsbeziehungen (Rohstoffe gegen Fertigprodukte) zwischen Europa und den USA einerseits und den Ländern Lateinamerikas andererseits.

Das lässt sich am Beispiel Kolumbien und Peru – der Freihandelsvertrag zwischen der EU und Kolumbien und Peru ist fünf Jahre alt – gut zeigen: Exporte der EU in diese Länder bestehen nach wie vor zu fast 90% aus Fertigprodukten. Umgekehrt bestehen die Importe der EU aus Kolumbien und Peru zu 90% aus Rohstoffen. Dabei hat die Ausfuhr von Mineralien abgenommen (durch gesunkene Rohstoffpreise und die Wachstumsschwäche der Industrieländer), die Agrarexporte aber haben zugenommen. Es kann also nicht von einer Abkehr von der Rohstoffabhängigkeit gesprochen werden, die für diese Länder so wichtig wäre.

Im Fall von Peru ist sogar das Gegenteil zu beobachten: der Export von Primärprodukten, die ohne Einsatz von (einfacher) Technologie hergestellt werden, hat zugenommen. Das ist ein klarer Rückschritt.

Insgesamt haben die Exporte Kolumbiens und Perus nach Europa abgenommen, die Bilanz des Handels mit Europa hat sich für beide Länder verschlechtert.

Gibt es – als Folge der Verträge – Fortschritte bei Menschenrechten, Sozial- und Umweltstandards?

In den Freihandelsverträgen gibt es immer auch Kapitel, in denen die Beachtung der Menschenrechte sowie internationaler Sozial- und Umweltstandards versprochen wird. Welche Rolle spielen diese Versprechen bei den Vertragsverhandlungen und bei der Umsetzung der Verträge?

Es wurde festgestellt, dass bei den (vorgeschriebenen) Nachhaltigkeitsfolgenabschätzungen bezüglich der Freihandelsverträge die Menschenrechte nicht berücksichtigt wurden. Die EU kommt ihrer Verpflichtung nicht nach: bei keiner laufenden Verhandlung werden solche Abschätzungen gemacht. Daher enthalten die entsprechenden Kapitel in den Verträgen keine Mechanismen, die die Erfüllung solcher verbalen Verpflichtungen erzwingen.

Im Freihandelsabkommen der EU mit Kolumbien und Peru und auch in den – unabhängig vom Vertrag – von Peru und Kolumbien jeweils unterzeichneten „Fahrplänen“ (Hojas de Ruta) gibt es Kapitel zu Menschenrechten und Sozial- und Umweltstandards („Nachhaltigkeit“).

Die Menschenrechts-Klausel ist zentraler Bestandteil des Vertrags, sie ist „sanktionsbewehrt“: die Verletzung von Menschenrechten kann also sanktioniert werden, das kann die Aussetzung von Vorzugsregelungen des Vertrags bedeuten. Die Erfahrung mit solchen Klauseln aus verschiedenen Handelsverträgen aber zeigt, dass die Hürden für ihre Aktivierung sehr hoch gesetzt sind und sie nur selten angewandt wird.

Dabei hat sich die menschenrechtliche Situation in Kolumbien in den letzten Jahren nicht verbessert: es gibt Angriffe gegen Umweltschützer*innen und eine steigende Zahl von Morden an Menschenrechts-Verteidiger*innen. In Kolumbien werden viele Arbeitsrechte verletzt, die Standards der im Vertrag erwähnten internationalen Abkommen werden nicht eingehalten. Kolumbien ist auch einer der gefährlichsten Orte der Welt für Gewerkschaftsarbeit: es gibt eine hohe Zahl an Morden und Mordversuchen an Gewerkschafter*Innen

In Peru hat die Repression in den letzten Jahren zugenommen: Proteste gegen Minenprojekte werden unterdrückt, der Widerstand wird kriminalisiert, es gibt über 800 Gerichtsverfahren. In mehreren Bergbauregionen wurde der Ausnahmezustand verhängt. In den Auseinandersetzungen gibt es immer wieder Tote.

Das Nachhaltigkeitskapitel im Freihandelsvertrag der EU mit Kolumbien und Peru (Titel IX) ist nicht sanktionsbewehrt, enthält also keine Mechanismen, die die Erfüllung der Versprechungen erzwingen. Es ist also unwirksam, weil im Falle der Nichterfüllung keine Sanktionen erfolgen

Auch in den Abkommen der EU mit Mexiko und dem Mercosur sind die entsprechenden Zusagen im Nachhaltigkeitskapitel nicht verbindlich.

Die Grundsatzfrage heißt: sind die Freihandelsverträge für die Länder Lateinamerikas nützlich?

Die zivilgesellschaftlichen Kritiker*innen werden sich entscheiden müssen, ob sie für eine Veränderung und Verbesserung der Verträge oder für ihre Kündigung eintreten.

Jimi Merk