Erdgas in Peru: Pro und Contra

Die peruanischen Politiker verkaufen die heimische Erdgasförderung als grossen Erfolg für Peru: billiges Gas für Autos, Direkt-Gasleitungen für die Haushalte. Die lokale Bevölkerung in den Fördergebieten dagegen kritisiert die Umweltverschmutzung durch die Erdgasförderung.  Welches Argument  überwiegt ? Heinz Schulze hat verschiedene Sektoren Perus nach ihrer Meinung zumThema Erdgas befragt.

Als Umwelt-und Regenwaldgruppen kritisieren wir Firmen, die z.B. im südlichen peruanischen Regenwald Erdgas fördern. Dort wurden die grossen Gasfelder Camisea I und Camisea II im Tiefland des Departements Cusco industriell erschlossen.
Dabei werden Menschenrechte der indigenen Bevölkerung verletzt, das Überleben unkontaktierter Indigenen stark gefährdet.
Das ist eine Seite. Aber das Gas, das in Peru verbleibt, erleichtert das Leben in den Städten.
Deshalb habe ich Bekannte aus diversen Regionen Perus zu diesem Konflikt befragt. Einige antworten:
„Ja, wir in Lima kochen mit Gas von Camisea. Das ist um 50% billiger als früher, wo wir Gasballons kaufen mussten. Wir sind als Konsumenten auch Komplizen.“ (Anmerkung: Das trifft auch für uns mit Erdgas aus Russland via der Ukraine zu, H.Sch.)

Eine Rückmeldung aus den Anden: (Ayacucho):
„… Seit über einem Jahr verbot die Regierung den Verkauf von Kerosin (in entsprechenden Andenregionen), weil Kerosin auch benötigt wird, um aus Cocablättern Kokain herzustellen. Kerosin war aber auch Energie für arme und ärmste Menschen, denn das kann man auch in kleinen Mengen kaufen, z.B. 1-Liter-Flaschen, je nach vorhandenem Geld. Damit kann man auf „Herden“ kochen, die nur mit Kerosin funktionieren. Jetzt müssen diese Menschen entweder mit Holz kochen oder mit Gasflaschen,  die sehr teuer sind. Hier wäre Erdgas aus dem Regenwald eine gute Alternative, auch für die Umwelt in den Anden“…

Eine Rückmeldung aus den südlichen Anden:
„… In den Städten wie in Cusco gab es größere Demonstrationen „pro Erdgas“ quasi aus der regionalen Nachbarschaft, dem amazonischen Regenwald, um günstig und sauber kochen zu können“…

Ein Kommentar einer aktiven Umweltschützerin aus Lima:
„… Es gibt keine Nutzung von Ressourcen ohne Auswirkung auf die Umwelt. Diese muss so gering wie nötig gehalten werden… Für mich ist es wichtig, dass besonders für die arme Bevölkerung dieses günstige Gas, das wir selbst produzieren, vor allen Dingen für uns in Peru zur Verfügung stehen muss. Ich bin dagegen, dass das Gas verstärkt in das Ausland verkauft wird.”

 

Indigene Organisationen:
Indigene Organisationen der betroffenen Region fordern zu Protesten auf, um die Zerstörung des Regenwaldes, auch durch Lecks in den Pipelines zu beenden. Die Proteste richten sich besonders gegen die Betreiberin, die brasilianische Firma Odebrecht.
Arbeiter bei diesem Projekt streikten für bessere Arbeitsbedingungen.

Im Einzugsgebiet von Echarate, dem reichsten Distrikt in Peru,  kochen die Menschen aber noch mit Holz:
Der Landkreis Echarate (ca. 40.000 Einwohner) ist wohl der reichste Landkreis in Peru. Dorthin fließt sehr viel Steuergeld aus der Gasproduktion von Camisea.  Je nach den Unternehmensgewinnen sind das zwischen 200-900 Millionen Soles (bis 300 Mio. € bei 40.000 BewohnerInnen) pro Jahr. Aber, in diesem Distrikt sind ca.50% der Bewohner arm, haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, keine Abwassersysteme und, sie kochen mit Holz – in der Erdgas-Region!
Mit Gas zu kochen ist dort nur möglich mit Gas-Flaschen. Eine Gasflasche zu 10 kg. kostet 65 Soles (ca. 20,- €). Dieser hohe Preis entsteht dadurch, dass die Gasflaschen in der weit entfernten Hauptstadt Lima gefüllt und dann über 1.000 km in das Gasgebiet transportiert wird. Ein Großteil der Kinder sind mangel – bzw. sogar unterernährt, viele leiden, laut  an Parasiten.
Die Distriktpolitiker gaben das viele Geld nicht für Basisbedürfnisse aus, sondern z.B. für ein beheiztes Schwimmbad mit Rutschbahn oder den Bau eines Rathauses mit fünf Stockwerken. Kosten jeweils über 10 Millionen Soles.
Die ehemaligen Bürgermeister Elio Pro Herrera und José Rios Alvarez haben mit viel krimineller Energie ihren Anteil am Gas-Steuergeld eingesackt. Pro Herrero wurde zu 8 Jahren Gefängnis verurteilt, Rios Alvarez ist auf der Flucht. (La República 23.1.15).
Und die Perspektiven: Anfang 2016 soll die Produktion durch die Ausweitung der Erdgasleitungen weiter steigen auf 450 Millionen Kubikfuß anstatt aktuell von 314 Millionen Kubikfuß.
Die Verarbeitungsanlage am Zielort Chilca (Südküste) ist, laut Energie-und Bergwerksministerium zwar stark erdbebengefährdet, aber die Anlagen überleben auch starke Erdbeben. (Lima, Ministerio Energia y Minas, 19.1.2015).

Schlussfragen:
Soll mensch aus Deutschland, der mit Erdgas heizt, die Regenwaldzerstörung anprangern  ?  Oder, zugunsten einer geringeren Abholzung für Brennholz, und zugunster der gewerkschaftlich organisierten Gasarbeiter, die Gasförderung unterstützen ?
Die Diskussion ist hiermit  eröffnet.
Heinz Schulze