Auf einmal ist die Mine im Dorf

Mit dieser Situation sehen sich viele kleine Gemeinden in ganz Peru konfrontiert. Wie damit umgehen ? Susana Anderegg von der Schweizer NRO „bergbau menschen rechte“ gibt Kurse in Verhandlungsführung für vom Bergbau betroffenen Gemeinden in Cusco und Apurimac. InfoPeru hat sie zu ihrer Arbeit befragt.

InfoPeru: In welcher Situation befinden sich die Gemeinden, in denen Du Kurse gibst und wer nimmt an den Kursen teil?

Anderegg: Es nehmen Führungspersönlichkeiten aus den Dörfern teil, gewählte Bürgermeister und Gemeinderäte oder Vertreter und Vertretinnen von Basisorganisationen wie den Bauernverbänden. Meist sind es Dörfer, in denen Probebohrungen mit einer Explorationsgenehmigung durchgeführt werden. Das heisst, es tauchen Bergbaufirmen mit ihren Bohrgeräten auf, sie erstellen ihre Plattformen und machen Probebohrungen, um den Erzgehalt eines Geländes zu bestimmen. Und danach entscheiden sie, ob es sich für sie lohnt, an dem Ort eine Mine aufzumachen.

InfoPeru: wie erfahren die Dörfer davon, dass bei ihnen gebohrt wird?

Anderegg: Vorher kommt Vertreter der Bergbaufirma, der für die Beziehung zur Bevölkerug zuständig ist. Ohne die Zustimmung der Gemeinde dürfen die Firmen keine Probebohrungen machen – deswegen versprechen sie der Bevölkerung z.Bsp. Arbeitsplätze,einen Beitrag zum Dorffest, den Bau eines Gemeindegebäudes und ähnliches. Für die Vertragsunterzeichnung – die Gemeinde muss der Bohrung schriftlich zustimmen – bringen die Firmen oft ihre eigenen Anwälte mit.

Allerdings ist in den Verträgen kein Betrag für eine Pacht für das Bohrungsgelände enthalten und auch keine Entschädigung, wenn die Bohrung Schäden hinterläst.

InfoPeru: Was befürchten die Menschen, die zu Deinen Kursen kommen?

Anderegg: Die grösste Sorge ist die Umweltverschmutzung und die Angst, bei den Verhandlungen den Kürzeren zu ziehen. Ihre Armut macht die Menschen verletztlich und kann sie dazu bringen, etwas zu unterschreiben, was sie eigentlich gar nicht wollen. Sie verfügen in der Regel nicht über die nötigen Informationen, um auf gleicher Augenhöhe zu verhandeln.

Ein Problem ist auch, dass die Minen nur diejenigen Gemeinden zu ihrem Einflussgebiet zählen, deren Gebiete sie aufkaufen wollen. Die Definition als Einflussgebiet einer Mine bestimmt die Zuwendungen an die jeweiligen Dörfer. Aber oft sind Dörfer, die nicht als Einflussgebiet ausgewiesen sind, genauso oder mehr betroffen von den Umweltverschmutzungen.

InfoPeru: Du kennst die Situation der ländlichen Gemeinden angesichts des Bergbaus in Peru seit vielen Jahren. Hat sich da irgendwas zum Besseren gewendet?

Anderegg: Es gibt ein paar Fortschritte. So ist es heute nicht mehr möglich, den Bauern das Land zu einem absolut unterbewerteten Preis abzuluchsten, wie das vor 20 Jahren noch Yanacocha in Cajamarca getan hat – was noch nicht bedeutet, dass die bezahlten Preise wirklich angemessen sind. Auch werden die internationalen Standards bei Umsiedlungen eher eingehalten. Weniger Fortschritte sehe ich bei der Umweltgesetzgebung und der staatlichen Umweltaufsicht. Solange das Bergbauministerium da führend ist und nicht das Umweltministerium, werden die Menschen wenig Vertrauen haben. Und die jüngsten Massnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur (“paquetazos“) haben die Umweltauflagen nochmal eingeschränkt.

In den grossen Städten sehe ich sehr wohl, dass sich die Situation durch die Einnahmen vom Bergbau auch positiv verändert hat, aber auf dem Land ist davon doch sehr wenig angekommen.


Interview: Hildegard Willer