NGO-Aufruf an Xstrata Plc angesichts des Bergbaukonfliktes in Espinar

Aufruf als PDF


Xstrata Plc.
Bahnhofstrasse 2
6300 Zug (Schweiz)

Zug, Schweiz, 7.9.2012

Sehr geehrte Vorstandsmitglieder von Xstrata, sehr geehrte Aktionäre und Aktionärinnen!

Mit grosser Betroffenheit haben wir unterzeichnende Organisationen von der Eskalation des Bergbaukonfliktes in der Andenprovinz Espinar in Peru erfahren. Bis anhin offiziell gemeldet wurden mindestens drei Todesopfer und rund hundert Verletzte, darunter Zivilistinnen und Zivilisten wie auch Ordnungshüter.

Nach uns vorliegenden Angaben haben sich seit dem 18. Mai 2012 rund 1500 Polizeiangehörige vor dem Eingang der Unternehmung Xstrata Tintaya in Espinar eingefunden. Auf Gesuch des Unternehmens haben sich diese vor dem Eingangsbereich der Kupfertagebaumine aufgestellt, um die Bergbauaktivitäten vor den Protesten abzuschirmen. Hauptgrund für die zivilgesellschaftliche Mobilisierung war die Forderung der Bevölkerung nach Abklärung der Schwermetallbelastung von Gewässern und Böden um den Tagebau von Xstrata Tintaya und damit die Gewährung der Existenzmöglichkeiten der bäuerlichen Dorfgemeinschaften. Im Zuge der mehrtägigen Proteste ist es zu schweren Auseinandersetzungen gekommen, bei denen mit scharfer Munition auf die Streikenden geschossen wurde. In den Berichten ist von Misshandlung der 23 Gefangenen ‐ darunter auch Frauen und Kinder – durch die Polizeikräfte und mindestens drei Folteropfern die Rede. Neben Schlaf‐ und Essensentzug wird von physischer und psychischer Gewalt, sowie Erpressung von Falschaussagen berichtet. Das Bergbaucamp von Xstrata Tintaya hat der Polizei dabei zumindest zeitweise als Gefangenenlager gedient. Damit hat das Unternehmen dazu beigetragen, grundlegende Menschenrechte zu verletzen.

Xstrata Plc. behauptet von sich selber ein Vorzeigeunternehmen zu sein und schreibt:

„Community consultation is key to our approach. We listen carefully to community members to understand their needs, concerns and perspectives, and seek to involve them in developing solutions that address the impacts, risks and opportunities.“1

„[Our Sustainable Development Framework] incorporates a precautionary philosophy and is aligned with international standards including […] the Voluntary Principles.“2

„We are committed to implementing the Voluntary Principles on Security and Human Rights (VPs) across all our operations. The VPs highlight the role companies can play in promoting respect for human rights and assisting governments with security sector reforms and strengthening the rule of law.“3

Leider hat es Xstrata wiederholt verpasst konkrete Dialogmöglichkeiten wahrzunehmen. Diese wurden dem Unternehmen durch die Zivilgesellschaft und den Bürgermeister der Provinz Espinar bereits Monate vor der Eskalation des Konfliktes angeboten.

Wir nationale und internationale Organisationen, die wir uns dem Schutz und der Förderung der Menschenrechte und dem Umweltschutz verpflichtet sehen verurteilen die Gewalt und Misshandlungen, mit denen die Polizeikräfte gegen die streikende Zivilbevölkerung sowie gegen Mitarbeiter der Menschenrechtsabteilung des katholischen Vikariats von Sicuani vorgegangen sind. Wir machen das Bergbauunternehmen Xstrata für die begangenen Menschenrechtsverletzungen, für die Verhaftung vom Bürgermeister Oscar Mollohuanca und für den ausgerufenen Ausnahmezustand
in Espinar mitverantwortlich.

Wir fordern die Konzernleitung von Xstrata zur Rechenschaftspflicht auf und rufen das Management dazu auf:

  • den VPs endlich verbindlich beizutreten;
  • in Espinar ein Human Rights Impact Assessment durchzuführen, wie es die VPs vorsehen;
  • entsprechend den VPs zu untersagen, dass das Bergbaucamp in Zukunft als Lager oder illegale Haftanstalt von Gefangenen verwendet wird;
  • entsprechend den VPs dafür zu sorgen, dass die Sicherheitskräfte bei zukünftigen Protesten nicht mit unverhältnissmässiger Gewalt gegen Demonstranten vorgehen und zudem keine Kriminalisierung der Protestierenden vornehmen;
  • im Sinne der Guiding Principles des UNO Sonderbeauftragten für Menschenrechte John Ruggie Wiedergutmachungen für die Familien der verstorbenen, wie auch für die Zivilbevölkerung in Espinar zu leisten;
  • eine unabhängige Untersuchung des brutalen und unrechtmässigen Vorgehens der Polizeikräfte einzuleiten, um die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen;
  • die bereits eingereichte Strafanzeige wegen Umweltverschmutzung und Schutzklage zur Wahrung der grundlegenden Bürgerrechte als Anlass zu nehmen, vorbehaltslos mit denverantwortlichen Justizbehörden zu kooperieren und die Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen;
  • vom Unternehmen unabhängige und integrale Nachhaltigkeitsstudien zuzulassen, damit die Quellen der Schwermetallbelastungen in Gewässer und Böden rund um den Tagebau Tintaya eruiert und damit den Forderungen der Bevölkerung nachgekommen wird;
  • in Zukunft auch kritische Beurteilungen über das Verhältnis zwischen Xstrata und den lokalen Dorfgemeinschaften (z.B. von der Menschenrechtsabteilung des kath. Vikariats) in die Berichterstattung des Konzerns (z.B. Nachhaltigkeitsberichte) einfliessen zu lassen;
  • Rechenschaft darüber abzulegen, wie Xstrata bzw. Glencore‐Xstrata in Zukunft derartige Eskalationen bei Tochtergesellschaften zu vermeiden beabsichtigt.

Es unterzeichnen:
Multiwatch
Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien
Bethlehem Mission Immensee Schweiz
Fastenopfer Schweiz
Brot fuer Alle Schweiz
Incomindio Schweiz
Gesellschaft fuer bedrohte Völker
Gewerkschaftsbund des Kantons Zug
Informationsstelle Peru e.V.
Infoe e.V.
London Mining Network
www.pas.org.co
www.tierradigna.org
www.bepe.org.ar