Deutsch-peruanisches Rohstoffabkommen I: Licht, Schatten und neue Offenheit

Seit etwa zwei Jahren war es Gegenstand der Diskussion in Politik, Soligruppen, Hilfswerken und anderen Zusammenhängen: das deutsch-peruanische Rohstoffabkommen.

Die bisher geschlossenen deutschen Rohstoffabkommen mit der Mongolei und mit Kasachstan dienen ja offenbar nur der Sicherung des deutschen Rohstoffhungers und der Förderung von Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen in den Lieferantenländern und berücksichtigen kaum die Interessen der ländlichen Bevölkerung der Lieferantenländer, so hieß es aus kritischen Mündern. Und jetzt ein Rohstoffabkommen mit Peru, an dem offenbar nur die Regierungen und die ihnen soufflierende Industrie beteiligt sind und dessen Text lange absolut geheim gehalten wurde? Mit einem rohstoffreichen Land, dessen sämtliche Regierungen der letzten Jahre die berechtigten Interessen der Landbevölkerung mit Füßen getreten haben? Die Konflikte brutal niederknüppeln und Verteidiger/innen von Umwelt- und Menschenrechten kriminalisieren lassen? Das ließ Schlimmstes befürchten.


Es war wie verhext: niemand kannte den Text, alle waren auf Mutmaßungen angewiesen. Im Oktober 2013 hieß es nur: das Abkommen ist ausverhandelt und kann unterschrieben werden, wir warten nur darauf, dass es eine neue Bundesregierung und einen Anlass gibt. Aber auch die Abgeordneten des Bundestags kannten das Abkommen nicht. Handverlesene, vom zuständigen Wirtschaftsministerium eingeladene Gäste durften bei einem Besuch im Ministerium das Abkommen einsehen und sich Notizen machen, es aber weder kopieren noch mitnehmen.
War es der stete Tropfen, der den Stein höhlt, waren es dezente Hinweise aus anderen Ministerien wie dem AA, dem BMZ und dem Umweltministerium, dass Dialogbereitschaft mit Soligruppen nicht ansteckend ist, sondern eher die eigenen Bemühungen adelt, oder setzte sich allmählich eigene Erkenntnis durch? Jedenfalls erhielt der bundesweite AK Rohstoffe über Susanne Friess von Misereor, der der Ehrentitel „Steter Tropfen“ gebührt, die Einladung zu einem Gespräch im Wirtschaftsministerium zum Thema Rohstoffpartnerschaft mit Peru. Freundlicherweise lag kommentarlos der Text des Abkommens bei, garniert von einer Studie «Peru: Herausforderungen und Chancen für eine nachhaltige Entwicklung im Rohstoffsektor», die von der Deutsch-Peruanischen Industrie- und Handelskammer, der Deutschen Rohstoffagentur und Germany Trade & Invest gemeinsam erstellt worden war (Download: http://www.bgr.bund.de/DERA/DE/Downloads/studie_peru_gtai.html).


Eine erste Durchsicht des Abkommens ergab wenig Konkretes, sondern eher Absichtserklärungen zur Zusammenarbeit „auf dem Gebiet der Erkundung, Erschließung, Gewinnung, Verarbeitung und Nutzung mineralischer Rohstoffe“ und der „umweltgerechten Stilllegung von Bergwerken und Rekultivierung von Bergwerksregionen“. In der Präambel wird dann auch auf die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschafts- und Menschenrechte und die Äquator-Prinzipien zur Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards verwiesen, im weiteren Textverlauf findet auch die ILO-Konvention 169 zur Konsultation der indigenen Bevölkerung eine kurze Erwähnung. Der Text des Abkommens ist fertig, Änderungen wird es nicht mehr geben.

In der 130-seitigen Studie wird der Bergbau überwiegend als der Motor der Entwicklung dargestellt, auffallend ist die Unterscheidung zwischen dem industriellen, alle Umwelt- und Menschenrechtsstandards einhaltenden Bergbau und dem informellen Bergbau, bei dem es bedauernswerterweise immer wieder zu Verstößen gegen diese Standards komme. Das Wort „nachhaltige Entwicklung“ im Titel der Studie wird offensichtlich im Sinne der Nachhaltigkeit deutscher Investitionen interpretiert. Deutsches Knowhow ist dann wohl auch bei der „umweltgerechten Stilllegung von Bergwerken und Rekultivierung von Bergwerksregionen“ vorgesehen.
Und so fanden sich am Freitag, 20. Juni, zehn Vertreter/innen von NGOs und der Forschung, darunter von Misereor, des AK Rohstoffe und des FDCL sowie der Autor dieses Berichts, im Wirtschaftsministerium ein, um mit den anwesenden Vertreter/innen von vier Bundesministerien (Wirtschaft, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Umwelt und Außen) und den Autoren der Studie über die Rohstoffpartnerschaft und die Studie zu diskutieren. In dem offen geführten Treffen hatten wir Gelegenheit, unsere Meinung zum Abkommen und der Studie zumindest ansatzweise zu äußern – zu Detaildiskussionen fehlte bei dem zweistündigen Gespräch leider die Zeit.
Neben den positiven Punkten, dass die UN-, Äquator- und ILO-Standards erstmals Einzug in ein Rohstoffabkommen gefunden haben, nannten wir auch zahlreiche Kritikpunkte. Exemplarisch wurden die einseitige Orientierung Perus auf den extraktiven Sektor, die fehlende Flächennutzungsplanung, die Kriminalisierung der Proteste und weitere Menschenrechtsthemen sowie die fehlende Regulierung bei Umweltthemen und Wasserrecht genannt. Am Beispiel von Cajamarca (jüngst auf den letzten Platz in der nationalen Armutsstatistik zurückgefallene Region, in der seit über 20 Jahren die größte Goldmine Lateinamerikas arbeitet) machten wir deutlich, dass der Bergbau nicht automatisch zu besserer Einkommensverteilung und zur Armutsminderung beiträgt. Die anwesenden Vertreter/innen der Bundesministerien betonten ihren Willen zur konstruktiven Zusammenarbeit und zur Fortsetzung des begonnenen Dialogs. Sanktionsmechanismen sind nach ihren Aussagen im Abkommen nicht vorgesehen. Die Autoren der Studie mussten zur Kenntnis nehmen, dass wir ihre optimistische Sicht nicht wirklich teilen.
Wie geht es nun weiter?
Nach einer Beratung des Abkommens am 2. Juli im Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, zu der ein Mitglied des AK Rohstoffe als Expertin eingeladen war und an der ich auch teilgenommen habe, könnte das Abkommen Mitte Juli anlässlich des Besuchs von Präsident Humala in Berlin unterzeichnet werden (Das Abkommen wurde am 14. Juli von den beiden Aussenministern unterzeichnet, d.Red.)


Auf deutscher Seite scheint durchaus eine Bereitschaft vorhanden zu sein, Nichtregierungsorganisationen und die Parlamente in die konkrete Zusammenarbeit einzubeziehen, etwa in die im Abkommen genannte „Deutsch-peruanische Regierungsarbeitsgruppe“. Aber verständlicherweise mochte die deutsche Seite nicht über peruanische Befindlichkeiten reden, insofern ist die „neue Offenheit“ aus dem deutschen Wirtschafts- und weiteren Ministerien wohl zunächst eine etwas einseitige. Wie sich die Umsetzung des Abkommens in beiden Ländern gestaltet und welche Konsequenzen die Studie haben wird, bleibt abzuwarten.


Michael Schrick