© Hildegard Willer

#PeruvianLivesMatter?

Polizeigewalt und Polizeireform in Peru.

 

Während in den USA die #BlackLivesMatter Bewegung stark geworden ist und in Ländern wie Deutschland rassistische Einstellungen innerhalb der Polizei in der Öffentlichkeit diskutiert werden, steht auch  in Peru die Polizeigewalt in der Diskussion. Dass Polizist*innen weltweit eine komplizierte Beziehung zu Menschenrechten haben, ist kein Wunder. Aber 2020 wurde das Problem mehr als früher thematisiert.

 

Während der massiven Demonstrationen im November 2020 gegen den parlamentarischen „Staatsstreich“ kamen in Lima zwei junge Männer ums Leben, und viele wurden verletzt. Laut Berichten der UN-Hochkommisarin für Menschenrechte,  der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte und von peruanischen und internationalen NGO übte die Polizei regelwidrig Gewalt aus und benutzte tödliche Waffen. Die Beweise zeigen, dass die Straftäter*innen Polizist*innen sind. Außerdem handelte es sich nicht nur um einzelne Polizist*innen, die spontan gewalttätig reagierten. Die Beamten, die für die Operation verantwortlich waren, leugneten ihre Verantwortung. Die Verantwortlichkeit ist nicht nur individuell, sondern institutionell.

 

Als die Demonstrierenden erreichten, dass der Präsident zurücktreten musste, bat die neue Regierung die Opfer der Polizeigewalt um Verzeihung. In vielen Städten wurden spontan Mahnmale für die Opfer errichtet. Der nächste Schritt sollte eine Polizeireform sein, damit kein Mensch mehr wegen Missbrauchs der Polizeigewalt verletzt oder getötet wird.

 

Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung die Polizeireform unterstützte (siehe Umfrage von Datum), reagierte die Regierung langsam und zögerlich. Anfangs vermied der Präsident von über eine Reform zu reden (La República, 22.11.2020), aber einige Tagen danach sprach er über die „Modernisierung“ der Polizei, und 18 Generäle wurden in den Ruhestand versetzt. Schnell geriet das Innenministerium jedoch in eine Krise. Der Druck von Seiten der putschenden Abgeordneten und Polizist*innen war stark. Infolgedessen trat der Innenminister, da er keineRückendeckung des Präsidenten hatte, zurück. Die Polizist*innen und die Abgeordneten wehrten sich gegen eine Polizeireform. Die Exekutive ernannte schnell einen ehemaligen Polizisten  zum Innenminister a, der insgeheim gegen die Versetzung von Generälen in den Ruhestand und gegen die juristischen Untersuchungen der Polizeigewalt war. Einige Tage später erst merkte die Regierung, dass der Minister nicht die gleichen Ziele wie sie hatte und entließ ihn. Am selben Tag, dem 7. Dezember 2020, wurde eine Vertrauensperson des Präsidenten ohne Erfahrung in der Innenpolitik als Minister berufen.

 

Die Polizeireform ist ein Muss. Laut der Coordinadora Nacional de Derechos Humanos kamen zwischen 2002 und 2020 159 Personen allein in sozialen Konflikten um, sehrwahrscheinlich durch Polizeigewalt. Die juristischen Untersuchungen dienen nicht dazu, die Täter zu bestrafen (Convoca, 07.12.2020). Es gibt kein Register über Opfer der Polizeigewalt in anderen Bereichen. Die exzessive Polizeigewalt in sozialen Konflikten in Peru hat ebenso wie die tägliche Polizeigewalt in den Vereinigten Staaten den Rassismus als Hintergrund. Im August 2020 endete der Internationale Tag der Indigenen Völker tragisch. Bei einem Protest in Loreto wurden drei Indigene des Volks der Kukama  getötet, vermutlich von der Polizei.

 

Die Polizeireform ist ein lang ersehntes Ziel. Die letzte echte Polizeireform in Peru wurde direkt nach der Regierung Fujimori (1990-2000) angefangen. Diese Reform wurde aber nach drei oder vier Jahren aus politischen Gründen unterbrochen. Zurzeit arbeitet die aktuelle Regierung an einem Plan. Als Vorlage wurde der Strategieplan „Plan Estratégico de Capacidades de la Policía Nacional del Perú al 2030“ nach einem Polizeihelden „Mariano Santos Mateos“ benannt. Im Januar fanden Meetings mit Expert*innen und Einrichtungen der Zivilgesellschaft statt, um den Plan zu verbessern.

 

Was dagegen spielt ist selbstverständlich die Zeit. Die aktuelle Regierung ist nur bis Juli 2021 im Amt, weil schon im April die Wahlen stattfinden. Falls es die Regierung trotz der zweiten Coronavirus-Welle und des Boykotts schafft einen Plan zu beschließen, hat sie keine Zeit mehr ihn umzusetzen.

 

César Bazán Seminario

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