Bewohner*innen von Santa Clara de Uchunya und Teilnehmerinnen der Delegation

Köln – Yarinacocha: Wie eine Klimapartnerschaft mit indigenen Gemeinschaften entsteht

Der peruanische Distrikt Yarinacocha im Amazonas-Departament Pucallpa ist eine Klimapartnerschaft mit der Stadt Köln eingegangen. Elke Falley-Rothkopf von der deutschen Nicht-Regierungs-Organisation INFOE e.V. und Thomas Brose, Geschäftsführer des europäischen Netzwerks Klima-Bündnis, erzählen, wie diese neue Partnerschaft zustande kam und was sie möchte.

Im Juli 2017 beschloss der Stadtrat von Köln einstimmig, eine Klimapartnerschaft mit der Stadt Yarinacocha in Ucayali, Peru, und seinen indigenen Gemeinschaften einzugehen. Anfang Oktober konnten VertreterInnen aus Yarinacocha und der Stadt Köln zusammen mit zwei Kolleginnen vom Klima-Bündnis am Auftaktworkshop des SKEW-Programms (Servicestelle Kommunen in der Einen Welt) von Engagement Global (Inlandprogramm des BMZ) in Bremen teilnehmen. Hier tauschten wir unter der konstruktiven Anleitung der MitarbeiterInnen von Engagement Global Ideen und Erfahrungen auch mit KollegInnen von Kommunen aus weiteren Klima-Partnerschaften (z.B. Ambato/Ecuador – Stuttgart) aus der aktuellen Phase des SKEW-Progamms aus. Im Rahmen der thematischen Arbeitsgruppen legten wir die Zuständigkeiten und grundlegenden Zielen der Partnerschaft fest. So betonten die beiden städtischen RepräsentantInnen aus Yarina sowie Robert Guimaraes von der indigenen Organisation FECONAU (Zusammenschluss der indigenen Gemeinden des Ucayali Flusses und seiner Nebenflüsse), dass ihnen der Schutz der einzigartigen Lagune von Yarinacocha als Lebensgrundlage für die dortige Bevölkerung und die biologische Vielfalt der angrenzenden Waldgebiete von besonderer Bedeutung für das gesamte, fragile Ökosystem am Ucayali und seinen Nebenflüssen ist.Im Februar dieses Jahres nun fand die erste offizielle Entsendung der deutschen Repräsentant*innen der Klima-Partnerschaft im Rahmen des SKEW-Programms nach Yarinacocha in Ucayali statt. Als VertreterInnen der Zivilgesellschaft nahmen Thomas Brose vom Klima-Bündnis und Elke Falley-Rothkopf von INFOE und Infostelle Peru  teil.  Im Folgenden kommen sie direkt zu Wort.

Infostelle Peru (ISP): Thomas, diese Klima-Partnerschaft geht zurück auf eine (fast) zufällige Begegnung dreier indigener Repräsentanten mit dem Botschafter des Klima-Bündnisses auf der COP 22 2016 in Marrakesch, dem Kölner Bürgermeister Andreas Wolter. Was kannst Du zu den Hintergründen erzählen?
Der Kölner BM Andreas Wolter empfängt im Dezember 2016 Robert Guimaraes, Lyndon Pishagua und Miriam Soria Gonzales im Kölner Rathaus zum Fachgespräch über indigene Territorien im Waldklimaschutz (© Jochen Becker)

Thomas Brose: Das Klima-Bündnis als größtes europäisches Städtenetzwerk mit einer Kooperation mit den indigenen Völkern Amazoniens nimmt regelmäßig auch an den internationalen Klimakonferenzen (COPs) teil. Seit einigen Jahren sind auch kommunale VertreterInnen als „Botschafter“ für das Klima-Bündnis auf den COPs unterwegs, um die Arbeit des Klima-Bündnisses vorzustellen. In 2016 war der Kölner Bürgermeister Andreas Wolter auf der Konferenz in Marrakesch in dieser Funktion und hat dort durch die Vermittlung von INFOE e.V Kontakt mit einer indigenen Delegation gehabt, die vor allem auf die Situation des Ausbaus von Palmölplantagen im Regenwald Perus und die dadurch entstehende Bedrohung indigener Gemeinden aufmerksam machen wollte. Bei dieser Gelegenheit hat Robert Guimaraes, der Vertreter des Indigenenverbandes, den Bürgermeister nach Peru eingeladen. Anfang 2017 ergab sich eine Möglichkeit eines Gegenbesuches, den ich mit dem Bürgermeister in die Region durchgeführt habe. Bei dieser Gelegenheit wurden erste direkte Kontakte gemacht. Nach der Rückkehr hat der Bürgermeister den Vorschlag einer konkreten Partnerschaft mit allen Parteien und relevanten Akteuren in der Stadt diskutiert und schließlich einen Vorschlag im Rat zur Abstimmung eingebracht.

ISP: Elke, Du warst in Marrakesch bei dieser ersten Begegnung dabei…
Die Delegation aus Köln kommt in der indigenen Gemeinde Sta. Clara de Uchunya an. (© Elke Falley-Rothkopf)

Elke Falley-Rothkopf: Ein Kollege und ich begleiteten den Dachverband der indigenen Organisationen Amazoniens, die COICA, als VertreterInnen von INFOE e.V. auf der COP und haben logistische und sprachmittlerische Unterstützung für die COICA und ihre Mitgliedsorganisationen geleistet. Das Klima-Bündnis der europäischen Städte mit indigenen Völkern der Regenwälder / Alianza del Clima e.V. ist ein im Jahr 1990 gegründetes europäisches Netzwerk und ihr Partner ist die COICA, zu der auch AIDESEP, als indigener Dachverband aus Peru und FECONAU, Mitglied von AIDESEP, gehören. Mit dem Klima-Bündnis arbeitet INFOE seit vielen Jahren zur Unterstützung indigener Völker weltweit zusammen, und auf der COP in Marrakesch haben wir auch das Klima-Bündnis unterstützt. Als wir nun im Tagesprogramm für Side Events die Ankündigung der Klima-Bündnis-Veranstaltung mit dem Kölner Bürgermeister sahen – sozusagen als Vertreter unserer „Heimat“stadt Köln – haben unsere indigenen Kollegen Robert Guimaraes, Jamer Lopez Agustín und Lyndon Pishagua sowie mein Kollege und ich dort vorbeigeschaut. Wir haben nicht geahnt, dass sich aus dem spontanen Zusammentreffen nach den Vorträgen so viel ergeben würde. Doch alle Beteiligten entwickelten sofort eine Vielzahl von Ideen und Andreas Wolter lud sie spontan ins Kölner Rathaus ein. Dies wiederum passte genau zu dem von INFOE im Anschluss an die COP geplanten Fachgespräch zum Thema „Bedeutung der indigenen Territorien für den Wald-Klimaschutz” mit der Stadt Köln.

ISP: Thomas, Du hast seit vielen Jahren argumentiert, dass sich die Planungsebenen und -anliegen von indigenen Gemeinden und Städten ähneln, sodass auf dieser politischen Ebene schneller Verständnis für einander und vor allem auch schneller Maßnahmen zur gegenseitigen Unterstützung ergeben?

Thomas Brose: Wir betrachten indigene Territorien, vor allem diejenigen, die eine rechtliche Anerkennung haben, in einer ähnlichen Funktion und Verantwortung wie Kommunen. Beide Akteure sind verantwortlich, sich auf lokaler Ebene um die Planung und Nutzung von Gesundheitsversorgung, Bildung, Infrastruktur und ökonomischer Entwicklung zu kümmern. Sie sind auch verantwortlich dafür, die natürlichen Ressourcen auf nachhaltige Weise zu nutzen. Während uns das noch nicht gelingt, haben indigene Völker eine Tradition von jahrtausendealter Nutzung von Ressourcen in einer Weise, dass die Ökosysteme nicht komplett zerstört werden. Über 30% des noch vorhandenen Kohlenstoffes in Amazonien befindet sich in indigenen Territorien. Dies ist sichtbar über Satellitenaufnahmen, wurde aber auch durch wissenschaftliche Studien bestätigt. Genau wie Kommunen in Europa können indigene Völker in Amazonien also einen zentralen Beitrag zur Vermeidung weiterer Klimaerwärmung leisten und Impulse sowie konkrete Beispiele geben für die notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen. Die Territorien sind aber auch ein wichtiges Element, um weitere Zerstörungen zu vermeiden. Deren Einschränkung oder gar die Rücknahme ihres legalen Status, wie sie z.B. die aktuelle Regierung in Brasilien gerade durchführt, öffnet Tür und Tor für die Zerstörung der noch verbliebenen Regenwaldgebiete.

Die Delegation aus Köln hat auch an der großen Konferenz zu Plantagenwirtschaft teilgenommen. Im Bild eröffnet Lizardo Cauper, aktueller Präsident von AIDESEP, die Tagung. (© Elke Falley-Rothkopf)
ISP: Elke, was war für Dich das Bedeutendste an der Delegationsreise nach Peru?

Elke Falley-Rothkopf: Nach all den Jahren, die ich bei INFOE die COICA und AIDESEP auf den Klimaverhandlungen begleitet habe, wo wir in Konferenzsälen das Ringen um den Textlaut von Abschlussdokumenten und die Einrichtung von internationalen Klimaschutz-Mechanismen, einschließlich Finanzierungskonzepten, miterleben und oft auch in seiner Zähigkeit kritisieren, sind wir nun vor Ort, in einer Kommune in Amazonien, gelandet und es gilt, nun tatsächlich Projekte, von Kommune zu Kommune(n) zu realisieren. Dies beginnt mit der Herausforderung, die verschiedenen administrativen und sonstigen Handlungsebenen kennen- und verstehen zu l Iernen, ebenso die Vielzahl der Akteure und ihrer Anliegen und Interessen. Bei der Partnerschaft zwischen Yarinacocha, ihren indigen Gemeinschaften und Köln müssen ja auch die kulturellen Unterschiede verstanden und in diesem Sinne Brücken gebaut werden. Für uns ist es auch immer unerlässlich, den historischen Kontext nicht außer Acht zu lassen. Wir haben damit quasi eine weitere Ebene des gegenseitigen Dolmetschens und der Vermittlung von Verständnis erreicht, was zu der gemeinsamen Durchführung von Projekten führen soll…

ISP: Thomas, beim Klima-Bündnis habt Ihr schon eine Vorgänger-Partnerschaft mit der Stadt München und den Asháninka. Kannst Du uns hiervon berichten? Was könnt Ihr aus den darin gewonnenen Erfahrungen mit in die Klimapartnerschaft Yarinacocha-Köln mitbringen?

Thomas Brose: Die Partnerschaft der Stadt München mit den Asháninkas in Peru existiert bereits seit vielen Jahren und ist fester Bestandteil der Nord-Süd-Arbeit der Stadt. Die politische Unterstützung durch einen formellen Beschluss gibt der Partnerschaft eine wichtige Legitimation und Sichtbarkeit, die ohne die Verbindung mit der Stadt so wahrscheinlich schwieriger wäre. Deshalb spielt auch der Beschluss in Köln für die Akzeptanz der dortigen Klimapartnerschaft eine wichtige Rolle für die zukünftige Arbeit. Die Stadt München in Kooperation mit dem Nord-Süd-Forum organisiert regelmäßig Besuche von VertreterInnen der Asháninka. Während dieser Zeit besuchen sie Schulen und nehmen an Diskussionsveranstaltungen mit lokalen Partnern teil. Aber auch der Besuch von Vertretern der Stadt in Peru ist ein wichtiger Aspekt der Zusammenarbeit. Durch den regelmäßigen Austausch ist die Partnerschaft bekannt und kann genutzt werden, um Aspekte wie Globalisierung, Regenwaldschutz oder unterschiedliche Lebensstile auf eine sehr konkrete Art zu beleuchten. Die Partnerschaft findet damit Einzug in das Alltagsleben der BürgerInnen.

ISP: Elke, wenn Du von Dolmetschen sprichst, dann weil das – bis dato – eine der Hauptaufgaben bei den Klimaverhandlungen war…
Ankunft im Versammlungsraum von Santa Clara de Uchunya (© Elke Falley-Rothkopf)

Elke Falley-Rothkopf: Ja, zu diesem Zweck hat uns die COICA herangezogen: wir sollten bei den internationalen Verhandlungen vermitteln. Bei INFOE ist eines der Grundprinzipien, dass wir keine Projekte unter uns, sozusagen auf dem Reißbrett entwickeln, sondern dass wir das indigene Mandat brauchen, um aktiv zu werden. Dies ist in diesem Fall unserer Kooperation mit der COICA und ihren Mitgliedsverbänden gegeben. Über die COICA sind wir institutionell noch mehr als in unserer Arbeit zuvor mit dem Klima-Bündnis verbunden, welches auf Anregung durch indigene Partner gegründet wurde, also liegt hier eben auch das indigene Mandat vor. Und es zeigt uns Handlungsfelder hier bei uns in Europa auf. Auf dieser Basis ist die Klimapartnerschaft zwischen Yarinacocha, seinen indigenen Gemeinschaften und Köln entstanden, das macht sie besonders. In einer Zeit, wo zwar die Bedeutung indigenen traditionellen Wissens zum Beispiel in internationalen Konventionen wie der Klimaschutzrahmenkonvention, aber auch in der Debatte um die Konvention zur marinen Biodiversität zur Kenntnis genommen wird, es andererseits immer schwieriger wird für indigene Gemeinschaften an die hart umkämpften Unterstützungsfonds zu kommen und ihre RepräsentantInnen in ihren Heimatländern zunehmend unter Beschuss geraten. Hier ist es immer noch notwendig und immer dringlicher, alte (Denk- und Handlungs-)Strukturen aufzubrechen, bisher ist uns dies nicht so gelungen, dass wir einen wirklichen Sprung nach vorne gemacht hätten, was den Respekt indigener Gemeinschaften und Kulturen betrifft.

ISP: Thomas, was war für dich das Bedeutendste an der Delegationsreise nach Yarinacocha und Lima?

Thomas Brose: Das Programm der „50 Klimapartnerschaften“ der „Servicestelle Kommunen in der Einen Welt” (SKEW) hat einen sehr innovativen Ansatz. Es nutzt bestehende oder neu gebildete Partnerschaften nicht nur für den direkten Austausch und ein besseres Kennenlernen. Es hat das Ziel, dass sowohl die Kommunen im Norden wie die im Süden konkrete Aktionspläne im Klimaschutz entwickeln. Dieser Gedanke der Zusammenarbeit an einer gemeinsamen Herausforderung wie dem Klimaschutz geht über die klassische EZ hinaus. Deshalb war es für mich während der Delegationsreise interessant zu erleben, wie sehr unterschiedliche Akteure, die es nicht unbedingt gewöhnt sind, intensiv miteinander zu arbeiten, zusammen kommen und ihre unterschiedlichen Anliegen und Sichtweisen austauschen. Die Teilnahme der Stadt Köln hat sicherlich auch dazu beigetragen, Türen zu öffnen. Als die Regionalregierung von der Reise erfuhr, waren sie auch sehr daran interessiert, an den Gesprächen in Yarinacocha teilzunehmen. Eine Gesprächsrunde mit dem deutschen Botschafter in Lima wäre in einer rein NGO-geprägten Gruppe sicherlich auch nicht ohne weiteres möglich. Ich hoffe, dass diese ersten Erfahrungen in weiteren Gesprächen und gemeinsamen Projekten sich zu einer wirklichen und beständigen Partnerschaft entwickeln.

ISP: Danke Elke und Thomas für das Interview!