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Chinesische Investitionen – eine Gefahr für die peruanische Demokratie?

Der Vormarsch chinesischer Investitionen und wachsende Handelsverflechtungen mit China verursachen Verunsicherung in vielen Teilen der Welt. Auch in Peru ist China binnen etwa einer Dekade zu einem wichtigen Investor im Bergbausektor aufgestiegen.

Mit etwa einem Drittel aller Investitionen in die Förderung von Eisenerz und Kupfer ist Peru auf chinesisches Kapital angewiesen. Im Jahr 2017 steuerte der Bergbau etwa 10 Prozent des peruanischen Bruttoinlandsprodukts und 2015 15 Prozent der Steuereinnahmen bei. Diese Verflechtungen wurden seit Mitte der 1990er Jahre vor allem auf Initiative peruanischer Eliten aufgebaut. Deren mangelnde Rücksicht auf zivilgesellschaftliche Rechte und das eigene Machtkalkül bedroht die peruanische Demokratie. China ist für sie ein wichtiger Kooperationspartner, der viel Kapital besitzt und keine unangenehmen Fragen zu innenpolitischen Angelegenheiten stellt.

Die Steuereinnahmen aus dem Bergbau erzielten mit 15 Prozent aller Steuereinnahmen eine für den peruanischen Staat lebensnotwendige Einkommensquelle im Jahr 2015. Im Unterschied zu anderen Steuerquellen steht die renta minera zur freien Disposition der Regierung. Die Bergbauunternehmen zahlen diese großen Summen direkt in die Staatskasse ein. Der peruanischen Bürgerin stehen nur beschränkte Möglichkeiten zur Verfügung, den Umgang mit diesen Geldern zu kontrollieren. Die chinesische Nachfrage nach Mineralien verschärft dieses Problem. Denn Peru exportiert mehr als die Hälfte seiner Bergbauerzeugnisse sowie anderer mineralischer Rohstoffe auf den chinesischen Markt. China stellt mit 50 Prozent der globalen Nachfrage nach sämtlichen Mineralien seit 2013 Perus wichtigsten Absatzmarkt dar, auf den neben mineralischen Rohstoffen hauptsächlich unverarbeitete Agrarprodukte exportiert werden. Im Gegenzug importiert Peru eine ausdifferenzierte Palette an Industriegütern und Kommunikationstechnologien wie Handys, Computern und Haushaltsgeräten. Die weitgehend deregulierte Einfuhr chinesischer Produkte stellt die lokal verarbeitenden Industrien (z.B. für Schuhe und Textilien) unter massiven Konkurrenzdruck und führt zur Reprimarisierung der peruanischen Wirtschaft.

Doch wie ist dieses Abhängigkeitsverhältnis überhaupt entstanden und inwiefern stellen chinesische Investitionen eine Bedrohung für die peruanische Demokratie dar?

Chinas wirtschaftlicher Aufstieg basiert auf sich rasant entfaltenden Urbanisierungs-, Motorisierungs- und Industrialisierungsprozessen. Diese Prozesse benötigen enorme Mengen an mineralischen Rohstoffen. Angesichts der steigenden Bedeutung von Elektrizität, z.B. für die Versorgung von Elektroautos oder für die Verteilung von über Solar- und Windkraftanlagen produzierten Strom, gewinnt Kupfer im Zeitalter der erneuerbaren Energien zunehmend an Bedeutung. In China stellen vor allem Kernkraftwerke die Zukunftspfeiler der Energiewende dar.

Doch konträr als zumeist angenommen waren es nicht „die Chinesen“ allein, die sich für die Erschließung peruanischer Minen zu Beginn des 21. Jahrhundert interessierten. Obwohl die chinesische Regierung eine proaktive Wirtschaftsdiplomatie in Lateinamerika praktiziert, war Peru aus chinesischer Sicht als Investitionsziel zunächst uninteressant. Stattdessen waren es die peruanischen Eliten, die gezielt nach China suchten, als sie den gewaltigen Anstieg der chinesischen Nachfrage nach Kupfer sahen.

In den 1990er Jahren erweckte China schließlich zunehmendes Interesse der peruanischen Wirtschaftspolitik. Die Initiative ging also von Peru und nicht von China aus. Denn Peru gilt als Musterkind des Washington Consensus und als strategischer Partner der USA. Die ersten Bemühungen, die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und Peru zu stärken, unternahm der autoritär regierende Präsident japanischer Abstammung Alberto Fujimori. Fujimori verstand nicht nur Japan, sondern auch China als potenziellen Absatzmarkt für peruanische Produkte. Doch mit Präsident Alán García gelang Mitte der 2000er Jahre der peruanische Durchbruch nach China. García – der sich 2019 im Kontext zunehmender Korruptionsvorwürfe das Leben nahm – setzte hochrangige Verhandlungsteams zusammen, die die Aufgabe bekamen, die chinesische Führung dazu zu bringen, ein Freihandelsabkommen mit Peru zu unterzeichnen. Diese Verhandlungsteams waren sehr wichtig, weil sie zunächst andere asiatischen Länder dazu brachten, Freihandelsverträge mit Peru zu schließen, bis die chinesische Führung überzeugt werden konnte. Das gelang Peru letztendlich im Jahr 2008, als Präsident García zusammen mit seinem chinesischen Amtskollegen Hu Jintao den Abschluss des peruanisch-chinesischen Freihandels- und Investitionsabkommens verkündete. In der Folge steigen die Kupferexporte von Peru nach China seit 2008 massiv an. Peru konnte dank chinesischer Investitionen zum zweitgrößten Kupferproduzenten der Welt – nach Chile – wachsen. Mit der von China mitunterstützten Ausweitung des Extraktivismus intensivierten sich auch die Korruptionsskandale im Bausektor etwa durch die Vergabe von Aufträgen an das brasilianische Bauunternehmen Odebrecht. Letzteres profitierte in der ganzen Region von öffentlichen Aufträgen, welche die jeweiligen Regierungen mit den Mehreinnahmen aus dem Erdöl- bzw. Bergbausektor finanzierten. Auch in Peru erfasste dieses Problem die höchsten politischen Ämter.

An der Basis verbreiteten sich die Konflikte und der peruanische Staat verlor zunehmend an demokratischer Legitimität. Beispiele hierfür sind die Kupferminen Toromocho und Las Bambas. Beide Minen expandieren dank chinesischer Investitionen, die mithilfe des peruanischen Staats angezogen und abgesichert werden.

Obwohl es in Peru vermehrt zu tödlichen Konflikten und Auseinandersetzungen zwischen den Minenbetreibern und der lokalen Bevölkerung gekommen ist, haben die Regierungen der Staatspräsidenten Humala und PPK (Pedro Pablo Kuczynski) eine konsequente Politik zugunsten der Minenbetreiber verfolgt. Beide Politiker sind heutzutage wegen Korruption angeklagt. Die Kämpfe der lokalen Bevölkerung über Arbeitsrechtsverletzungen sowie die Missachtung von Umweltstandards und gesetzlich verankerter Konsultationsverfahren werden vonseiten des peruanischen Staates nur unzureichend wahrgenommen. Stattdessen gestattete ein Präsidialdekret Alán Garcías (Decreto Supremo N 004-2009) den Minenbetreibern, öffentliche Sicherheitskräfte einzukaufen, um „notfalls“ gegen die lokale Bevölkerung zum Schutze der Bergbauunternehmen mit Gewalt vorzugehen. Unter der Regierung des heutigen Präsidenten Vizcarra besteht diese gesetzliche Norm weiter.

Auf dieser Grundlage haben die meisten Bergbauunternehmen, ob chinesisch oder nicht, Vereinbarungen mit der peruanischen Polizei etabliert. Diese rechtlich abgesicherten Vereinbarungen erlauben Minenunternehmen, öffentliche Sicherheitskräfte zu einem Preis von etwa US$ 30 pro Mann und pro Tag einzukaufen. Diese Sicherheitskräfte verletzten und töteten in lokalen Protesten gegen die Mine Las Bambas in den Jahren 2015 und 2016 mehrere Menschen. Las Bambas hatte das chinesische Konsortium MMG im Jahr 2014 vom schweizerischen Konzern Glencore Xtrata gekauft. In Peru hängen Bergbau, Umweltverschmutzung und staatliche Gewalt eng zusammen. Viele dieser Probleme waren bereits vorher charakteristisch für den vom Westen dominierten Bergbausektor Perus, spitzen sich aber durch den zunehmenden Einfluss chinesischer Investitionen zu.

Chinas Aufstieg als peruanische Bezugsgröße steht also in direktem Zusammenhang mit der Expansion eines autoritären, antidemokratischen und extraktiven Wachstumsimperativs, der von allen peruanischen Regierungen und Wirtschaftseliten seit den 1990er Jahren vorangetrieben wird. Mit der ungebremsten Ausweitung extraktiver Kooperationsbeziehungen mit China entstehen für Peru gravierende politische und ökonomische Nachteile: ein zunehmend akutes Abhängigkeitsverhältnis gegenüber chinesischen Investitionen, eine Verschärfung sozialer Konflikte im Bergbausektor und ein strukturell-kontrollierendes Machtverhältnis zum langfristigen Vorteil Pekings bei zunehmender Umweltzerstörung. Doch unser Wissen ist noch beschränkt. Sozialwissenschaftler*innen und NGOs können das noch mit sehr wenigen Studien untermauerte Untersuchungs- und Politikfeld chinesisch-peruanischer Investitionsdynamiken bereichern. Doch als Lateinamerikaner*innen sollten wir uns auch – und vielleicht vor allem – vor dem irrationalen Ausmaß an Ausplünderungsbereitschaft seitens unserer eigenen Eliten fürchten.

Fabricio Rodríguez ist Sozialwissenschaftler und hat seine Dissertation zu Chinas Ressourcenpolitik in Brasilien und Peru an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg geschrieben. Derzeit ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und ALMA Fellow am Arnold-Bergstraesser-Institut in Freiburg. Er forscht zu Erdöl, Mineralien und Biomasse in den Süd-Süd-Beziehungen am Beispiel China-Lateinamerika.