Huancavelica (© Barbara Fraser)

Huancavelica: Giftige Dämpfe aus der Kolonialzeit

Für die Bewohner*innen von Huancavelica ist der Corona-Lockdown besonders gefährlich.

Sechs Monate lang befindet sich Peru im Lockdown, und die Peruaner halten sich seitdem fast nur noch zu Hause auf. Für Tausende Bewohner der Andenstadt Huancavelica in Zentralperu bedeutet das, dauerhaft Schwermetallen, wie Blei, Quecksilber und Arsen ausgesetzt zu sein. Fast die Hälfte der Huancavelicaner leben in Häusern, die aus Lehmziegel gebaut worden sind. Genau dieser Lehm, der aus dem Boden der Region hergestellt wurde, stößt schädliche Quecksilberdämpfe und kontaminierten Staub aus.

Der Grund der Kontamination liegt in der Vergangenheit: In der Kolonialzeit lieferte die Mine Santa Barbara in Huancavelica das Quecksilber für den Gold- und Silberabbau u.a. im bolivianischen Potosí. Zwar wurde der Quecksilberabbau bereits vor rund 50 Jahren eingestellt – die Altlasten bedrohen jedoch bis heute das Leben und die Gesundheit der Menschen in Huancavelica.  Wessen Verantwortung ist es nun, daran etwas zu ändern?

 

Eingang zur inzwischen aufgelassenen Quecksilber-Mine Santa Barbara Foto: Barbara Fraser

Kontaminierung belegt

Schon seit 10 Jahren erforscht der nordamerikanische Umwelthistoriker Dr. Nicholas Robins den Grad der Aussetzung an Metallen in Huancavelica und veröffentlichte 2015 eine Studie, die belegte, dass die Hälfte der Bewohner, die in diesen Lehmhäusern wohnt, den Dämpfen ausgesetzt ist. Das betrifft an die 19.000 Menschen und zusätzlich 3500 Lebewesen. Die peruanischen Standards wurden bei 81% der Bodenproben zu Quecksilber, bei 100% zu Arsen und bei 73% zu Blei übertroffen. Außerdem konnte Robins bestätigen, dass zu Zeiten der Pandemie, das Risiko einer Vergiftung  für die Bevölkerung nochmal steigt.

Die Verseuchung des Bodens und Huancavelica als eine der verseuchtesten Städte durch Quecksilber der Welt, wurde auch von einer weiteren Studie einer Abteilung des Umweltamtes OEFA bestätigt. Schließlich trat die Ombudsstelle, la Defensoría del Pueblo, auf den Plan. Sie machten auf die Lage aufmerksam und forderten Eingriffe der zuständigen Ministerien, jedoch bisher ohne Erfolg. Auch als die Anwohner selbst sich an alle drei Staatsebenen – zentral, lokal und regional –  wandten und einen sanitären Notstand forderten, geschah nichts. Und das nun seit Jahren. Trotz sektorübergreifender Treffen sah sich weder die regionale Regierung, noch der Ministerrat, noch eines der Ministerien verantwortlich.

Zeit zum Handeln

Für ihn sei die Zeit des Forschens vorbei, sagte Dr. Nicholas Robins dem peruanischen Nachrichtenportal „Gran Angular“, da so das Handeln nur verschoben werde, und die Situation von den verantwortlichen Beamten falsch interpretiert werden würde. Er und seine Organisation El Consejo de Salud Ambiental begannen schon Wände und Böden zu verputzen, um die Kontaminierung zu verringern. Jedoch sieht auch er die Verantwortung beim Staat, den Bürgern ihre Menschenrechte zu garantieren.

Peru profitierte viel von der Mine Santa Barbara. Da jedoch der größte Teil der Quecksilberproduktion während der Kolonialzeit stattfand, stellt man sich die Frage, ob die spanische Monarchie hier mit verantwortlich gemacht werden sollte. Das sei jedoch sehr kompliziert und teuer, erklärte Robins. Nun sei der peruanische Staat der legale Verantwortliche, der sich weiterhin weigere, Huancavelica als verseuchten Ort anzuerkennen.

Die Bürgerinitiative aus Huancavelica Asociación Nuevavelica will auf die bedrohliche  Lage aufmerksam machen, die jetzt gerade durch die Pandemie noch kritischer wird. Sie betonen, dass es der Bevölkerung um die Garantie eines gesunden Lebensumfeldes geht  und sie keine finanzielle Entschädigung fordert.

Theresa Nickles