Peru-Gruppen: Partnerschaft St. Georg in Ulm

In unserer Reihe “Peru-Gruppen” berichten wir diesmal von der in der Ulmer St. Georgs- Gemeinde gegründeten Gruppe „Ausschuss: Mission, Entwicklung, Frieden“ , welche eine langjährige Gemeindepartnerschaft mit der Pfarrei San Pedro in Cajamarca betreibt. Mechthild Ebeling hat sich mit Helga Philip, Andrea Janisch und Hans Kamphausen im Ulmer Gemeindehaus zum Gespräch getroffen.

Was wird unterstützt?

Der Anstoß zur Bildung der Gruppe kam bereits im Jahr 1978, als die ehrwürdige Kirche in der Ulmer Innenstadt renoviert worden war, und einige Gemeindeglieder nun auch noch die Fenster aufwändig neu gestalten wollten. Aber dagegen war eine dezidierte Frau der Gemeinde: „Wir sollten eher etwas gegen die Armut in der Welt tun, als hier mit Luxus Gelder zu verbrauchen…“ So entstand eine Gruppe von AktivistInnen, welche zuerst ein Kleinprojekt in Indien und dann in Argentinien unterstützten.

Partnerschaft seit 1981

Dann ab 1981 wurde die Idee einer Partnerschaft mit einer Gemeinde in Cajamarca aufgenommen, die durch den Ulmer Pastoralreferenten Willi Knecht aufgekommen war. In dieser peruanischen Diözese arbeitete seit 1962 der Bischof José Dammert Bellido, dessen Großvater aus Deutschland eingewandert war, ein befreiungstheologisch engagierter Adept des Papstes Johannes XXIII. Er war bis 1992 dort im Amt und galt als erster „Indiokatechet“. In Ulm wollte man eine echte Partnerschaft, die „Option für die Armen“ entsprach den Vorstellungen der Ulmer AktivistInnen. Und so wurde mit dem Gemeindepfarrer von San Pedro Kontakt aufgenommen, ein Pfarrgemeinderat wurde berufen und eine ortsansässige peruanische Sozialassistentin koordinierte die Mittel und Projekte, die gemeinsam entwickelt und gestaltet wurden.

Seit Bestehen werden vor allem die Armen an der Peripherie, die indigen und kleinbäuerlich bestimmte Bevölkerung mit ihren Bedürfnissen bedacht. Es entstanden Programme mit Campesino-Gemeinschaften zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion (Terrassenbau, Kanal- und Wasserbeckenbau zur Bewässerung in Trockenzeiten, Verbesserung des Saatgutes etc.). Auch selbst betriebene Werkstätten z.B. für Möbelbau und Brotbäckerei sind entstanden. – Außerdem bestehen heute 8 Mütterclubs und ein großer selbstverwalteter Kindergarten. Vor allem zu Beginn wurden Alphabetisierungskurse für Frauen angeboten, und dadurch auch ihr Selbstbewusstsein und ihre Selbständigkeit gestärkt. Sie sind heute zu aktiven und auch politisch nicht zu unterschätzenden Gemeindegliedern und Bürgerinnen geworden.

Politische Solidaritätsarbeit
Die Solidaritätsarbeit ist für meine drei GesprächspartnerInnen eindeutig immer auch politisch geprägt. „Politischer Einsatz gehört ebenso zur Solidarität mit unseren Partnern wie Spenden und Gebet“, heißt es in der Publikation „Gemeinsam auf dem Weg“, die zum 25. Jubiläum der Partnerschaft entstand. Die Konflikte um den verwüstenden Bergbau in Cajamarca, der Widerstand gegen das Projekt Conga, die Solidarität mit dem Umweltaktivisten und ehemaligen Priester Marco Arana, die Verbindung zu der Umweltgruppierung GRUFIDES , all das wird thematisiert und auch von den peruanischen Partnern, den Campesinos und den Frauen, aktiv diskutiert. Unter dem christlichen Edikt der Brüderlichkeit bzw. Geschwisterlichkeit wird die Solidarität mit den von immensen Herausforderungen betroffenen Menschen in Cajamarca gelebt. So ist ein großes gegenseitiges Vertrauen zwischen den beiden Seiten der Kooperation entstanden, man kann sich aufeinander verlassen!
Und der größte Erfolg bisher……?
…… das war wohl der Erwerb, die Renovierung und Finanzierung des ehemaligen Hacienda-Hauses, das während der Agrarreform enteignet worden war, das „Casa Urubamba“. Urubamba ist ein armer Teilort von Cajamarca und gehört zur Pfarrgemeinde San Pedro. Es war für alle Beteiligten ein langer Weg, die rechtliche Lage zu klären, aber auch die finanziellen Mittel zu beschaffen, die nötig waren, bis das Haus nun zu einem Schmuckstück geworden ist, das als Treffpunkt für die Mütterclubs und die Campesinogruppen dient und auch einen Kindergarten (mit zur Zeit 85 Kindern in drei Gruppen ) beherbergt.

Die Ulmer Unterstützer konnten das nicht allein stemmen, aber sie konnten die Campesinos, die zum großen Teil in Eigenarbeit („mingas“) die Sanierung voran brachten, vor allem beim „Materialkauf“ unterstützen. – Seit Jahren werden in der Ulmer Kirche Sankt Georg Peru-Sonntage abgehalten; die Kollekte in diesen Gottesdiensten kommt der Solidaritätsarbeit zugute. Außerdem wird von den „Sternsingern“ und vielen privaten Spendern die Arbeit finanziell unterstützt. – Aber auch als großen und schönen Erfolg sehen es meine GesprächspartnerInnen, dass in den Ulmer Gottesdiensten immer die Schwestern und Brüder in Peru ins Gebet eingeschlossen werden!

Junge Mitglieder gesucht
Heute, beinahe 35 Jahre nach ihrer Gründung, hat die Ulmer Gruppe zur Zeit 14 feste aktive Mitglieder, welche sich monatlich treffen und die Arbeit absprechen. Sehr viele weitere Gemeindeglieder zeigen sich interessiert, und auch junge Leute sind bereit sich zu engagieren. Die ganze Kirchengemeinde steht fest hinter dieser Partnerschaft! Bereits mehrfach hat es Reisen von Aktiven nach Cajamarca gegeben, zum ersten Mal im Jahr 1986, im Jahr darauf folgt die nächste Reise, und in diesem Jahr kam auch Bischof Dammert nach Ulm. So sind im Laufe der Jahre auch viele persönliche Beziehungen entstanden, was z.B. auch dazu geführt hat, dass in dem Krisenjahr 1991 (Choleraepidemie, Inflation, Terrorismus) in einer spontanen Spendenaktion 45 000 DM als Soforthilfe an die Gemeinde San Pedro überwiesen werden konnte. – Aber auch Menschen aus Cajamarca kamen bereits nach Ulm und konnten so auch die Gemeinde und ihre Arbeitsweise kennenlernen.
Aber es werden weiterhin Menschen und vor allem junge Leute gesucht, die bereit sind, die Arbeit fortzuführen und neue Ideen einzubringen. Ein Problem ist, dass etliche junge Menschen, die in Cajamarca ein Praktikum oder einen Einsatz im Rahmen des „Freiwilligen Sozialen Jahrs“ machten, meist zum Studieren die Stadt Ulm verlassen und nicht klar ist, ob sie danach wieder in ihre Heimat zurückkommen werden. Deshalb will man nun ein bis zwei Mal im Jahr Treffen organisieren, zu dem gerade auch diese Jungen eingeladen werden sollen, um den Kontakt und die persönliche Bindung zu erhalten bzw. zu festigen.
Und wie wird kooperiert mit anderen Initiativen der Solidaritätsarbeit?
Zur Finanzierung der Arbeit mit den Kindergärten ist man eine Kooperation mit dem Kindermissionswerk eingegangen. – Aber sonst eher wenig, wird mir geantwortet, aber man ist vernetzt über andere „Cajamarca-Gruppen“, welche sich regelmäßig jedes Jahr treffen. Dieses Jahr fand dieses Treffen vom 16. – 18. Oktober 2015 in Ulm statt, es kamen  VertreterInnen von Cajamarca-Gruppen aus ganz Deutschland (s. dazu den Bericht in diesem InfoPeru) .
Die Frage, wo und wie man über die Arbeit der Partnerschaftsgruppe in Sankt Georg erfahren kann, wird mit dem Hinweis beantwortet, dass im Pfarreiblatt „Gemeinde im Bild“ regelmäßig berichtet wird, dieses erscheint vier Mal pro Jahr; die Gemeindemitglieder sind noch immer die wichtigsten Multiplikatoren der Solidaritätsarbeit. Auf der Website der Pfarrgemeinde kann man sich ebenfalls informieren, es gibt aber noch keine eigene Website, die müsse bald entwickelt werden! Die peruanischen Besucher, und darauf ist man stolz, werden aber immer von der lokalen Presse wahrgenommen und über ihre Aufenthalte wird berichtet.
Nach dieser langen und guten Kooperation, was wünscht man sich für Peru und die PeruanerInnen?
Hier ist man sich einig: Spontan wird vor allem die Anerkennung des peruanischen Staates z.B. bzgl. der Arbeit der Frauen in den Kindergärten gefordert. „ Der Staat muss die Verantwortung für alle seine BürgerInnen übernehmen, vor allem für die, die ´am Rande leben´, die noch immer von der weißen Bevölkerung kaum wahrgenommen werden, die keine Versicherung haben und für ihre gesellschaftlich wichtige Arbeit keine Gehälter bekommen. Der Staat muss ihre wichtige Arbeit endlich wertschätzen und fördern.“-
Und nun wünschen wir euch weiterhin viel Energie für diese wichtige Partnerschaftsarbeit!
Mechthild Ebeling