© Marisol García Apagüeño

Mit Radio und Facebook gegen die Mafia

Marisol García verteidigt ihr Land gegen die Holzmafia und Drogendealer. 

 

Marisol García Apagüeño aus Túpac Amaru, Distrikt Chazuta (Provinz und Region San Martín in Nordperu), will die Situation nicht länger hinnehmen. Die Organisation Fepikecha (Federación de Pueblos Indígenas Kechua Chazuta Amazonas), zu der sich 14 Gemeinden zusammengeschlossen haben und in der sie als einzige Frau eine Führungsposition bekleidet, erhält Drohungen von den Mafias. Marisol García organisierte für Fepikecha den gemeinsamen Radiosender Voces de la Selva sowie eine Facebookseite, und sie wandte sich an nichtstaatliche Organisationen sowie den Interamerikanischen Gerichtshof um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass indigene Menschen wie sie zunehmend verfolgt, bedroht und entführt werden.

Vor 30 Jahren war das Huallaga-Tal wegen illegalen Anbaus von Cocasträuchern und der Herstellung von Kokainpaste verrufen. Damals war Marisol García ein Kind. Sie erlebte mit, wie ab der 90er Jahre Kampagnen zur Ausrottung der Cocapflanzungen immer mehr griffen. Seit 2005 gilt die Gegend als ruhig. Aber jetzt ist die Bedrohung durch illegalen Anbau und Dorgenhandel zurück – und dazu kommt noch der illegale Holzeinschlag auf Kichwa-Gebiet.

Marisol Garcías Vorfahren hinterließen den Nachkommen das Territorium ebenso wie die Kunst, Keramikkrüge herzustellen, in denen das Wasser kühl bleibt, und botanisches Wissen z.B.  über Heilpflanzen oder Kakaokultivierung. Obwohl die Kichwas seit Jahrtausenden den unteren Lauf des Huallaga besiedeln, hat keine der 14 in Fepikecha organisierten Gemeinden eine offizielle Anerkennung als indigene Gemeinde geschweige denn Besitztitel für ihre Ländereien.

 

Wir waren vor jedem Gesetz hier, deshalb haben wir auch Rechte.

 

Die Beurkundung von Besitztiteln ist teuer: pro Gemeinde kommt sie auf geschätzte 33.000 Soles. Der Distriktbürgermeister von Huimbayoc, G. Silva Macedo, wies im Dezember 2020 die Behauptung von sich, dass in der Gegend Indigene (pueblos nativos) lebten, denn die Menschen sprächen keine der ursprünglichen Sprachen.

Kein Zufall sei, dass im Fall San Martín die Landtitelvergabe so langwierig sei, sagt Luis Hallazi, Fachanwalt de NRO  Instituto del Bién Común, denn einige der indigenen Territorien überschneiden sich mit Schutzgebieten (áreas protegidas). Acht der Fepikecha-Gemeinden im Bajo Huallaga befinden sich auf staatlich deklariertem Schutzareal (Cordillera Escalera) der Region, bestätigt der Präsident der Föderation, Wilger Apagüeño Cenepo.

 

Ohne Besitztitel keine Ansprüche

 

Anwalt Hallazi verweist auf den von der Regierung begangenen Fehler, ohne Rücksicht auf indigene Gebiete private und öffentliche Schutz- und Konservationsgebiete festgeschrieben zu haben, und er verweist auf den Zusammenhang zwischen den fehlenden Besitzurkunden und den illegalen Tätigkeiten dort.

 

Keine Urkunde, keine Ansprüche – nicht einmal auf die eigenen Rechte.

 

In San Martín und allgemein im Amazonasgebiet lassen sich Siedler auf indigenem Gebiet nieder, holzen ab, verkaufen das Holz und pflanzen Cocasträucher. Siedler erzählen, dass sie zum Beispiel in Sta. Rosillo de Yanayaku zuerst Primärwald schlugen. Einmal gesettled, schaffen die Neusiedler Fakten und die weiteren Gefahren lauern schon. Zum Beispiel besetzen sie Land, parzellieren es und betreiben auf bisherigen Waldgebieten Landwirtschaft. Das heißt sie pflanzen, was am meisten Geld bringt, also Coca.

Die selbstorganisierten Wachen (rondas) vor Ort sind schon oft aktiv geworden, haben illegale Holzfäller ausfindig gemacht und fotografiert. Die Gemeinden haben die Umweltbehörde und die Medien informiert.

 

Das Gebiet gehört dem Staat und nicht den Gemeinden.

 

Von daher… Nachdem die Gemeinden sich zur Wehr setzten, gab es Drohungen und Entführungen. Marisol García machte diese Tatsachen sowie den illegalen Holzhandel in der peruanischen Hauptstadt vor dem Kongress ebenso bekannt wie im Lokalsender, den sie aufgebaut hat. Transportfahrer und Bootsleute ließen sie wissen, dass sie sie “schon auf der Liste hätten” und sie sich besser “aus Problemen raushalten” solle. Marisol García kennt die Menschen nicht, die ihr so gedroht haben, aber ihr ist bewusst, dass in Gemeinden von Ucayali die Mafias Umweltschützer*innen gefoltert, ermordet und zerstückelt haben. Die Umweltpolizei verweist darauf, dass sich die Pandemie in verschiedenen Amazonasgebieten des Landes verschärft habe und man selbst zu wenig Personal und Mittel habe, um gegen illegalen Holzeinschlag und Drogendealer wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Da ihnen nichts geschieht, setzen sich immer mehr Drogendealer fest. Da sie bewaffnet sind, können sich die Gemeinden so gut wie nicht wehren.

Die Leute von Sta. Rosillo entdeckten zunächst ca. zehn Hektar illegale Cocapflanzungen, die aber stetig ausgeweitet werden – und zu Beginn des Jahres eine Landepiste mittendrin. Die Ausweitung der Cocafläche auf die benachbarten Ortschaften wird dadurch erleichtert, dass es in der Pandemie an Medikamenten und Lebensmitteln mangelt, so dass einige indigene Gemeinden mit den Drogendealern gemeinsame Sache machen.

Die Antidrogenbehörde (DEVIDA) weiß um die Problematik und versucht, die Führungsqualitäten in den Gemeinden zu stärken und Kakaoproduktion als wirtschaftliche Option für sie zu fördern.

Die nationale Menschenrechtskoordination sieht den Staat in der Pflicht, für die Sicherheit seiner derzeit besonders gefährdeten Bürger*innen zu sorgen: die Indigenen Amazoniens und dort lebende Umweltschützer*innen. Nicht zuletzt sei es Ergebnis der Regierungspolitik, dass Neusiedler*innen dort Landbesitz erhielten und es für illegale Zwecke nutzten.

Marisol García Apagüeño erläutert, dass ihre Föderation sich für kollektive Landtitel einsetze, die – im Gegensatz zu den rasch genehmigten Individualtiteln für Neusiedler*innen oder Privatunternehmen – endlos auf sich warten ließen.

Die Föderation fordert eine beschleunigte Eintragung der kollektiven Landtitel, damit Unternehmen nicht länger leichteren Zugang zum Land als dessen natürliche Beschützer und Bewahrer*innen erhalten. Marisol García hält ökonomische Alternativen für die indigene Bevölkerung für erforderlich, damit sie nicht aus Not und Perspektivlosigkeit dem Druck nach illegalem Cocaanbau nachgeben müssten. Sie selbst begann mit ihrer Mutter Kakao ökologisch anzubauen und sie kennt viele Frauen in Chazuta, die ihre handwerklichen und ihre Kunsterzeugnisse nicht mehr auf Messen und Jahrmärkten anbieten können. Das Leben wird noch härter, die Armut beutelt die Menschen.

Marisol García nimmt auch im Lokalradio kein Blatt vor den Mund. Sie berichtet dort von Erfolgen und Misserfolgen der Kichwa. Sie ist sicher, dass die Gemeinschaften auch diese im wahrsten Sinn des Worts bedrohliche und dramatische Zeit überstehen und bewältigen.

Gloria Alvitres

Übersetzung aus dem Spanischen: Trudi Schulze

 

Originaltext in Spanisch auf dem Portal Mongabay:

La lideresa Kichwa que defiende su territorio de taladores ilegales y narcotraficantes en la Amazonía de Perú